ihm zu sagen, daß ich von nun an diesen Brief- wechsel aufheben müßte. Jch hoffete nicht, daß er mich durch Drohungen gegen meine Anverwan- ten zwingen wollte, ihn fortzusetzen.
Es war noch helle genug, daß ich sehen konnte, wie ernsthaft sein Gesichte bey dieser Antwort ward. Er wäre (antwortete er) so sehr vor meine freye Wahl, und wünschte sich so sehr meine ungezwun- gene Zuneigung zu erlangen, daß er sich selbst has- sen würde, wenn er bey sich eine Absicht merckte, mir durch solche Mittel eine Furcht einzujagen. Er hielte es für allzu niederträchtig für sich, dem Sol- mes in Anwenduug einiger Zwangs-Mittel gleich zu werden. Allein zwey Dinge wären doch in Er- wägung zu zi ehen. Erstlich: die ausgelassenen und unbesonnenen Reden, die man gegen ihn füh- rete; die Spionen die man auf ihn hielte, von denen er einen zu ertappen das Glück gehabt hät- te; die schimpfliche Art, damit meine Anverwan- ten seiner Familie begegneten; was ich selbst zu ley- den hätte, und zwar blos aus offenbahrem Haß der Meinigen gegen ihn; denn sonst würde er sich nicht unterstehen, sich ohne meinen Befehl zu meinem Vertheydiger aufzuwerfen: (wie künstlich beugete er vor, daß ich ihn nicht konnte ablauffen lassen!) alle diese Beleydigungen verpflichteten ihn, sich zu rächen. Er überliesse es mir selbst, ob er, wenn er noch einiges Hertz hätte, dergleichen ungeahndet könnte hingehen lassen, wo er es nicht um meinet willen verschmertzete? Jch möchte zum andern überlegen, ob bey meinen Umständen, da ich ge-
fangen
der Clariſſa.
ihm zu ſagen, daß ich von nun an dieſen Brief- wechſel aufheben muͤßte. Jch hoffete nicht, daß er mich durch Drohungen gegen meine Anverwan- ten zwingen wollte, ihn fortzuſetzen.
Es war noch helle genug, daß ich ſehen konnte, wie ernſthaft ſein Geſichte bey dieſer Antwort ward. Er waͤre (antwortete er) ſo ſehr vor meine freye Wahl, und wuͤnſchte ſich ſo ſehr meine ungezwun- gene Zuneigung zu erlangen, daß er ſich ſelbſt haſ- ſen wuͤrde, wenn er bey ſich eine Abſicht merckte, mir durch ſolche Mittel eine Furcht einzujagen. Er hielte es fuͤr allzu niedertraͤchtig fuͤr ſich, dem Sol- mes in Anwenduug einiger Zwangs-Mittel gleich zu werden. Allein zwey Dinge waͤren doch in Er- waͤgung zu zi ehen. Erſtlich: die ausgelaſſenen und unbeſonnenen Reden, die man gegen ihn fuͤh- rete; die Spionen die man auf ihn hielte, von denen er einen zu ertappen das Gluͤck gehabt haͤt- te; die ſchimpfliche Art, damit meine Anverwan- ten ſeiner Familie begegneten; was ich ſelbſt zu ley- den haͤtte, und zwar blos aus offenbahrem Haß der Meinigen gegen ihn; denn ſonſt wuͤrde er ſich nicht unterſtehen, ſich ohne meinen Befehl zu meinem Vertheydiger aufzuwerfen: (wie kuͤnſtlich beugete er vor, daß ich ihn nicht konnte ablauffen laſſen!) alle dieſe Beleydigungen verpflichteten ihn, ſich zu raͤchen. Er uͤberlieſſe es mir ſelbſt, ob er, wenn er noch einiges Hertz haͤtte, dergleichen ungeahndet koͤnnte hingehen laſſen, wo er es nicht um meinet willen verſchmertzete? Jch moͤchte zum andern uͤberlegen, ob bey meinen Umſtaͤnden, da ich ge-
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der Clariſſa.
ihm zu ſagen, daß ich von nun an dieſen Brief-
wechſel aufheben muͤßte. Jch hoffete nicht, daß er
mich durch Drohungen gegen meine Anverwan-
ten zwingen wollte, ihn fortzuſetzen.
Es war noch helle genug, daß ich ſehen konnte,
wie ernſthaft ſein Geſichte bey dieſer Antwort ward.
Er waͤre (antwortete er) ſo ſehr vor meine freye
Wahl, und wuͤnſchte ſich ſo ſehr meine ungezwun-
gene Zuneigung zu erlangen, daß er ſich ſelbſt haſ-
ſen wuͤrde, wenn er bey ſich eine Abſicht merckte,
mir durch ſolche Mittel eine Furcht einzujagen. Er
hielte es fuͤr allzu niedertraͤchtig fuͤr ſich, dem Sol-
mes in Anwenduug einiger Zwangs-Mittel gleich
zu werden. Allein zwey Dinge waͤren doch in Er-
waͤgung zu zi ehen. Erſtlich: die ausgelaſſenen
und unbeſonnenen Reden, die man gegen ihn fuͤh-
rete; die Spionen die man auf ihn hielte, von
denen er einen zu ertappen das Gluͤck gehabt haͤt-
te; die ſchimpfliche Art, damit meine Anverwan-
ten ſeiner Familie begegneten; was ich ſelbſt zu ley-
den haͤtte, und zwar blos aus offenbahrem Haß der
Meinigen gegen ihn; denn ſonſt wuͤrde er ſich nicht
unterſtehen, ſich ohne meinen Befehl zu meinem
Vertheydiger aufzuwerfen: (wie kuͤnſtlich beugete
er vor, daß ich ihn nicht konnte ablauffen laſſen!)
alle dieſe Beleydigungen verpflichteten ihn, ſich zu
raͤchen. Er uͤberlieſſe es mir ſelbſt, ob er, wenn
er noch einiges Hertz haͤtte, dergleichen ungeahndet
koͤnnte hingehen laſſen, wo er es nicht um meinet
willen verſchmertzete? Jch moͤchte zum andern
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/431>, abgerufen am 26.11.2024.
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