Die Ursach, daß wir nicht so reden als wir dencken.
Hier muß ich meine Feder niederlegen, ich werde sie aber bald wieder nehmen, um weiter zuschreiben.
Der dritte Brief. von Fräulein Clarissa Harlove an Fräulein Howe/
den 13. und 14. Jan.
So hatte denn Herr Lovelace seine Antwort von meiner Schwester, nach der Erklä- rung, die er ihren Worten gab. Mit sehr groser Betrübnis, (wie er vorgab) ließ er sich ihren Ausspruch gefallen. Jch fürchte mein Hertz, er weiß sich sehr zu verstellen. "Eine so gesetzte "Unveränderlichkeit, Eine so erhabene Stand- "hafftigkeit fand er seinem Vorgeben nach bey "meiner Schwester, daß ihm keine Hoffnung "übrig blieb, sie zur Aendrung ihres Entschlusses "zu bewegen, den sie mit völliger Ueberlegung "gefasset hatte. Er seuffzete, nach der Erzeh- "lung meiner Schwester, als er von ihr Ab- "schied nahm! der Seufzer war recht tief: er "umfassete ihre Hand, und küssete sie recht feu- "rig; er gieng darauf mit der ehrerbietigsten "Miene weg. Als er so vor ihr stand, so trat "ihrem Hertzen fast ein Mitleiden gegen ihn an, "ob er sie gleich vorhin erzürnet hatte." Gewiß ei- ne gute Vorbereitung zum künftigen Ja-Wort,
wenig-
Die Geſchichte
Die Urſach, daß wir nicht ſo reden als wir dencken.
Hier muß ich meine Feder niederlegen, ich werde ſie aber bald wieder nehmen, um weiter zuſchreiben.
Der dritte Brief. von Fraͤulein Clariſſa Harlove an Fraͤulein Howe/
den 13. und 14. Jan.
So hatte denn Herr Lovelace ſeine Antwort von meiner Schweſter, nach der Erklaͤ- rung, die er ihren Worten gab. Mit ſehr groſer Betruͤbnis, (wie er vorgab) ließ er ſich ihren Ausſpruch gefallen. Jch fuͤrchte mein Hertz, er weiß ſich ſehr zu verſtellen. „Eine ſo geſetzte „Unveraͤnderlichkeit, Eine ſo erhabene Stand- „hafftigkeit fand er ſeinem Vorgeben nach bey „meiner Schweſter, daß ihm keine Hoffnung „uͤbrig blieb, ſie zur Aendrung ihres Entſchluſſes „zu bewegen, den ſie mit voͤlliger Ueberlegung „gefaſſet hatte. Er ſeuffzete, nach der Erzeh- „lung meiner Schweſter, als er von ihr Ab- „ſchied nahm! der Seufzer war recht tief: er „umfaſſete ihre Hand, und kuͤſſete ſie recht feu- „rig; er gieng darauf mit der ehrerbietigſten „Miene weg. Als er ſo vor ihr ſtand, ſo trat „ihrem Hertzen faſt ein Mitleiden gegen ihn an, „ob er ſie gleich vorhin erzuͤrnet hatte.„ Gewiß ei- ne gute Vorbereitung zum kuͤnftigen Ja-Wort,
wenig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0038"n="18"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><p><hirendition="#c">Die Urſach, daß wir nicht ſo reden als wir<lb/>
dencken.</hi></p><lb/><p>Hier muß ich meine Feder niederlegen, ich werde<lb/>ſie aber bald wieder nehmen, um weiter zuſchreiben.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der dritte Brief.</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Clariſſa Harlove an Fraͤulein<lb/>
Howe/</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">den 13. und 14. Jan.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>o hatte denn Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi>ſeine Antwort<lb/>
von meiner Schweſter, nach der Erklaͤ-<lb/>
rung, die er ihren Worten gab. Mit ſehr groſer<lb/>
Betruͤbnis, (wie er vorgab) ließ er ſich ihren<lb/>
Ausſpruch gefallen. Jch fuͤrchte mein Hertz, er<lb/>
weiß ſich ſehr zu verſtellen. „Eine ſo geſetzte<lb/>„Unveraͤnderlichkeit, Eine ſo erhabene Stand-<lb/>„hafftigkeit fand er ſeinem Vorgeben nach bey<lb/>„meiner Schweſter, daß ihm keine Hoffnung<lb/>„uͤbrig blieb, ſie zur Aendrung ihres Entſchluſſes<lb/>„zu bewegen, den ſie mit voͤlliger Ueberlegung<lb/>„gefaſſet hatte. Er ſeuffzete, nach der Erzeh-<lb/>„lung meiner Schweſter, als er von ihr Ab-<lb/>„ſchied nahm! der Seufzer war recht tief: er<lb/>„umfaſſete ihre Hand, und kuͤſſete ſie recht feu-<lb/>„rig; er gieng darauf mit der ehrerbietigſten<lb/>„Miene weg. Als er ſo vor ihr ſtand, ſo trat<lb/>„ihrem Hertzen faſt ein Mitleiden gegen ihn an,<lb/>„ob er ſie gleich vorhin erzuͤrnet hatte.„ Gewiß ei-<lb/>
ne gute Vorbereitung zum kuͤnftigen Ja-Wort,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wenig-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0038]
Die Geſchichte
Die Urſach, daß wir nicht ſo reden als wir
dencken.
Hier muß ich meine Feder niederlegen, ich werde
ſie aber bald wieder nehmen, um weiter zuſchreiben.
Der dritte Brief.
von
Fraͤulein Clariſſa Harlove an Fraͤulein
Howe/
den 13. und 14. Jan.
So hatte denn Herr Lovelace ſeine Antwort
von meiner Schweſter, nach der Erklaͤ-
rung, die er ihren Worten gab. Mit ſehr groſer
Betruͤbnis, (wie er vorgab) ließ er ſich ihren
Ausſpruch gefallen. Jch fuͤrchte mein Hertz, er
weiß ſich ſehr zu verſtellen. „Eine ſo geſetzte
„Unveraͤnderlichkeit, Eine ſo erhabene Stand-
„hafftigkeit fand er ſeinem Vorgeben nach bey
„meiner Schweſter, daß ihm keine Hoffnung
„uͤbrig blieb, ſie zur Aendrung ihres Entſchluſſes
„zu bewegen, den ſie mit voͤlliger Ueberlegung
„gefaſſet hatte. Er ſeuffzete, nach der Erzeh-
„lung meiner Schweſter, als er von ihr Ab-
„ſchied nahm! der Seufzer war recht tief: er
„umfaſſete ihre Hand, und kuͤſſete ſie recht feu-
„rig; er gieng darauf mit der ehrerbietigſten
„Miene weg. Als er ſo vor ihr ſtand, ſo trat
„ihrem Hertzen faſt ein Mitleiden gegen ihn an,
„ob er ſie gleich vorhin erzuͤrnet hatte.„ Gewiß ei-
ne gute Vorbereitung zum kuͤnftigen Ja-Wort,
wenig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/38>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.