Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
sich unterstehen, so frey von einem Herrn zu schrei-
ben, den wir alle werth schätzen. Allein vielleicht
geschiehet es eben deshalb, damit es uns verdriessen
soll.

Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr
Solmes mein guter Freund ist/ so wollen
Sie desto freyer auf ihn losziehen.
Das ist
die klare Meinung, Fräulein. Jch bin so tumm
nicht, daß ich das nicht mercken sollte. - - Ein of-
fenbarer und berüchtigter Huren-Hengst soll ei-
nem Manne vorgezogen werden, der das Geld
liebet! das schickt sich schlecht für eine so artige
Fräulein, als ich Sie bisher angesehen habe. Was
meynen Sie, wer thut andern am meisten Unrecht:
ein Verschwender, oder ein sparsamer Mann? Der
eine legt sein eignes Geld bey; der andere verpras-
set fremder Leute Vermögen. Allein Jhr Lieb-
ling ist ein rechter Ertz-Bösewicht: und sündiget
auf anderer Leute Rechnung.

Der Teufel muß euch Mädchens allen im Her-
tzen stecken. Gott vergebe mir meine schwere Sün-
de! Das beste und artigste Mädchen verliebt sich
immer am ersten in einen H - - - Jch glaube, ich
darf das Wort nicht noch einmal schreiben: denn
manche schämt sich vor dem Namen des Lasters,
und verliebt sich doch in den Lasterhaften. Jch
würde nicht so lange unverheyrathet geblieben seyn,
wenn ich nicht eine solche Menge von widerspre-
chenden und mit einander streitenden Leidenschaf-
ten bey euch allen gefunden hätte. Jhr seyd alle

Mücken-
Z 5

der Clariſſa.
ſich unterſtehen, ſo frey von einem Herrn zu ſchrei-
ben, den wir alle werth ſchaͤtzen. Allein vielleicht
geſchiehet es eben deshalb, damit es uns verdrieſſen
ſoll.

Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr
Solmes mein guter Freund iſt/ ſo wollen
Sie deſto freyer auf ihn losziehen.
Das iſt
die klare Meinung, Fraͤulein. Jch bin ſo tumm
nicht, daß ich das nicht mercken ſollte. ‒ ‒ Ein of-
fenbarer und beruͤchtigter Huren-Hengſt ſoll ei-
nem Manne vorgezogen werden, der das Geld
liebet! das ſchickt ſich ſchlecht fuͤr eine ſo artige
Fraͤulein, als ich Sie bisher angeſehen habe. Was
meynen Sie, wer thut andern am meiſten Unrecht:
ein Verſchwender, oder ein ſparſamer Mann? Der
eine legt ſein eignes Geld bey; der andere verpraſ-
ſet fremder Leute Vermoͤgen. Allein Jhr Lieb-
ling iſt ein rechter Ertz-Boͤſewicht: und ſuͤndiget
auf anderer Leute Rechnung.

Der Teufel muß euch Maͤdchens allen im Her-
tzen ſtecken. Gott vergebe mir meine ſchwere Suͤn-
de! Das beſte und artigſte Maͤdchen verliebt ſich
immer am erſten in einen H ‒ ‒ ‒ Jch glaube, ich
darf das Wort nicht noch einmal ſchreiben: denn
manche ſchaͤmt ſich vor dem Namen des Laſters,
und verliebt ſich doch in den Laſterhaften. Jch
wuͤrde nicht ſo lange unveꝛheyrathet geblieben ſeyn,
wenn ich nicht eine ſolche Menge von widerſpre-
chenden und mit einander ſtreitenden Leidenſchaf-
ten bey euch allen gefunden haͤtte. Jhr ſeyd alle

