ich erfahre diese Warheit leider zu oft, als daß ich sie ihnen verheelen könte. Wenn sie nun mit Willen noch verdrießlicher hat scheinen wol- len, als sie gemeiniglich ist, so muß dieses ein gar nicht vortheilhaftes Bild von ihr gegeben haben.
Jch weiß nicht was in dieser Zusammenkunft vorgefallen ist; der Ausgang sollte einen fast auf die Gedancken bringen, daß Herr Lovelace so lose und fast so niederträchtig gewesen sey, die Ge- legenheit mit Fleiß zu suchen und zu gebrauchen, welche ihm meine Schwester dieses mal gab. Es beliebte ihm jetzund seine Bitte anzubringen: aber sie erzehlet, daß er sie vorher, (sie wuste nicht, auf welche Art und Weise?) so zum Unwillen ge- reitzet, und so misvergnügt gemacht habe, daß sie unmöglich so gleich wieder zu sich selbst habe kommen können. Dem ohngeachtet drang er mit seiner Bitte in sie, nicht anders, als wenn er ein deutliches Ja erzwingen wollte, ließ ihr aber nicht Zeit wieder aufgeräumt zu werden, und be- mühete sich nicht sie zu besänftigen. Sie konnte daher nicht anders, als seine Bitte abschlagen; ließ ihm aber dabey mercken, daß ihr nicht sowohl sein Anbringen mißfiele, als die Art mit der er es angebracht hatte: denn er habe sich mehr um ihre Mutter, als um sie beworben, gerade als wenn er gewiß wüßte, daß sie sogleich Ja sagen würde so bald es ihm beliebte.
Eine Verweigerung voller Ja-Worte! Von gleicher Beschaffenheit waren alle ihre übrige Ein- wendungen, nehmlich sie habe nicht Lust sich
zu
Die Geſchichte
ich erfahre dieſe Warheit leider zu oft, als daß ich ſie ihnen verheelen koͤnte. Wenn ſie nun mit Willen noch verdrießlicher hat ſcheinen wol- len, als ſie gemeiniglich iſt, ſo muß dieſes ein gar nicht vortheilhaftes Bild von ihr gegeben haben.
Jch weiß nicht was in dieſer Zuſammenkunft vorgefallen iſt; der Ausgang ſollte einen faſt auf die Gedancken bringen, daß Herr Lovelace ſo loſe und faſt ſo niedertraͤchtig geweſen ſey, die Ge- legenheit mit Fleiß zu ſuchen und zu gebrauchen, welche ihm meine Schweſter dieſes mal gab. Es beliebte ihm jetzund ſeine Bitte anzubringen: aber ſie erzehlet, daß er ſie vorher, (ſie wuſte nicht, auf welche Art und Weiſe?) ſo zum Unwillen ge- reitzet, und ſo misvergnuͤgt gemacht habe, daß ſie unmoͤglich ſo gleich wieder zu ſich ſelbſt habe kommen koͤnnen. Dem ohngeachtet drang er mit ſeiner Bitte in ſie, nicht anders, als wenn er ein deutliches Ja erzwingen wollte, ließ ihr aber nicht Zeit wieder aufgeraͤumt zu werden, und be- muͤhete ſich nicht ſie zu beſaͤnftigen. Sie konnte daher nicht anders, als ſeine Bitte abſchlagen; ließ ihm aber dabey mercken, daß ihr nicht ſowohl ſein Anbringen mißfiele, als die Art mit der er es angebracht hatte: denn er habe ſich mehr um ihre Mutter, als um ſie beworben, gerade als wenn er gewiß wuͤßte, daß ſie ſogleich Ja ſagen wuͤrde ſo bald es ihm beliebte.
