fangen gehalten würde, und die Meinigen ent- schlossen wären mich ehestens zu zwingen, daß ich einem nichtswürdigen Manne meine Hand vor dem Altar geben sollte, ich möchte wollen oder nicht, ob bey solchen Umständen noch Zeit zu ver- säumen sey? und ob ich nicht bald auf die Mit- tel dencken müßte, mich zu retten, wenn es auf das äusserste kommen sollte? Dadurch daß ich zu sei- ner Base flüchtete, würde ich ja noch nicht noth- wendig die seinige, wenn ich hernachmahls in seiner Aufführung etwas bemerckte, das mir ei- nen billigen Zweifel gegen ihn machen könnte.
Allein (fragte ich ihn) was wird die Welt den- cken? was wird sie mir für eine Entschliessung andichten, wenn ich mich in den Schutz ihrer Anverwanten begebe?
Er fragte mich hinwiederum: ob die Welt jetzt etwas weniger dächte, als daß ich von den Mei- nigen so eingeschränckt würde, um mich abzuhal- ten, daß ich diese Entschliessung nicht in das Werck richten möchte? Sie müssen überlegen, Fräulein, daß Sie hierin keine Wahl mehr haben und be- dencken, wer daran Schuld ist, daß Sie nicht mehr wählen können. Sie sind in der Gewalt solcher Leu- te (Eltern wolte ich nicht gern sagen) die völlig entschlossen sind, Jhnen keine Wahl zu lassen. Mein gantzer Vorschlag läufft bloß da hinaus, daß Sie auf alle Fälle eine solche Zuflucht annehmen, aber nicht ehe gebrauchen sollen, bis alle andere Mit- tel vergeblich angewandt sind, sich ohne diese Zuflucht zu helffen. - - Erlauben Sie mir,
noch
Die Geſchichte
fangen gehalten wuͤrde, und die Meinigen ent- ſchloſſen waͤren mich eheſtens zu zwingen, daß ich einem nichtswuͤrdigen Manne meine Hand vor dem Altar geben ſollte, ich moͤchte wollen oder nicht, ob bey ſolchen Umſtaͤnden noch Zeit zu ver- ſaͤumen ſey? und ob ich nicht bald auf die Mit- tel dencken muͤßte, mich zu retten, wenn es auf das aͤuſſerſte kommen ſollte? Dadurch daß ich zu ſei- ner Baſe fluͤchtete, wuͤrde ich ja noch nicht noth- wendig die ſeinige, wenn ich hernachmahls in ſeiner Auffuͤhrung etwas bemerckte, das mir ei- nen billigen Zweifel gegen ihn machen koͤnnte.
Allein (fragte ich ihn) was wird die Welt den- cken? was wird ſie mir fuͤr eine Entſchlieſſung andichten, wenn ich mich in den Schutz ihrer Anverwanten begebe?
Er fragte mich hinwiederum: ob die Welt jetzt etwas weniger daͤchte, als daß ich von den Mei- nigen ſo eingeſchraͤnckt wuͤrde, um mich abzuhal- ten, daß ich dieſe Entſchlieſſung nicht in das Werck richten moͤchte? Sie muͤſſen uͤberlegen, Fraͤulein, daß Sie hierin keine Wahl mehr haben und be- dencken, wer daran Schuld iſt, daß Sie nicht mehr waͤhlen koͤnnen. Sie ſind in der Gewalt ſolcher Leu- te (Eltern wolte ich nicht gern ſagen) die voͤllig entſchloſſen ſind, Jhnen keine Wahl zu laſſen. Mein gantzer Vorſchlag laͤufft bloß da hinaus, daß Sie auf alle Faͤlle eine ſolche Zuflucht annehmen, aber nicht ehe gebrauchen ſollen, bis alle andere Mit- tel vergeblich angewandt ſind, ſich ohne dieſe Zuflucht zu helffen. ‒ ‒ Erlauben Sie mir,
noch
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[412/0432]
Die Geſchichte
fangen gehalten wuͤrde, und die Meinigen ent-
ſchloſſen waͤren mich eheſtens zu zwingen, daß ich
einem nichtswuͤrdigen Manne meine Hand vor
dem Altar geben ſollte, ich moͤchte wollen oder
nicht, ob bey ſolchen Umſtaͤnden noch Zeit zu ver-
ſaͤumen ſey? und ob ich nicht bald auf die Mit-
tel dencken muͤßte, mich zu retten, wenn es auf das
aͤuſſerſte kommen ſollte? Dadurch daß ich zu ſei-
ner Baſe fluͤchtete, wuͤrde ich ja noch nicht noth-
wendig die ſeinige, wenn ich hernachmahls in
ſeiner Auffuͤhrung etwas bemerckte, das mir ei-
nen billigen Zweifel gegen ihn machen koͤnnte.
Allein (fragte ich ihn) was wird die Welt den-
cken? was wird ſie mir fuͤr eine Entſchlieſſung
andichten, wenn ich mich in den Schutz ihrer
Anverwanten begebe?
Er fragte mich hinwiederum: ob die Welt jetzt
etwas weniger daͤchte, als daß ich von den Mei-
nigen ſo eingeſchraͤnckt wuͤrde, um mich abzuhal-
ten, daß ich dieſe Entſchlieſſung nicht in das Werck
richten moͤchte? Sie muͤſſen uͤberlegen, Fraͤulein,
daß Sie hierin keine Wahl mehr haben und be-
dencken, wer daran Schuld iſt, daß Sie nicht mehr
waͤhlen koͤnnen. Sie ſind in der Gewalt ſolcher Leu-
te (Eltern wolte ich nicht gern ſagen) die voͤllig
entſchloſſen ſind, Jhnen keine Wahl zu laſſen. Mein
gantzer Vorſchlag laͤufft bloß da hinaus, daß Sie
auf alle Faͤlle eine ſolche Zuflucht annehmen, aber
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/432>, abgerufen am 26.11.2024.
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