wir für Sicherheit, daß eur Bösewicht euch nicht bis an das Ende der Welt nach folgen wird. Jch bitte dich nim es zurück, und lege es auf dein ver- liebtes Hertz. Glaube niemahls, daß ich mich dir zu Gefallen darüber auslachen lassen will, daß ich mich durch dein nichts bedeutendes Winseln ha- be einnehmen lassen. Jch kenne dich besser, Schätzgen. Sie schlug noch ein höhnisches Ge- lächter auf, warf meinen Aufsatz auf den Tisch; und ging mit den Worten weg: Verachtung für Verachtung. Das ist die Bezahlung für euer: arme Arabelle.
Jch siegelte dem ohngeachtet das zu, was ich geschrieben hatte, und schickte es mit ein paar Zei- len an meinen Bruder. Jch meldete ihm in so gelinden Worten als möglich war das Betragen meiner Schwester, dadurch ich gezwungen war, es an ihn zu schicken, aus Furcht, daß sie mich et- wan in der Hitze nicht recht verstanden hätte, und meinem Aufsatz eine schlimmere Gestalt geben möchte, als er verdient. Dieses ist die Antwort, die ich erhielt, als ich mich eben zu Bette legen wollte: denn die Leydenschaften ließen ihm keine Ruhe bis an den andern Morgen.
An Fräulein Clarissa Harlowe.
Jch wundere mich, daß ihr euch unterstehet an mich zu schreiben, auf den ihr alle eure weiblichen Pfeile zu verschiessen pflegt. Jch kann länger kei- ne Gedult mit euch haben, da ihr euch untersteht, mich in einer Schlägerey für den angreiffen- den Theil auszugeben, zu der ich blos aus Liebe
zu
Die Geſchichte
wir fuͤr Sicherheit, daß eur Boͤſewicht euch nicht bis an das Ende der Welt nach folgen wird. Jch bitte dich nim es zuruͤck, und lege es auf dein ver- liebtes Hertz. Glaube niemahls, daß ich mich dir zu Gefallen daruͤber auslachen laſſen will, daß ich mich durch dein nichts bedeutendes Winſeln ha- be einnehmen laſſen. Jch kenne dich beſſer, Schaͤtzgen. Sie ſchlug noch ein hoͤhniſches Ge- laͤchter auf, warf meinen Aufſatz auf den Tiſch; und ging mit den Worten weg: Verachtung fuͤr Verachtung. Das iſt die Bezahlung fuͤr euer: arme Arabelle.
Jch ſiegelte dem ohngeachtet das zu, was ich geſchrieben hatte, und ſchickte es mit ein paar Zei- len an meinen Bruder. Jch meldete ihm in ſo gelinden Worten als moͤglich war das Betragen meiner Schweſter, dadurch ich gezwungen war, es an ihn zu ſchicken, aus Furcht, daß ſie mich et- wan in der Hitze nicht recht verſtanden haͤtte, und meinem Aufſatz eine ſchlimmere Geſtalt geben moͤchte, als er verdient. Dieſes iſt die Antwort, die ich erhielt, als ich mich eben zu Bette legen wollte: denn die Leydenſchaften ließen ihm keine Ruhe bis an den andern Morgen.
An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Jch wundere mich, daß ihr euch unterſtehet an mich zu ſchreiben, auf den ihr alle eure weiblichen Pfeile zu verſchieſſen pflegt. Jch kann laͤnger kei- ne Gedult mit euch haben, da ihr euch unterſteht, mich in einer Schlaͤgerey fuͤr den angreiffen- den Theil auszugeben, zu der ich blos aus Liebe
zu
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Die Geſchichte
wir fuͤr Sicherheit, daß eur Boͤſewicht euch nicht
bis an das Ende der Welt nach folgen wird. Jch
bitte dich nim es zuruͤck, und lege es auf dein ver-
liebtes Hertz. Glaube niemahls, daß ich mich dir
zu Gefallen daruͤber auslachen laſſen will, daß ich
mich durch dein nichts bedeutendes Winſeln ha-
be einnehmen laſſen. Jch kenne dich beſſer,
Schaͤtzgen. Sie ſchlug noch ein hoͤhniſches Ge-
laͤchter auf, warf meinen Aufſatz auf den Tiſch;
und ging mit den Worten weg: Verachtung fuͤr
Verachtung. Das iſt die Bezahlung fuͤr euer:
arme Arabelle.
Jch ſiegelte dem ohngeachtet das zu, was ich
geſchrieben hatte, und ſchickte es mit ein paar Zei-
len an meinen Bruder. Jch meldete ihm in ſo
gelinden Worten als moͤglich war das Betragen
meiner Schweſter, dadurch ich gezwungen war,
es an ihn zu ſchicken, aus Furcht, daß ſie mich et-
wan in der Hitze nicht recht verſtanden haͤtte, und
meinem Aufſatz eine ſchlimmere Geſtalt geben
moͤchte, als er verdient. Dieſes iſt die Antwort,
die ich erhielt, als ich mich eben zu Bette legen
wollte: denn die Leydenſchaften ließen ihm keine
Ruhe bis an den andern Morgen.
An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Jch wundere mich, daß ihr euch unterſtehet an
mich zu ſchreiben, auf den ihr alle eure weiblichen
Pfeile zu verſchieſſen pflegt. Jch kann laͤnger kei-
ne Gedult mit euch haben, da ihr euch unterſteht,
mich in einer Schlaͤgerey fuͤr den angreiffen-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/516>, abgerufen am 24.11.2024.
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