und es unglücklich ablauffen sollte, sie alles des Trostes beraubet seyn werden den die haben, die ihren Eltern gefolget sind, und es nicht so getrof- fen haben, als sie es wünschen möchten.
Jch muß gehen, (sagte sie nochmahls, und mit Thränen) damit ihr Bruder nicht vorgiebt, ich verhärte sie durch mein nichtsbedeutendes Win- seln. Es ist in der That hart, wenn den Einfällen des einen Kindes so viel nachgesehen und auf die Neigung des andern gar nicht geachtet wird. Al- lein ich widerhole es: wenn sie nachgeben können, so ist es ihre Schuldigkeit nachzugeben: denn ihr Herr Vater hat einmahl ihres Bruders Willen durch seinen Befehl bekräftiget, und ihn zu seinem eigenen Willen gemacht. Herr Lovelace ist nicht der Mann, der ihre Wahl mehr rechtfertigen wird, als die Abneigung der Jhrigen. Man siehet gar zu deutlich, daß ihr Bruder die Absicht hat, sie um die Liebe der Jhrigen, und insonderheit ihrer Onckles zu bringen: eben deswegen sollten sie nachgeben, um seine niederträchtigen Absichten zu zernichten. Jch will für sie beten, das ist alles was ich thun kann. Jch muß jetzt hinunter gehen, und erzählen, daß sie sich entschlossen haben, Herrn Solmes nicht zu nehmen. Soll ich es thun? Ue- berlegen sie es Fräulein: soll ich?
Ja! gantz gewiß! sie sollen. Allein das ver- sichere ich ihnen, daß ich nie etwas vornehmen werde, das sie bewegen könnte, sich des Antheils, den sie an meiner Erziehung gehabt haben, zu schämen. Jch will alles geduldig leiden, nur das
nicht
Die Geſchichte
und es ungluͤcklich ablauffen ſollte, ſie alles des Troſtes beraubet ſeyn werden den die haben, die ihren Eltern gefolget ſind, und es nicht ſo getrof- fen haben, als ſie es wuͤnſchen moͤchten.
Jch muß gehen, (ſagte ſie nochmahls, und mit Thraͤnen) damit ihr Bruder nicht vorgiebt, ich verhaͤrte ſie durch mein nichtsbedeutendes Win- ſeln. Es iſt in der That hart, wenn den Einfaͤllen des einen Kindes ſo viel nachgeſehen und auf die Neigung des andern gar nicht geachtet wird. Al- lein ich widerhole es: wenn ſie nachgeben koͤnnen, ſo iſt es ihre Schuldigkeit nachzugeben: denn ihr Herr Vater hat einmahl ihres Bruders Willen durch ſeinen Befehl bekraͤftiget, und ihn zu ſeinem eigenen Willen gemacht. Herr Lovelace iſt nicht der Mann, der ihre Wahl mehr rechtfertigen wird, als die Abneigung der Jhrigen. Man ſiehet gar zu deutlich, daß ihr Bruder die Abſicht hat, ſie um die Liebe der Jhrigen, und inſonderheit ihrer Onckles zu bringen: eben deswegen ſollten ſie nachgeben, um ſeine niedertraͤchtigen Abſichten zu zernichten. Jch will fuͤr ſie beten, das iſt alles was ich thun kann. Jch muß jetzt hinunter gehen, und erzaͤhlen, daß ſie ſich entſchloſſen haben, Herrn Solmes nicht zu nehmen. Soll ich es thun? Ue- berlegen ſie es Fraͤulein: ſoll ich?
