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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
Wenn Hannichen auf und nieder geht, so hüten
sich alle vor ihr, als wenn sie die Pest hätte.



Endlich geht die erzürnte Gesellschafft ausein-
ander. Es sind Boten an meine beyden Onkles
und an meiner Mutter Schwester geschickt, wie
ich glaube, um sie auf Morgen zum Frühstück
hieher zu bitten. Denn werde ich auch wol mein
Urtheil bekommen. Es ist schon über eilfe, und
ich kriege Befehl, zu Bette zu gehen.

um 12. Uhr.

Diesen Augenblick werden mir die Schlüssel
abgefodert. Jch solte herunter geruffen werden,
allein mein Vater sagte, er könte mich nicht vor
seinen Augen dulden. Wie sehr hat sich alles in
wenig Wochen geändert. Schorey überbrach-
te mir den Befehl, die Schlüssel abzugeben: die
Thränen stunden ihr dabey in den Augen.

Sie sind glücklich, mein Schatz. Mögen Sie
nur immer so glücklich bleiben! so werde ich doch
nicht gantz unglücklich seyn.



Der zwey und zwantzigste Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Sontag Morgens den 5. Märtz.

Hannichen hat mir eben aus der abgelegenen
Oeffnung in der Garten- Mauer einen

Brief
Q 3

der Clariſſa.
Wenn Hannichen auf und nieder geht, ſo huͤten
ſich alle vor ihr, als wenn ſie die Peſt haͤtte.



Endlich geht die erzuͤrnte Geſellſchafft ausein-
ander. Es ſind Boten an meine beyden Onkles
und an meiner Mutter Schweſter geſchickt, wie
ich glaube, um ſie auf Morgen zum Fruͤhſtuͤck
hieher zu bitten. Denn werde ich auch wol mein
Urtheil bekommen. Es iſt ſchon uͤber eilfe, und
ich kriege Befehl, zu Bette zu gehen.

um 12. Uhr.

Dieſen Augenblick werden mir die Schluͤſſel
abgefodert. Jch ſolte herunter geruffen werden,
allein mein Vater ſagte, er koͤnte mich nicht vor
ſeinen Augen dulden. Wie ſehr hat ſich alles in
wenig Wochen geaͤndert. Schorey uͤberbrach-
te mir den Befehl, die Schluͤſſel abzugeben: die
Thraͤnen ſtunden ihr dabey in den Augen.

Sie ſind gluͤcklich, mein Schatz. Moͤgen Sie
nur immer ſo gluͤcklich bleiben! ſo werde ich doch
nicht gantz ungluͤcklich ſeyn.



Der zwey und zwantzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Sontag Morgens den 5. Maͤrtz.

Hannichen hat mir eben aus der abgelegenen
Oeffnung in der Garten- Mauer einen

Brief
Q 3
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[245/0265] der Clariſſa. Wenn Hannichen auf und nieder geht, ſo huͤten ſich alle vor ihr, als wenn ſie die Peſt haͤtte. Endlich geht die erzuͤrnte Geſellſchafft ausein- ander. Es ſind Boten an meine beyden Onkles und an meiner Mutter Schweſter geſchickt, wie ich glaube, um ſie auf Morgen zum Fruͤhſtuͤck hieher zu bitten. Denn werde ich auch wol mein Urtheil bekommen. Es iſt ſchon uͤber eilfe, und ich kriege Befehl, zu Bette zu gehen. um 12. Uhr. Dieſen Augenblick werden mir die Schluͤſſel abgefodert. Jch ſolte herunter geruffen werden, allein mein Vater ſagte, er koͤnte mich nicht vor ſeinen Augen dulden. Wie ſehr hat ſich alles in wenig Wochen geaͤndert. Schorey uͤberbrach- te mir den Befehl, die Schluͤſſel abzugeben: die Thraͤnen ſtunden ihr dabey in den Augen. Sie ſind gluͤcklich, mein Schatz. Moͤgen Sie nur immer ſo gluͤcklich bleiben! ſo werde ich doch nicht gantz ungluͤcklich ſeyn. Der zwey und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Sontag Morgens den 5. Maͤrtz. Hannichen hat mir eben aus der abgelegenen Oeffnung in der Garten- Mauer einen Brief Q 3

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/265>, abgerufen am 22.11.2024.