Nein Kind, (antwortete sie) wenn sie heyra- then, so müßen sie in diesem Stücke thun, was ihr Mann haben will. Jst Herr Levelace ihr Mann, so wird er sich freuen, wenn er der Fa- milie einen Verdruß anthun kan. Wenn er gegen sie die Hochachtung in der That hätte, die er vorgiebt, so würde er gewiß nicht so trotzig ge- gen die Jhrigen seyn. Er ist wegen seiner Rach- gier bekannt: wenn ich Fräulein Harlowe wäre, so würde ich fürchten, daß er an mir die Rache üben wollte, die er der Familie drohet, ob ich ihn gleich selbst nicht beleydiget hätte.
Wenn Herr Lovelace Rache drohet, so thut er es, weil man ihm drohet. Nicht jedermann ist geschickt Unrecht zu ertragen, wie ich seit eini- ger Zeit habe thun müßen.
(Wie konnte man bey diesen Worten den Grimm in dem Gesicht meiner Schwester lesen!)
An Herrn Lovelace (fuhr ich fort) würde gar nicht mehr gedacht werden, wenn man besser mit mir umginge.
Meine Schwester sagte etwas mit grosser Hef- tigkeit: ich hörte aber nicht, was es war, weil ich gern wollte gehört werden, und deswegen laut sagete: wuste man denn nicht schon von Herr Lovelacen daß er ein wilder Mensch wäre, als er den ersten Zutrit in unser Haus bekam? Allein damahls redete man vom wilden Hafer(*) und
schwar-
(*) Jm Englischen gebraucht man die Redens-Art: wilden Hafer säen von einem Menschen der sehr aus- geschweift ist, und sich hernach bessert.
der Clariſſa.
Nein Kind, (antwortete ſie) wenn ſie heyra- then, ſo muͤßen ſie in dieſem Stuͤcke thun, was ihr Mann haben will. Jſt Herr Levelace ihr Mann, ſo wird er ſich freuen, wenn er der Fa- milie einen Verdruß anthun kan. Wenn er gegen ſie die Hochachtung in der That haͤtte, die er vorgiebt, ſo wuͤrde er gewiß nicht ſo trotzig ge- gen die Jhrigen ſeyn. Er iſt wegen ſeiner Rach- gier bekannt: wenn ich Fraͤulein Harlowe waͤre, ſo wuͤrde ich fuͤrchten, daß er an mir die Rache uͤben wollte, die er der Familie drohet, ob ich ihn gleich ſelbſt nicht beleydiget haͤtte.
Wenn Herr Lovelace Rache drohet, ſo thut er es, weil man ihm drohet. Nicht jedermann iſt geſchickt Unrecht zu ertragen, wie ich ſeit eini- ger Zeit habe thun muͤßen.
(Wie konnte man bey dieſen Worten den Grim̃ in dem Geſicht meiner Schweſter leſen!)
An Herrn Lovelace (fuhr ich fort) wuͤrde gar nicht mehr gedacht werden, wenn man beſſer mit mir umginge.
Meine Schweſter ſagte etwas mit groſſer Hef- tigkeit: ich hoͤrte aber nicht, was es war, weil ich gern wollte gehoͤrt werden, und deswegen laut ſagete: wuſte man denn nicht ſchon von Herr Lovelacen daß er ein wilder Menſch waͤre, als er den erſten Zutrit in unſer Haus bekam? Allein damahls redete man vom wilden Hafer(*) und
ſchwar-
(*) Jm Engliſchen gebraucht man die Redens-Art: wilden Hafer ſaͤen von einem Menſchen der ſehr aus- geſchweift iſt, und ſich hernach beſſert.
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der Clariſſa.
Nein Kind, (antwortete ſie) wenn ſie heyra-
then, ſo muͤßen ſie in dieſem Stuͤcke thun, was
ihr Mann haben will. Jſt Herr Levelace ihr
Mann, ſo wird er ſich freuen, wenn er der Fa-
milie einen Verdruß anthun kan. Wenn er
gegen ſie die Hochachtung in der That haͤtte, die
er vorgiebt, ſo wuͤrde er gewiß nicht ſo trotzig ge-
gen die Jhrigen ſeyn. Er iſt wegen ſeiner Rach-
gier bekannt: wenn ich Fraͤulein Harlowe waͤre,
ſo wuͤrde ich fuͤrchten, daß er an mir die Rache
uͤben wollte, die er der Familie drohet, ob ich ihn
gleich ſelbſt nicht beleydiget haͤtte.
Wenn Herr Lovelace Rache drohet, ſo thut
er es, weil man ihm drohet. Nicht jedermann
iſt geſchickt Unrecht zu ertragen, wie ich ſeit eini-
ger Zeit habe thun muͤßen.
(Wie konnte man bey dieſen Worten den Grim̃
in dem Geſicht meiner Schweſter leſen!)
An Herrn Lovelace (fuhr ich fort) wuͤrde gar
nicht mehr gedacht werden, wenn man beſſer mit
mir umginge.
Meine Schweſter ſagte etwas mit groſſer Hef-
tigkeit: ich hoͤrte aber nicht, was es war, weil
ich gern wollte gehoͤrt werden, und deswegen
laut ſagete: wuſte man denn nicht ſchon von Herr
Lovelacen daß er ein wilder Menſch waͤre, als
er den erſten Zutrit in unſer Haus bekam? Allein
damahls redete man vom wilden Hafer (*) und
ſchwar-
(*) Jm Engliſchen gebraucht man die Redens-Art:
wilden Hafer ſaͤen von einem Menſchen der ſehr aus-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/523>, abgerufen am 21.11.2024.
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