Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch
in dem Bauer hatte, und ihn sehen konte so oft
ich wollte.

Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch
kan an sonst nichts dencken, als an meine göttliche
Clarissa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir
das verhaßte Wort im Halse stecken! Jch muß
sie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe
geben.(*)

CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert
unser Ohr.
Man fühlt die Zärtlichkeit mit welcher
Kinder schertzen.
Ein unverfälschtes Blut/ wie das in
jungen Hertzen/
Schlägt in der Männer Brust.

Hättest du je gedacht, daß ich, der ich sonst
zum höchsten glaubte daß meine Gegenliebe eben
so groß seyn könte als die Liebe der Schönen;
daß ich, der ich um dieses göttlichen Kindes wil-
len mir es gar habe in den Sinn kommen lassen,
das Leben in Fesseln dem Leben der Ehre
vorzuziehen: daß ich auch dem Otway diese all-
zuzärtlichen Zeilen jemals abborgen würde.

Jch muß mich selbst schelten. Dryden schreibt:

Ein anders Feuer ist die Lieb in andern
Seelen:
Der
(*) Liebe heist im Englischen Love, welches der
Anfang des Namens Lovelace ist.
X 5

der Clariſſa.
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch
in dem Bauer hatte, und ihn ſehen konte ſo oft
ich wollte.

Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch
kan an ſonſt nichts dencken, als an meine goͤttliche
Clariſſa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir
das verhaßte Wort im Halſe ſtecken! Jch muß
ſie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe
geben.(*)

CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert
unſer Ohr.
Man fuͤhlt die Zaͤrtlichkeit mit welcher
Kinder ſchertzen.
Ein unverfaͤlſchtes Blut/ wie das in
jungen Hertzen/
Schlaͤgt in der Maͤnner Bruſt.

Haͤtteſt du je gedacht, daß ich, der ich ſonſt
zum hoͤchſten glaubte daß meine Gegenliebe eben
ſo groß ſeyn koͤnte als die Liebe der Schoͤnen;
daß ich, der ich um dieſes goͤttlichen Kindes wil-
len mir es gar habe in den Sinn kommen laſſen,
das Leben in Feſſeln dem Leben der Ehre
vorzuziehen: daß ich auch dem Otway dieſe all-
zuzaͤrtlichen Zeilen jemals abborgen wuͤrde.

Jch muß mich ſelbſt ſchelten. Dryden ſchreibt:

Ein anders Feuer iſt die Lieb in andern
Seelen:
Der
(*) Liebe heiſt im Engliſchen Love, welches der
Anfang des Namens Lovelace iſt.
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="329"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch<lb/>
in dem Bauer hatte, und ihn &#x017F;ehen konte &#x017F;o oft<lb/>
ich wollte.</p><lb/>
          <p>Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch<lb/>
kan an &#x017F;on&#x017F;t nichts dencken, als an meine go&#x0364;ttliche<lb/>
Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe. <hi rendition="#fr">Harlowe!</hi> wie bleibt mir<lb/>
das verhaßte Wort im Hal&#x017F;e &#x017F;tecken! Jch muß<lb/>
&#x017F;ie umtauffen, und ihr den Namen <hi rendition="#fr">der Liebe</hi><lb/>
geben.<note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#fr">Liebe</hi> hei&#x017F;t im Engli&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Love,</hi> welches der<lb/>
Anfang des Namens Lovelace i&#x017F;t.</note></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>CLARJSSA! <hi rendition="#fr">O Dein Schall bezaubert</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">un&#x017F;er Ohr.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Man fu&#x0364;hlt die Za&#x0364;rtlichkeit mit welcher</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">Kinder &#x017F;chertzen.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Ein unverfa&#x0364;l&#x017F;chtes Blut/ wie das in</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">jungen Hertzen/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Schla&#x0364;gt in der Ma&#x0364;nner Bru&#x017F;t.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte&#x017F;t du je gedacht, daß ich, der ich &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
zum ho&#x0364;ch&#x017F;ten glaubte daß meine Gegenliebe eben<lb/>
&#x017F;o groß &#x017F;eyn ko&#x0364;nte als die Liebe der Scho&#x0364;nen;<lb/>
daß ich, der ich um die&#x017F;es go&#x0364;ttlichen Kindes wil-<lb/>
len mir es gar habe in den Sinn kommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/><hi rendition="#fr">das Leben in Fe&#x017F;&#x017F;eln</hi> dem <hi rendition="#fr">Leben der Ehre</hi><lb/>
vorzuziehen: daß ich auch dem <hi rendition="#fr">Otway</hi> die&#x017F;e all-<lb/>
zuza&#x0364;rtlichen Zeilen jemals abborgen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Jch muß mich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chelten. <hi rendition="#fr">Dryden</hi> &#x017F;chreibt:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <l> <hi rendition="#fr">Ein anders Feuer i&#x017F;t die Lieb in andern</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Seelen:</hi> </hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><lb/>
            </quote>
          </cit>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0349] der Clariſſa. war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch in dem Bauer hatte, und ihn ſehen konte ſo oft ich wollte. Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch kan an ſonſt nichts dencken, als an meine goͤttliche Clariſſa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir das verhaßte Wort im Halſe ſtecken! Jch muß ſie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe geben. (*) CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert unſer Ohr. Man fuͤhlt die Zaͤrtlichkeit mit welcher Kinder ſchertzen. Ein unverfaͤlſchtes Blut/ wie das in jungen Hertzen/ Schlaͤgt in der Maͤnner Bruſt. Haͤtteſt du je gedacht, daß ich, der ich ſonſt zum hoͤchſten glaubte daß meine Gegenliebe eben ſo groß ſeyn koͤnte als die Liebe der Schoͤnen; daß ich, der ich um dieſes goͤttlichen Kindes wil- len mir es gar habe in den Sinn kommen laſſen, das Leben in Feſſeln dem Leben der Ehre vorzuziehen: daß ich auch dem Otway dieſe all- zuzaͤrtlichen Zeilen jemals abborgen wuͤrde. Jch muß mich ſelbſt ſchelten. Dryden ſchreibt: Ein anders Feuer iſt die Lieb in andern Seelen: Der (*) Liebe heiſt im Engliſchen Love, welches der Anfang des Namens Lovelace iſt. X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/349
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/349>, abgerufen am 22.11.2024.