Temperament entschuldigen. Was für ein Held oder Heldin müste das seyn, der seine Schoos- Sünde, seinen Temperaments-Fehler ausrotten könte? es sey nun der Geitz, (den ich um einiger Willen nicht nennen darff) oder die allzugrosse Ernsthaftigkeit meiner besten Freundin, oder die übertriebene Munterkeit der Person, die ich nicht nöthig habe zu nennen.
Jch kan Jhnen nicht verhalten, daß ich die Neugierde meiner Mutter befriedigen, und ihr einige Stellen aus Jhren Briefen zeigen mußte. Meine Mutter ist so neugierig als jemand seyn kan.
Jch bin zwar verhindert worden. Jch will Jhnen aber bald melden, was zwischen mir und meiner Mutter vorgefallen ist, als sie ihr Mäd- chen, ihren theuren Hickmann, und Lovela- ce auf einmal in den Gedancken hatte.
Sie sagte: "wenn ich alles überlege, so kan ich "nicht leugnen, daß ich einige Härte darin finde, "wie mit der Fräulein Harlowe verfahren wird: "und dennoch ist es wahr, was ihre Frau Mut- "ter sagt, daß es sehr empfindlich sey, ein Kind "zu haben, das wegen seines Gehorsams gegen "seine Eltern in geringern Dingen bekant ist, "und sich nun in der wichtigsten Sache ihrem "Willen widersetzt. Jch muß beyden Theilen "ihr Recht widerfahren lassen: Es ist Schade, "daß der Bräutigam, den die Jhrigen haben
wol-
Erster Theil. T
der Clariſſa.
Temperament entſchuldigen. Was fuͤr ein Held oder Heldin muͤſte das ſeyn, der ſeine Schoos- Suͤnde, ſeinen Temperaments-Fehler ausrotten koͤnte? es ſey nun der Geitz, (den ich um einiger Willen nicht nennen darff) oder die allzugroſſe Ernſthaftigkeit meiner beſten Freundin, oder die uͤbertriebene Munterkeit der Perſon, die ich nicht noͤthig habe zu nennen.
Jch kan Jhnen nicht verhalten, daß ich die Neugierde meiner Mutter befriedigen, und ihr einige Stellen aus Jhren Briefen zeigen mußte. Meine Mutter iſt ſo neugierig als jemand ſeyn kan.
Jch bin zwar verhindert worden. Jch will Jhnen aber bald melden, was zwiſchen mir und meiner Mutter vorgefallen iſt, als ſie ihr Maͤd- chen, ihren theuren Hickmann, und Lovela- ce auf einmal in den Gedancken hatte.
Sie ſagte: „wenn ich alles uͤberlege, ſo kan ich „nicht leugnen, daß ich einige Haͤrte darin finde, „wie mit der Fraͤulein Harlowe verfahren wird: „und dennoch iſt es wahr, was ihre Frau Mut- „ter ſagt, daß es ſehr empfindlich ſey, ein Kind „zu haben, das wegen ſeines Gehorſams gegen „ſeine Eltern in geringern Dingen bekant iſt, „und ſich nun in der wichtigſten Sache ihrem „Willen widerſetzt. Jch muß beyden Theilen „ihr Recht widerfahren laſſen: Es iſt Schade, „daß der Braͤutigam, den die Jhrigen haben
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Erſter Theil. T
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der Clariſſa.
Temperament entſchuldigen. Was fuͤr ein Held
oder Heldin muͤſte das ſeyn, der ſeine Schoos-
Suͤnde, ſeinen Temperaments-Fehler ausrotten
koͤnte? es ſey nun der Geitz, (den ich um einiger
Willen nicht nennen darff) oder die allzugroſſe
Ernſthaftigkeit meiner beſten Freundin, oder
die uͤbertriebene Munterkeit der Perſon, die
ich nicht noͤthig habe zu nennen.
Jch kan Jhnen nicht verhalten, daß ich die
Neugierde meiner Mutter befriedigen, und ihr
einige Stellen aus Jhren Briefen zeigen mußte.
Meine Mutter iſt ſo neugierig als jemand ſeyn
kan.
Jch bin zwar verhindert worden. Jch will
Jhnen aber bald melden, was zwiſchen mir und
meiner Mutter vorgefallen iſt, als ſie ihr Maͤd-
chen, ihren theuren Hickmann, und Lovela-
ce auf einmal in den Gedancken hatte.
Sie ſagte: „wenn ich alles uͤberlege, ſo kan ich
„nicht leugnen, daß ich einige Haͤrte darin finde,
„wie mit der Fraͤulein Harlowe verfahren wird:
„und dennoch iſt es wahr, was ihre Frau Mut-
„ter ſagt, daß es ſehr empfindlich ſey, ein Kind
„zu haben, das wegen ſeines Gehorſams gegen
„ſeine Eltern in geringern Dingen bekant iſt,
„und ſich nun in der wichtigſten Sache ihrem
„Willen widerſetzt. Jch muß beyden Theilen
„ihr Recht widerfahren laſſen: Es iſt Schade,
„daß der Braͤutigam, den die Jhrigen haben
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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