Ja! gantz gewiß! ſie ſollen. Allein das ver- ſichere ich ihnen, daß ich nie etwas vornehmen werde, das ſie bewegen koͤnnte, ſich des Antheils, den ſie an meiner Erziehung gehabt haben, zu ſchaͤmen. Jch will alles geduldig leiden, nur das
nicht
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0462"n="442"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
und es ungluͤcklich ablauffen ſollte, ſie alles des<lb/>
Troſtes beraubet ſeyn werden den die haben, die<lb/>
ihren Eltern gefolget ſind, und es nicht ſo getrof-<lb/>
fen haben, als ſie es wuͤnſchen moͤchten.</p><lb/><p>Jch <hirendition="#fr">muß</hi> gehen, (ſagte ſie nochmahls, und mit<lb/>
Thraͤnen) damit ihr Bruder nicht vorgiebt, ich<lb/>
verhaͤrte ſie durch mein nichtsbedeutendes Win-<lb/>ſeln. Es iſt in der That hart, wenn den Einfaͤllen<lb/>
des einen Kindes ſo viel nachgeſehen und auf die<lb/>
Neigung des andern gar nicht geachtet wird. Al-<lb/>
lein ich widerhole es: wenn ſie nachgeben koͤnnen,<lb/>ſo iſt es ihre Schuldigkeit nachzugeben: denn ihr<lb/>
Herr Vater hat einmahl ihres Bruders Willen<lb/>
durch ſeinen Befehl bekraͤftiget, und ihn zu ſeinem<lb/>
eigenen Willen gemacht. Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi> iſt nicht<lb/>
der Mann, der ihre Wahl mehr rechtfertigen wird,<lb/>
als die Abneigung der Jhrigen. Man ſiehet gar<lb/>
zu deutlich, daß ihr Bruder die Abſicht hat, ſie<lb/>
um die Liebe der Jhrigen, und inſonderheit ihrer<lb/>
Onckles zu bringen: eben deswegen ſollten ſie<lb/>
nachgeben, um ſeine niedertraͤchtigen Abſichten<lb/>
zu zernichten. Jch will fuͤr ſie beten, das iſt alles<lb/>
was ich thun kann. Jch muß jetzt hinunter gehen,<lb/>
und erzaͤhlen, daß ſie ſich entſchloſſen haben, Herrn<lb/><hirendition="#fr">Solmes</hi> nicht zu nehmen. Soll ich es thun? Ue-<lb/>
berlegen ſie es Fraͤulein: ſoll ich?</p><lb/><p>Ja! gantz gewiß! ſie ſollen. Allein das ver-<lb/>ſichere ich ihnen, daß ich nie etwas vornehmen<lb/>
werde, das ſie bewegen koͤnnte, ſich des Antheils,<lb/>
den ſie an meiner Erziehung gehabt haben, zu<lb/>ſchaͤmen. Jch will alles geduldig leiden, nur das<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[442/0462]
Die Geſchichte
und es ungluͤcklich ablauffen ſollte, ſie alles des
Troſtes beraubet ſeyn werden den die haben, die
ihren Eltern gefolget ſind, und es nicht ſo getrof-
fen haben, als ſie es wuͤnſchen moͤchten.
Jch muß gehen, (ſagte ſie nochmahls, und mit
Thraͤnen) damit ihr Bruder nicht vorgiebt, ich
verhaͤrte ſie durch mein nichtsbedeutendes Win-
ſeln. Es iſt in der That hart, wenn den Einfaͤllen
des einen Kindes ſo viel nachgeſehen und auf die
Neigung des andern gar nicht geachtet wird. Al-
lein ich widerhole es: wenn ſie nachgeben koͤnnen,
ſo iſt es ihre Schuldigkeit nachzugeben: denn ihr
Herr Vater hat einmahl ihres Bruders Willen
durch ſeinen Befehl bekraͤftiget, und ihn zu ſeinem
eigenen Willen gemacht. Herr Lovelace iſt nicht
der Mann, der ihre Wahl mehr rechtfertigen wird,
als die Abneigung der Jhrigen. Man ſiehet gar
zu deutlich, daß ihr Bruder die Abſicht hat, ſie
um die Liebe der Jhrigen, und inſonderheit ihrer
Onckles zu bringen: eben deswegen ſollten ſie
nachgeben, um ſeine niedertraͤchtigen Abſichten
zu zernichten. Jch will fuͤr ſie beten, das iſt alles
was ich thun kann. Jch muß jetzt hinunter gehen,
und erzaͤhlen, daß ſie ſich entſchloſſen haben, Herrn
Solmes nicht zu nehmen. Soll ich es thun? Ue-
berlegen ſie es Fraͤulein: ſoll ich?
Ja! gantz gewiß! ſie ſollen. Allein das ver-
ſichere ich ihnen, daß ich nie etwas vornehmen
werde, das ſie bewegen koͤnnte, ſich des Antheils,
den ſie an meiner Erziehung gehabt haben, zu
ſchaͤmen. Jch will alles geduldig leiden, nur das
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/462>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.