gethan. Schicken sie mich als eine Leibeigene nach West-Jndien, ich will mir alles gefallen lassen. Allein ich kann nicht, ich kann gar nicht daran dencken, einem Mann, der mir unerträglich ist, eine ewige Treue und Liebe zu versprechen.
Sie stand auf, und sagte: wohlan, ich sehe, ich kann sie nicht bewegen, uns zu erfreuen. Ara- belle bestrafte abermahls meinen vermeinten Ei- gensinn mit aufgehobenen Händen.
Was kann ich thun, allerliebste Frau Her- vey? Was kann ich thun? Wenn ich zu etwas Hofnung machen wolte, das ich nicht erfüllen kann, so wollte ich sagen, daß ich mich auf ihren gütigen Rath bedenken wollte. Allein ich will lieber für halsstarrig als für falsch angesehen werden. Jst denn also keine Mittel-Straße übrig. Kann nichts erdacht werden? will man keine andere Be- dingung annehmen, als die, daß ich einen heyra- then soll, der mir desto unangenehmer ist, weil die Bedingungen, die er anbietet, ungerecht sind?
Meine Schwester sagte: wen straft ihr nun? überlegt das!
Legt meine Worte nicht nachtheilig aus, Ara- belle. Es mag vielleicht nicht ein jeder diese Be- dingungen von eben der Seite ansehen. Bey ei- nem ungerechten Geschencke sind eigentlich die strafbar die es geben und die es annehmen. So lange es mir ungerecht vorkommt, so lange würde ich keine Entschuldigung haben, wenn ich es an- nehme. Allein warum will ich mir den Fall nur
als
der Clariſſa.
gethan. Schicken ſie mich als eine Leibeigene nach Weſt-Jndien, ich will mir alles gefallen laſſen. Allein ich kann nicht, ich kann gar nicht daran dencken, einem Mann, der mir unertraͤglich iſt, eine ewige Treue und Liebe zu verſprechen.
Sie ſtand auf, und ſagte: wohlan, ich ſehe, ich kann ſie nicht bewegen, uns zu erfreuen. Ara- belle beſtrafte abermahls meinen vermeinten Ei- genſinn mit aufgehobenen Haͤnden.
Was kann ich thun, allerliebſte Frau Her- vey? Was kann ich thun? Wenn ich zu etwas Hofnung machen wolte, das ich nicht erfuͤllen kann, ſo wollte ich ſagen, daß ich mich auf ihren guͤtigen Rath bedenken wollte. Allein ich will lieber fuͤr halsſtarrig als fuͤr falſch angeſehen werden. Jſt denn alſo keine Mittel-Straße uͤbrig. Kann nichts erdacht werden? will man keine andere Be- dingung annehmen, als die, daß ich einen heyra- then ſoll, der mir deſto unangenehmer iſt, weil die Bedingungen, die er anbietet, ungerecht ſind?
Meine Schweſter ſagte: wen ſtraft ihr nun? uͤberlegt das!
Legt meine Worte nicht nachtheilig aus, Ara- belle. Es mag vielleicht nicht ein jeder dieſe Be- dingungen von eben der Seite anſehen. Bey ei- nem ungerechten Geſchencke ſind eigentlich die ſtrafbar die es geben und die es annehmen. So lange es mir ungerecht vorkommt, ſo lange wuͤrde ich keine Entſchuldigung haben, wenn ich es an- nehme. Allein warum will ich mir den Fall nur
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der Clariſſa.
gethan. Schicken ſie mich als eine Leibeigene nach
Weſt-Jndien, ich will mir alles gefallen laſſen.
Allein ich kann nicht, ich kann gar nicht daran
dencken, einem Mann, der mir unertraͤglich iſt,
eine ewige Treue und Liebe zu verſprechen.
Sie ſtand auf, und ſagte: wohlan, ich ſehe,
ich kann ſie nicht bewegen, uns zu erfreuen. Ara-
belle beſtrafte abermahls meinen vermeinten Ei-
genſinn mit aufgehobenen Haͤnden.
Was kann ich thun, allerliebſte Frau Her-
vey? Was kann ich thun? Wenn ich zu etwas
Hofnung machen wolte, das ich nicht erfuͤllen kann,
ſo wollte ich ſagen, daß ich mich auf ihren guͤtigen
Rath bedenken wollte. Allein ich will lieber fuͤr
halsſtarrig als fuͤr falſch angeſehen werden. Jſt
denn alſo keine Mittel-Straße uͤbrig. Kann
nichts erdacht werden? will man keine andere Be-
dingung annehmen, als die, daß ich einen heyra-
then ſoll, der mir deſto unangenehmer iſt, weil
die Bedingungen, die er anbietet, ungerecht
ſind?
Meine Schweſter ſagte: wen ſtraft ihr nun?
uͤberlegt das!
Legt meine Worte nicht nachtheilig aus, Ara-
belle. Es mag vielleicht nicht ein jeder dieſe Be-
dingungen von eben der Seite anſehen. Bey ei-
nem ungerechten Geſchencke ſind eigentlich die
ſtrafbar die es geben und die es annehmen. So
lange es mir ungerecht vorkommt, ſo lange wuͤrde
ich keine Entſchuldigung haben, wenn ich es an-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/531>, abgerufen am 16.02.2025.
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