Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
Brief von Herrn Lovelace gebracht, den der
Lord M. mit unterzeichnet hatte. Er war ge-
stern Abend hingelegt.

Er meldet mir: "Herr Solmes rühme sich
"öffentlich, daß er in wenig Tagen mit einem so
"scheuen Frauenzimmer, als in gantz England
"nicht zu finden sey, getrauet werden würde.
"Mein Bruder mache die Auslegung darüber,
"und versichere allen und jeden, daß seine jüng-
"ste Schwester sehr bald Herrn Solmes Frau
"seyn würde." Er berichtet mir auch, daß
die Proben verschrieben sind, davon meine Mut-
ter Erwähnung that.

Es kan doch nichts, was in diesem Hause vor-
gehet oder geredet wird, vor ihm verborgen blei-
ben!

Er schreibt: "Meine Schwester stimmete in
"ihren Reden völlig mit meinem Bruder überein,
"und hielte sich dabey so empfindlich über ihn auf,
"daß es ihn nothwendig sehr verdriessen müß-
"te. Die Sache selbst und die Art sie vorzu-
"bringen, gehe ihm zu Hertzen." Er drücket
"sich hierüber sehr heftig aus.

"Es ist ihm unbegreiflich, was die Meinigen
"für Ursachen haben können, ihm einen solchen
"Menschen als Solmes ist vorzuziehen. Wenn
"es auf vortheilhafte Ehe-Pacten ankäme, so
"solte gewiß Solmes nichts versprechen kön-
"nen, daß er nicht auch zu thun bereit sey."

"Was seine Güter und Familie anlangte, so
"könte gegen jene niemand etwas einwenden,

und

Die Geſchichte
Brief von Herrn Lovelace gebracht, den der
Lord M. mit unterzeichnet hatte. Er war ge-
ſtern Abend hingelegt.

Er meldet mir: „Herr Solmes ruͤhme ſich
„oͤffentlich, daß er in wenig Tagen mit einem ſo
„ſcheuen Frauenzimmer, als in gantz England
„nicht zu finden ſey, getrauet werden wuͤrde.
„Mein Bruder mache die Auslegung daruͤber,
„und verſichere allen und jeden, daß ſeine juͤng-
„ſte Schweſter ſehr bald Herrn Solmes Frau
„ſeyn wuͤrde.„ Er berichtet mir auch, daß
die Proben verſchrieben ſind, davon meine Mut-
ter Erwaͤhnung that.

Es kan doch nichts, was in dieſem Hauſe vor-
gehet oder geredet wird, vor ihm verborgen blei-
ben!

Er ſchreibt: „Meine Schweſter ſtimmete in
„ihren Reden voͤllig mit meinem Bruder uͤberein,
„und hielte ſich dabey ſo empfindlich uͤber ihn auf,
„daß es ihn nothwendig ſehr verdrieſſen muͤß-
„te. Die Sache ſelbſt und die Art ſie vorzu-
„bringen, gehe ihm zu Hertzen.„ Er druͤcket
„ſich hieruͤber ſehr heftig aus.

„Es iſt ihm unbegreiflich, was die Meinigen
„fuͤr Urſachen haben koͤnnen, ihm einen ſolchen
„Menſchen als Solmes iſt vorzuziehen. Wenn
„es auf vortheilhafte Ehe-Pacten ankaͤme, ſo
„ſolte gewiß Solmes nichts verſprechen koͤn-
„nen, daß er nicht auch zu thun bereit ſey.„