Eine Verweigerung voller Ja-Worte! Von gleicher Beſchaffenheit waren alle ihre uͤbrige Ein- wendungen, nehmlich ſie habe nicht Luſt ſich
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0036"n="16"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
ich erfahre dieſe Warheit leider zu oft, als daß<lb/>
ich ſie ihnen verheelen koͤnte. Wenn ſie nun<lb/>
mit Willen noch verdrießlicher hat ſcheinen wol-<lb/>
len, als ſie gemeiniglich iſt, ſo muß dieſes ein gar<lb/>
nicht vortheilhaftes Bild von ihr gegeben haben.</p><lb/><p>Jch weiß nicht was in dieſer Zuſammenkunft<lb/>
vorgefallen iſt; der Ausgang ſollte einen faſt auf<lb/>
die Gedancken bringen, daß Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi>ſo<lb/>
loſe und faſt ſo niedertraͤchtig geweſen ſey, die Ge-<lb/>
legenheit mit Fleiß zu ſuchen und zu gebrauchen,<lb/>
welche ihm meine Schweſter dieſes mal gab. Es<lb/>
beliebte ihm jetzund ſeine Bitte anzubringen: aber<lb/>ſie erzehlet, daß er ſie vorher, (ſie wuſte nicht,<lb/>
auf welche Art und Weiſe?) ſo zum Unwillen ge-<lb/>
reitzet, und ſo misvergnuͤgt gemacht habe, daß<lb/>ſie unmoͤglich ſo gleich wieder zu ſich ſelbſt habe<lb/>
kommen koͤnnen. Dem ohngeachtet drang er mit<lb/>ſeiner Bitte in ſie, nicht anders, als wenn er ein<lb/>
deutliches <hirendition="#fr">Ja</hi> erzwingen wollte, ließ ihr aber<lb/>
nicht Zeit wieder aufgeraͤumt zu werden, und be-<lb/>
muͤhete ſich nicht ſie zu beſaͤnftigen. Sie konnte<lb/>
daher nicht anders, als ſeine Bitte abſchlagen;<lb/>
ließ ihm aber dabey mercken, daß ihr nicht ſowohl<lb/>ſein Anbringen mißfiele, als die Art mit der er es<lb/>
angebracht hatte: denn er habe ſich mehr um ihre<lb/>
Mutter, als um ſie beworben, gerade als wenn<lb/>
er gewiß wuͤßte, daß ſie ſogleich <hirendition="#fr">Ja</hi>ſagen wuͤrde<lb/>ſo bald es ihm beliebte.</p><lb/><p>Eine Verweigerung voller Ja-Worte! Von<lb/>
gleicher Beſchaffenheit waren alle ihre uͤbrige Ein-<lb/>
wendungen, <hirendition="#fr">nehmlich ſie habe nicht Luſt ſich</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">zu</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[16/0036]
Die Geſchichte
ich erfahre dieſe Warheit leider zu oft, als daß
ich ſie ihnen verheelen koͤnte. Wenn ſie nun
mit Willen noch verdrießlicher hat ſcheinen wol-
len, als ſie gemeiniglich iſt, ſo muß dieſes ein gar
nicht vortheilhaftes Bild von ihr gegeben haben.
Jch weiß nicht was in dieſer Zuſammenkunft
vorgefallen iſt; der Ausgang ſollte einen faſt auf
die Gedancken bringen, daß Herr Lovelace ſo
loſe und faſt ſo niedertraͤchtig geweſen ſey, die Ge-
legenheit mit Fleiß zu ſuchen und zu gebrauchen,
welche ihm meine Schweſter dieſes mal gab. Es
beliebte ihm jetzund ſeine Bitte anzubringen: aber
ſie erzehlet, daß er ſie vorher, (ſie wuſte nicht,
auf welche Art und Weiſe?) ſo zum Unwillen ge-
reitzet, und ſo misvergnuͤgt gemacht habe, daß
ſie unmoͤglich ſo gleich wieder zu ſich ſelbſt habe
kommen koͤnnen. Dem ohngeachtet drang er mit
ſeiner Bitte in ſie, nicht anders, als wenn er ein
deutliches Ja erzwingen wollte, ließ ihr aber
nicht Zeit wieder aufgeraͤumt zu werden, und be-
muͤhete ſich nicht ſie zu beſaͤnftigen. Sie konnte
daher nicht anders, als ſeine Bitte abſchlagen;
ließ ihm aber dabey mercken, daß ihr nicht ſowohl
ſein Anbringen mißfiele, als die Art mit der er es
angebracht hatte: denn er habe ſich mehr um ihre
Mutter, als um ſie beworben, gerade als wenn
er gewiß wuͤßte, daß ſie ſogleich Ja ſagen wuͤrde
ſo bald es ihm beliebte.
Eine Verweigerung voller Ja-Worte! Von
gleicher Beſchaffenheit waren alle ihre uͤbrige Ein-
wendungen, nehmlich ſie habe nicht Luſt ſich
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/36>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.