Der Nahme schickt sich auch beßer zu den Schä- tzen, deren ihr euch rühmet.
Seht Clärchen (mit aufgehobener Hand sag- te sie dieses) wenn ihr nicht etwas niederträchti- ger und kriechender bey eurer Sanfftmuth und Demuth werdet; wenn ihr eurer ältern Schwe- ster nicht werdet Ehrerbietung erweisen; so sollt ihr erfahren - - -
Was denn? doch nicht dieses, daß ihr mir schlimmer als bisher geschehen ist begegnen wollt? das wäre wol nicht möglich: ihr müßtet denn eu- re aufgehabene Hand auf mich herab fallen lassen. Das würde sich aber so wenig für euch schicken, es zu thun, als für mich, es zu leyden.
Fromme, sanfftmüthige Seele! - - Allein ihr habt vorhin von Vorschlägen geredet. Es wer- den sich alle wundern, daß ich so lange bey euch bleibe. Sie werden meinen, daß etwas gutes aus- zurichten stehe. Das Eßen wird gleich fertig seyn.
Hiebey wollte mir eine Thräne entfallen, und ich sagte mit Seufzen: wie glücklich bin ich sonst des Abends gewesen, da ich noch die Tisch-Ge- spräche aller meiner lieben Anverwanten anhören konnte!
Mein Seufzer zog mir nichts als Verachtung zu. Arabelle hat ein unempfindliches und fühl- loses Hertz. Sie ist nicht im Stande das grösse- ste Vergnügen dieses Lebens zu geniessen, allein ihre Härtigkeit erspart ihr auch manchen Kum- mer. Allein ich für mein Theil wollte um dieses Kummers willen mich des Vergnügens nicht
gern
der Clariſſa.
Der Nahme ſchickt ſich auch beßer zu den Schaͤ- tzen, deren ihr euch ruͤhmet.
Seht Claͤrchen (mit aufgehobener Hand ſag- te ſie dieſes) wenn ihr nicht etwas niedertraͤchti- ger und kriechender bey eurer Sanfftmuth und Demuth werdet; wenn ihr eurer aͤltern Schwe- ſter nicht werdet Ehrerbietung erweiſen; ſo ſollt ihr erfahren ‒ ‒ ‒
Was denn? doch nicht dieſes, daß ihr mir ſchlimmer als bisher geſchehen iſt begegnen wollt? das waͤre wol nicht moͤglich: ihr muͤßtet denn eu- re aufgehabene Hand auf mich herab fallen laſſen. Das wuͤrde ſich aber ſo wenig fuͤr euch ſchicken, es zu thun, als fuͤr mich, es zu leyden.
Fromme, ſanfftmuͤthige Seele! ‒ ‒ Allein ihr habt vorhin von Vorſchlaͤgen geredet. Es wer- den ſich alle wundern, daß ich ſo lange bey euch bleibe. Sie werden meinen, daß etwas gutes aus- zurichten ſtehe. Das Eßen wird gleich fertig ſeyn.
Hiebey wollte mir eine Thraͤne entfallen, und ich ſagte mit Seufzen: wie gluͤcklich bin ich ſonſt des Abends geweſen, da ich noch die Tiſch-Ge- ſpraͤche aller meiner lieben Anverwanten anhoͤren konnte!
Mein Seufzer zog mir nichts als Verachtung zu. Arabelle hat ein unempfindliches und fuͤhl- loſes Hertz. Sie iſt nicht im Stande das groͤſſe- ſte Vergnuͤgen dieſes Lebens zu genieſſen, allein ihre Haͤrtigkeit erſpart ihr auch manchen Kum- mer. Allein ich fuͤr mein Theil wollte um dieſes Kummers willen mich des Vergnuͤgens nicht
gern
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der Clariſſa.
Der Nahme ſchickt ſich auch beßer zu den Schaͤ-
tzen, deren ihr euch ruͤhmet.
Seht Claͤrchen (mit aufgehobener Hand ſag-
te ſie dieſes) wenn ihr nicht etwas niedertraͤchti-
ger und kriechender bey eurer Sanfftmuth und
Demuth werdet; wenn ihr eurer aͤltern Schwe-
ſter nicht werdet Ehrerbietung erweiſen; ſo ſollt
ihr erfahren ‒ ‒ ‒
Was denn? doch nicht dieſes, daß ihr mir
ſchlimmer als bisher geſchehen iſt begegnen wollt?
das waͤre wol nicht moͤglich: ihr muͤßtet denn eu-
re aufgehabene Hand auf mich herab fallen laſſen.
Das wuͤrde ſich aber ſo wenig fuͤr euch ſchicken, es
zu thun, als fuͤr mich, es zu leyden.
Fromme, ſanfftmuͤthige Seele! ‒ ‒ Allein ihr
habt vorhin von Vorſchlaͤgen geredet. Es wer-
den ſich alle wundern, daß ich ſo lange bey euch
bleibe. Sie werden meinen, daß etwas gutes aus-
zurichten ſtehe. Das Eßen wird gleich fertig ſeyn.
Hiebey wollte mir eine Thraͤne entfallen, und
ich ſagte mit Seufzen: wie gluͤcklich bin ich ſonſt
des Abends geweſen, da ich noch die Tiſch-Ge-
ſpraͤche aller meiner lieben Anverwanten anhoͤren
konnte!
Mein Seufzer zog mir nichts als Verachtung
zu. Arabelle hat ein unempfindliches und fuͤhl-
loſes Hertz. Sie iſt nicht im Stande das groͤſſe-
ſte Vergnuͤgen dieſes Lebens zu genieſſen, allein
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mer. Allein ich fuͤr mein Theil wollte um dieſes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/511>, abgerufen am 21.11.2024.
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