„Was ſeine Guͤter und Familie anlangte, ſo
„koͤnte gegen jene niemand etwas einwenden,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0266" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
Brief von Herrn <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> gebracht, den der<lb/>
Lord M. mit unterzeichnet hatte. Er war ge-<lb/>
&#x017F;tern Abend hingelegt.</p><lb/>
        <p>Er meldet mir: &#x201E;Herr S<hi rendition="#fr">olmes</hi> ru&#x0364;hme &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;o&#x0364;ffentlich, daß er in wenig Tagen mit einem &#x017F;o<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheuen Frauenzimmer, als in gantz England<lb/>
&#x201E;nicht zu finden &#x017F;ey, getrauet werden wu&#x0364;rde.<lb/>
&#x201E;Mein Bruder mache die Auslegung daru&#x0364;ber,<lb/>
&#x201E;und ver&#x017F;ichere allen und jeden, daß &#x017F;eine ju&#x0364;ng-<lb/>
&#x201E;&#x017F;te Schwe&#x017F;ter &#x017F;ehr bald Herrn S<hi rendition="#fr">olmes</hi> Frau<lb/>
&#x201E;&#x017F;eyn wu&#x0364;rde.&#x201E; Er berichtet mir auch, daß<lb/>
die Proben ver&#x017F;chrieben &#x017F;ind, davon meine Mut-<lb/>
ter Erwa&#x0364;hnung that.</p><lb/>
        <p>Es kan doch nichts, was in die&#x017F;em Hau&#x017F;e vor-<lb/>
gehet oder geredet wird, vor ihm verborgen blei-<lb/>
ben!</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chreibt: &#x201E;Meine Schwe&#x017F;ter &#x017F;timmete in<lb/>
&#x201E;ihren Reden vo&#x0364;llig mit meinem Bruder u&#x0364;berein,<lb/>
&#x201E;und hielte &#x017F;ich dabey &#x017F;o empfindlich u&#x0364;ber ihn auf,<lb/>
&#x201E;daß es ihn nothwendig &#x017F;ehr verdrie&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;ß-<lb/>
&#x201E;te. Die Sache &#x017F;elb&#x017F;t und die Art &#x017F;ie vorzu-<lb/>
&#x201E;bringen, gehe ihm zu Hertzen.&#x201E; Er dru&#x0364;cket<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich hieru&#x0364;ber &#x017F;ehr heftig aus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t ihm unbegreiflich, was die Meinigen<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r Ur&#x017F;achen haben ko&#x0364;nnen, ihm einen &#x017F;olchen<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen als S<hi rendition="#fr">olmes</hi> i&#x017F;t vorzuziehen. Wenn<lb/>
&#x201E;es auf vortheilhafte Ehe-Pacten anka&#x0364;me, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;&#x017F;olte gewiß S<hi rendition="#fr">olmes</hi> nichts ver&#x017F;prechen ko&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;nen, daß er nicht auch zu thun bereit &#x017F;ey.&#x201E;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;eine Gu&#x0364;ter und Familie anlangte, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nte gegen jene niemand etwas einwenden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0266] Die Geſchichte Brief von Herrn Lovelace gebracht, den der Lord M. mit unterzeichnet hatte. Er war ge- ſtern Abend hingelegt. Er meldet mir: „Herr Solmes ruͤhme ſich „oͤffentlich, daß er in wenig Tagen mit einem ſo „ſcheuen Frauenzimmer, als in gantz England „nicht zu finden ſey, getrauet werden wuͤrde. „Mein Bruder mache die Auslegung daruͤber, „und verſichere allen und jeden, daß ſeine juͤng- „ſte Schweſter ſehr bald Herrn Solmes Frau „ſeyn wuͤrde.„ Er berichtet mir auch, daß die Proben verſchrieben ſind, davon meine Mut- ter Erwaͤhnung that. Es kan doch nichts, was in dieſem Hauſe vor- gehet oder geredet wird, vor ihm verborgen blei- ben! Er ſchreibt: „Meine Schweſter ſtimmete in „ihren Reden voͤllig mit meinem Bruder uͤberein, „und hielte ſich dabey ſo empfindlich uͤber ihn auf, „daß es ihn nothwendig ſehr verdrieſſen muͤß- „te. Die Sache ſelbſt und die Art ſie vorzu- „bringen, gehe ihm zu Hertzen.„ Er druͤcket „ſich hieruͤber ſehr heftig aus. „Es iſt ihm unbegreiflich, was die Meinigen „fuͤr Urſachen haben koͤnnen, ihm einen ſolchen „Menſchen als Solmes iſt vorzuziehen. Wenn „es auf vortheilhafte Ehe-Pacten ankaͤme, ſo „ſolte gewiß Solmes nichts verſprechen koͤn- „nen, daß er nicht auch zu thun bereit ſey.„ „Was ſeine Guͤter und Familie anlangte, ſo „koͤnte gegen jene niemand etwas einwenden, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/266
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/266>, abgerufen am 22.11.2024.