[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.der Clarissa. meister zu stehen ausgehört hat; so mag er Lusthaben, selbst den Hoffmeister über unser Geschlecht zu spielen, das in Sitten und Art zu dencken gäntzlich von ihm verschieden ist. Denn was sind nach seiner Erzehlung die Collegia auf der Universität anders, als Stuffen der Tyranney, da die ältern Studenten die Tyrannen der neuange- kommenen, und die Hoffmeister wieder die Tyran- nen über diese sind? Es ist nicht so sehr zu ver- wundern, daß er bey einem solchen allzu männ- lichen Geiste sich bemühet, eine arme Schwester zu unterdrücken und über sie zu herrschen, sonder- lich wenn ihn der Groll gegen jemand und seine eigennützigen Absichten (die ihr selbst sonst an ihm getadelt habt) dazu antreiben. Allein daß es eine Schwester nicht mit ihrer Schwester hält, sondern mit ihm Parthey macht, um Vater und Mutter ihr abgeneigt zu machen, und zwar dieses in einer Sache in der es sonst die Frauens-Leute mit einander zu halten pflegen: das ist gewiß nicht artig von euch gehandelt. Jch erinnere mich der Zeit noch wohl, in der ange- U 5
der Clariſſa. meiſter zu ſtehen auſgehoͤrt hat; ſo mag er Luſthaben, ſelbſt den Hoffmeiſter uͤber unſer Geſchlecht zu ſpielen, das in Sitten und Art zu dencken gaͤntzlich von ihm verſchieden iſt. Denn was ſind nach ſeiner Erzehlung die Collegia auf der Univerſitaͤt anders, als Stuffen der Tyranney, da die aͤltern Studenten die Tyrannen der neuange- kommenen, und die Hoffmeiſter wieder die Tyran- nen uͤber dieſe ſind? Es iſt nicht ſo ſehr zu ver- wundern, daß er bey einem ſolchen allzu maͤnn- lichen Geiſte ſich bemuͤhet, eine arme Schweſter zu unterdruͤcken und uͤber ſie zu herrſchen, ſonder- lich wenn ihn der Groll gegen jemand und ſeine eigennuͤtzigen Abſichten (die ihr ſelbſt ſonſt an ihm getadelt habt) dazu antreiben. Allein daß es eine Schweſter nicht mit ihrer Schweſter haͤlt, ſondern mit ihm Parthey macht, um Vater und Mutter ihr abgeneigt zu machen, und zwar dieſes in einer Sache in der es ſonſt die Frauens-Leute mit einander zu halten pflegen: das iſt gewiß nicht artig von euch gehandelt. Jch erinnere mich der Zeit noch wohl, in der ange- U 5
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der Clariſſa.
meiſter zu ſtehen auſgehoͤrt hat; ſo mag er Luſt
haben, ſelbſt den Hoffmeiſter uͤber unſer Geſchlecht
zu ſpielen, das in Sitten und Art zu dencken
gaͤntzlich von ihm verſchieden iſt. Denn was
ſind nach ſeiner Erzehlung die Collegia auf der
Univerſitaͤt anders, als Stuffen der Tyranney, da
die aͤltern Studenten die Tyrannen der neuange-
kommenen, und die Hoffmeiſter wieder die Tyran-
nen uͤber dieſe ſind? Es iſt nicht ſo ſehr zu ver-
wundern, daß er bey einem ſolchen allzu maͤnn-
lichen Geiſte ſich bemuͤhet, eine arme Schweſter
zu unterdruͤcken und uͤber ſie zu herrſchen, ſonder-
lich wenn ihn der Groll gegen jemand und ſeine
eigennuͤtzigen Abſichten (die ihr ſelbſt ſonſt an ihm
getadelt habt) dazu antreiben. Allein daß es
eine Schweſter nicht mit ihrer Schweſter haͤlt,
ſondern mit ihm Parthey macht, um Vater und
Mutter ihr abgeneigt zu machen, und zwar dieſes
in einer Sache in der es ſonſt die Frauens-Leute
mit einander zu halten pflegen: das iſt gewiß
nicht artig von euch gehandelt.
Jch erinnere mich der Zeit noch wohl, in der
man an Herrn Lovelaces Beſſerung gar nicht
verzweifelte, und es fuͤr keine vergebene’ oder
tadelhafte Bemuͤhung hielt an ihm zu arbeiten,
um einen ſo klugen Mann wieder auf den Weg
der Ehre und Tugend zu bringen. Jch verlange
die Probe nicht ſelbſt zu machen: Jch muß aber
dem ohngeachtet bekennen, daß, wenn ich auch
ſonſt keine Neigung gegen ihn haͤtte, die ſchim-
pflichen Zwangs-Mittel, die fuͤr einen Solmes
ange-
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