Jhr wisset ja wohl, daß das Gut, das mir mein Gros-Vater vermachte, bey weiten nicht die Helf- te seines wircklichen Vermögens betrug.
Was ist alles das, Clärchen, antwortete sie, in Vergleichung eines Gutes, das euch gleich zu völ- ligem Besitz vermacht ward, und zwar mit solchen Worten die euch anderer Leute gute Meinung in einem viel höhern Grad erwurben, als ihr sie ver- dienetet?
Das ist eben, wie ich fürchte, die Quelle mei- nes Unglücks. Darum beneydet ihr mich Arabel- le. Habe ich mich aber des wircklichen Besitzes die- ses Guts nicht auf die allerbeste Weise begeben? -
Ja! (fiel sie mir in die Rede) Eben für diese al- lerbeste Weise, muß ich euch feind seyn. Kleine betrügerische Hexe! durch eure allerbeste Weise, die voller List und Absichten ist, würde niemand haben hindurch sehen können, wenn man nicht oh- ne auf eure Schmeicheleyen zu achten, auf deut- liche Erklärung gedrungen hätte. Darum muste man euch nicht gestatten, eure winselnden Künste zu gebrauchen, und um eure Mutter wie eine Schlange herum zu kriechen, die euch nichts ab- schlagen konnte, worauf einmahl eur kleines ei- gensinniges Hertz bestand.
Mein eigensinniges Hertz? Arabelle.
Ja eur eigensinniges Hertz. Habt ihr jemahls in einer Sache nachgegeben? Wustet ihr nlcht die Kunst, eure Eltern glaubend zu machen, daß alles billig wäre, was ihr fodertet, obgleich mir und meinem Bruder Bitten abgeschlagen wurden, die nicht von grösserer Wichtigkeit waren.
Jch
der Clariſſa.
Jhr wiſſet ja wohl, daß das Gut, das mir mein Gros-Vater vermachte, bey weiten nicht die Helf- te ſeines wircklichen Vermoͤgens betrug.
Was iſt alles das, Claͤrchen, antwortete ſie, in Vergleichung eines Gutes, das euch gleich zu voͤl- ligem Beſitz vermacht ward, und zwar mit ſolchen Worten die euch anderer Leute gute Meinung in einem viel hoͤhern Grad erwurben, als ihr ſie ver- dienetet?
Das iſt eben, wie ich fuͤrchte, die Quelle mei- nes Ungluͤcks. Darum beneydet ihr mich Arabel- le. Habe ich mich aber des wircklichen Beſitzes die- ſes Guts nicht auf die allerbeſte Weiſe begeben? ‒
Ja! (fiel ſie mir in die Rede) Eben fuͤr dieſe al- lerbeſte Weiſe, muß ich euch feind ſeyn. Kleine betruͤgeriſche Hexe! durch eure allerbeſte Weiſe, die voller Liſt und Abſichten iſt, wuͤrde niemand haben hindurch ſehen koͤnnen, wenn man nicht oh- ne auf eure Schmeicheleyen zu achten, auf deut- liche Erklaͤrung gedrungen haͤtte. Darum muſte man euch nicht geſtatten, eure winſelnden Kuͤnſte zu gebrauchen, und um eure Mutter wie eine Schlange herum zu kriechen, die euch nichts ab- ſchlagen konnte, worauf einmahl eur kleines ei- genſinniges Hertz beſtand.
Mein eigenſinniges Hertz? Arabelle.
Ja eur eigenſinniges Hertz. Habt ihr jemahls in einer Sache nachgegeben? Wuſtet ihr nlcht die Kunſt, eure Eltern glaubend zu machen, daß alles billig waͤre, was ihr fodertet, obgleich mir und meinem Bruder Bitten abgeſchlagen wurden, die nicht von groͤſſerer Wichtigkeit waren.
Jch
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der Clariſſa.
Jhr wiſſet ja wohl, daß das Gut, das mir mein
Gros-Vater vermachte, bey weiten nicht die Helf-
te ſeines wircklichen Vermoͤgens betrug.
Was iſt alles das, Claͤrchen, antwortete ſie, in
Vergleichung eines Gutes, das euch gleich zu voͤl-
ligem Beſitz vermacht ward, und zwar mit ſolchen
Worten die euch anderer Leute gute Meinung in
einem viel hoͤhern Grad erwurben, als ihr ſie ver-
dienetet?
Das iſt eben, wie ich fuͤrchte, die Quelle mei-
nes Ungluͤcks. Darum beneydet ihr mich Arabel-
le. Habe ich mich aber des wircklichen Beſitzes die-
ſes Guts nicht auf die allerbeſte Weiſe begeben? ‒
Ja! (fiel ſie mir in die Rede) Eben fuͤr dieſe al-
lerbeſte Weiſe, muß ich euch feind ſeyn. Kleine
betruͤgeriſche Hexe! durch eure allerbeſte Weiſe,
die voller Liſt und Abſichten iſt, wuͤrde niemand
haben hindurch ſehen koͤnnen, wenn man nicht oh-
ne auf eure Schmeicheleyen zu achten, auf deut-
liche Erklaͤrung gedrungen haͤtte. Darum muſte
man euch nicht geſtatten, eure winſelnden Kuͤnſte
zu gebrauchen, und um eure Mutter wie eine
Schlange herum zu kriechen, die euch nichts ab-
ſchlagen konnte, worauf einmahl eur kleines ei-
genſinniges Hertz beſtand.
Mein eigenſinniges Hertz? Arabelle.
Ja eur eigenſinniges Hertz. Habt ihr jemahls
in einer Sache nachgegeben? Wuſtet ihr nlcht die
Kunſt, eure Eltern glaubend zu machen, daß alles
billig waͤre, was ihr fodertet, obgleich mir und
meinem Bruder Bitten abgeſchlagen wurden, die
nicht von groͤſſerer Wichtigkeit waren.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/507>, abgerufen am 21.11.2024.
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