Jch gläube dis kaum, Frau Base. Wenn die Fräulein Hervey eben einen solchen Bruder, und eben eine solche Schwester hätte: (ihr könnt mich immerhin ansehen, Arabelle!) und wenn beyde ihren Eltern eben so in den Ohren lägen, als meine Geschwister: so möchten sie vielleicht eben so mit ihr umgehen, als jetzt mit mir um- gegangen wird. Wenn sie den Freyer der ihr angetragen würde, mit eben so grossem Recht hassete, als ich Solmesen,
(und einen Frey-Geist, einen Schelm eben so liebete, als ihr Lovelacen, schriee meine Schwe- ster dazwischen)
so könnte sie es verbitten, in der Sache nicht Gehorsahm zu leisten. Wenn sie aber dieses thäte, und dabey die stärcksten und kräftigsten Versicherungen gäbe, nie ohne ihren Willen zu heyrathen, so bin ich gewiß versichert, daß ihr Vater und ihre Mutter vergnügt seyn, und sie zu nichts zwingen würden.
Meine Schwester hob beyde Hände auf, und sagte: nun kriegen Vatter und Mutter auch ihr Theil.
Wenn ich aber wüßte, (sagte meine Base) daß sie einen liederlichen Menschen liebte, und nur Zeit gewinnen wollte, um mich so lange zu ermüden, daß ich auch Ja sagen sollte - - -
Jch bitte um Vergebung, daß ich ihnen in die Rede falle. Wenn nun Fräulein Hervey ihr Ja nicht erhalten könnte, was würde weiter darans werden?
Es
J i 5
der Clariſſa.
Jch glaͤube dis kaum, Frau Baſe. Wenn die Fraͤulein Hervey eben einen ſolchen Bruder, und eben eine ſolche Schweſter haͤtte: (ihr koͤnnt mich immerhin anſehen, Arabelle!) und wenn beyde ihren Eltern eben ſo in den Ohren laͤgen, als meine Geſchwiſter: ſo moͤchten ſie vielleicht eben ſo mit ihr umgehen, als jetzt mit mir um- gegangen wird. Wenn ſie den Freyer der ihr angetragen wuͤrde, mit eben ſo groſſem Recht haſſete, als ich Solmeſen,
(und einen Frey-Geiſt, einen Schelm eben ſo liebete, als ihr Lovelacen, ſchriee meine Schwe- ſter dazwiſchen)
ſo koͤnnte ſie es verbitten, in der Sache nicht Gehorſahm zu leiſten. Wenn ſie aber dieſes thaͤte, und dabey die ſtaͤrckſten und kraͤftigſten Verſicherungen gaͤbe, nie ohne ihren Willen zu heyrathen, ſo bin ich gewiß verſichert, daß ihr Vater und ihre Mutter vergnuͤgt ſeyn, und ſie zu nichts zwingen wuͤrden.
Meine Schweſter hob beyde Haͤnde auf, und ſagte: nun kriegen Vatter und Mutter auch ihr Theil.
Wenn ich aber wuͤßte, (ſagte meine Baſe) daß ſie einen liederlichen Menſchen liebte, und nur Zeit gewinnen wollte, um mich ſo lange zu ermuͤden, daß ich auch Ja ſagen ſollte ‒ ‒ ‒
Jch bitte um Vergebung, daß ich ihnen in die Rede falle. Wenn nun Fraͤulein Hervey ihr Ja nicht erhalten koͤnnte, was wuͤrde weiter darans werden?
Es
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der Clariſſa.
Jch glaͤube dis kaum, Frau Baſe. Wenn die
Fraͤulein Hervey eben einen ſolchen Bruder,
und eben eine ſolche Schweſter haͤtte: (ihr koͤnnt
mich immerhin anſehen, Arabelle!) und wenn
beyde ihren Eltern eben ſo in den Ohren laͤgen,
als meine Geſchwiſter: ſo moͤchten ſie vielleicht
eben ſo mit ihr umgehen, als jetzt mit mir um-
gegangen wird. Wenn ſie den Freyer der ihr
angetragen wuͤrde, mit eben ſo groſſem Recht
haſſete, als ich Solmeſen,
(und einen Frey-Geiſt, einen Schelm eben
ſo liebete, als ihr Lovelacen, ſchriee meine Schwe-
ſter dazwiſchen)
ſo koͤnnte ſie es verbitten, in der Sache nicht
Gehorſahm zu leiſten. Wenn ſie aber dieſes
thaͤte, und dabey die ſtaͤrckſten und kraͤftigſten
Verſicherungen gaͤbe, nie ohne ihren Willen zu
heyrathen, ſo bin ich gewiß verſichert, daß ihr
Vater und ihre Mutter vergnuͤgt ſeyn, und ſie zu
nichts zwingen wuͤrden.
Meine Schweſter hob beyde Haͤnde auf, und
ſagte: nun kriegen Vatter und Mutter auch ihr
Theil.
Wenn ich aber wuͤßte, (ſagte meine Baſe)
daß ſie einen liederlichen Menſchen liebte, und
nur Zeit gewinnen wollte, um mich ſo lange zu
ermuͤden, daß ich auch Ja ſagen ſollte ‒ ‒ ‒
Jch bitte um Vergebung, daß ich ihnen in die
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darans werden?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/525>, abgerufen am 24.11.2024.
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