Muͤcken-
Z 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div>
          <p><pb facs="#f0381" n="361"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;ich unter&#x017F;tehen, &#x017F;o frey von einem Herrn zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, den wir alle werth &#x017F;cha&#x0364;tzen. Allein vielleicht<lb/>
ge&#x017F;chiehet es eben deshalb, damit es uns verdrie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Wie fangen Sie Jhren Brief an? <hi rendition="#fr">weil</hi> H<hi rendition="#fr">err<lb/>
Solmes mein guter Freund i&#x017F;t/ &#x017F;o wollen<lb/>
Sie de&#x017F;to freyer auf ihn losziehen.</hi> Das i&#x017F;t<lb/>
die klare Meinung, Fra&#x0364;ulein. Jch bin &#x017F;o tumm<lb/>
nicht, daß ich das nicht mercken &#x017F;ollte. &#x2012; &#x2012; Ein of-<lb/>
fenbarer und beru&#x0364;chtigter Huren-Heng&#x017F;t &#x017F;oll ei-<lb/>
nem Manne vorgezogen werden, der das Geld<lb/>
liebet! das &#x017F;chickt &#x017F;ich &#x017F;chlecht fu&#x0364;r eine &#x017F;o artige<lb/>
Fra&#x0364;ulein, als ich Sie bisher ange&#x017F;ehen habe. Was<lb/>
meynen Sie, wer thut andern am mei&#x017F;ten Unrecht:<lb/>
ein Ver&#x017F;chwender, oder ein &#x017F;par&#x017F;amer Mann? Der<lb/>
eine legt &#x017F;ein eignes Geld bey; der andere verpra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et fremder Leute Vermo&#x0364;gen. Allein Jhr Lieb-<lb/>
ling i&#x017F;t ein rechter Ertz-Bo&#x0364;&#x017F;ewicht: und &#x017F;u&#x0364;ndiget<lb/>
auf anderer Leute Rechnung.</p><lb/>
          <p>Der Teufel muß euch Ma&#x0364;dchens allen im Her-<lb/>
tzen &#x017F;tecken. Gott vergebe mir meine &#x017F;chwere Su&#x0364;n-<lb/>
de! Das be&#x017F;te und artig&#x017F;te Ma&#x0364;dchen verliebt &#x017F;ich<lb/>
immer am er&#x017F;ten in einen H &#x2012; &#x2012; &#x2012; Jch glaube, ich<lb/>
darf das Wort nicht noch einmal &#x017F;chreiben: denn<lb/>
manche &#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;ich vor dem Namen des La&#x017F;ters,<lb/>
und verliebt &#x017F;ich doch in den La&#x017F;terhaften. Jch<lb/>
wu&#x0364;rde nicht &#x017F;o lange unve&#xA75B;heyrathet geblieben &#x017F;eyn,<lb/>
wenn ich nicht eine &#x017F;olche Menge von wider&#x017F;pre-<lb/>
chenden und mit einander &#x017F;treitenden Leiden&#x017F;chaf-<lb/>
ten bey euch allen gefunden ha&#x0364;tte. Jhr &#x017F;eyd alle<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Mu&#x0364;cken-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0381] der Clariſſa. ſich unterſtehen, ſo frey von einem Herrn zu ſchrei- ben, den wir alle werth ſchaͤtzen. Allein vielleicht geſchiehet es eben deshalb, damit es uns verdrieſſen ſoll. Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr Solmes mein guter Freund iſt/ ſo wollen Sie deſto freyer auf ihn losziehen. Das iſt die klare Meinung, Fraͤulein. Jch bin ſo tumm nicht, daß ich das nicht mercken ſollte. ‒ ‒ Ein of- fenbarer und beruͤchtigter Huren-Hengſt ſoll ei- nem Manne vorgezogen werden, der das Geld liebet! das ſchickt ſich ſchlecht fuͤr eine ſo artige Fraͤulein, als ich Sie bisher angeſehen habe. Was meynen Sie, wer thut andern am meiſten Unrecht: ein Verſchwender, oder ein ſparſamer Mann? Der eine legt ſein eignes Geld bey; der andere verpraſ- ſet fremder Leute Vermoͤgen. Allein Jhr Lieb- ling iſt ein rechter Ertz-Boͤſewicht: und ſuͤndiget auf anderer Leute Rechnung. Der Teufel muß euch Maͤdchens allen im Her- tzen ſtecken. Gott vergebe mir meine ſchwere Suͤn- de! Das beſte und artigſte Maͤdchen verliebt ſich immer am erſten in einen H ‒ ‒ ‒ Jch glaube, ich darf das Wort nicht noch einmal ſchreiben: denn manche ſchaͤmt ſich vor dem Namen des Laſters, und verliebt ſich doch in den Laſterhaften. Jch wuͤrde nicht ſo lange unveꝛheyrathet geblieben ſeyn, wenn ich nicht eine ſolche Menge von widerſpre- chenden und mit einander ſtreitenden Leidenſchaf- ten bey euch allen gefunden haͤtte. Jhr ſeyd alle Muͤcken- Z 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/381
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/381>, abgerufen am 25.11.2024.