so weit, daß bey nahe ein jedes Gespräch sich mit einer Erzählung seiner übeln Eigenschaften endigte.
Jch gab mir keine Mühe ihn zu vertheidigen, wenn nur ihre Stiche nicht auch mich angingen. Jch sagte ihnen: ich schätzte ihn nicht hoch genug, seinetwegen einen Streit in der Familie anzufan- gen. Da man glaubte, er habe nur allzuviel Ge- legenheit gegeben, so übel von ihm zu urtheilen, so glaubte ich auch, es sey nicht unrecht, wenn er die Folgen seiner Handlungen empfände.
Jedoch bisweilen, wenn ich merckte, daß sie aus Hefftigkeit gantz unwahrscheinliche Dinge sprachen, so hielt ich mich verpflichtet ein Wort für ihn zu reden. Dies war schon genug, mir den Vorwurf zuzuziehen, daß ich von ihm eingenom- men wäre, und es nur nicht bekennen wollte. Zu- letzt kam es so weit, daß ich mich mit der Musik beschäftigte, oder auf meine Stube ging, wenn ich die Unterredung nicht auf etwas anders lencken konnte.
Jhr Betragen gegen ihn war sehr kaltsinnig und unhöflich, wenn sie ihm nicht gäntzlich aus den Wege gehen konnten: indessen enthielten sie sich doch noch aller Beleidigungen: denn sie hofften mei- nen Vater dahin zu vermögen, daß er ihm, den Besuch verbieten solte. Da aber in seiner Auffüh- rung nichts unanständiges war, wodurch ein sol- ches Verfahren gegen einen Mann von seiner Herkunft und Stande hätte können gerechtfertigt werden, so richteten sie nichts aus: hierauf drun- gen sie sehr in mich, daß ich ihm den fernern Be-
such
Die Geſchichte
ſo weit, daß bey nahe ein jedes Geſpraͤch ſich mit einer Erzaͤhlung ſeiner uͤbeln Eigenſchaften endigte.
Jch gab mir keine Muͤhe ihn zu vertheidigen, wenn nur ihre Stiche nicht auch mich angingen. Jch ſagte ihnen: ich ſchaͤtzte ihn nicht hoch genug, ſeinetwegen einen Streit in der Familie anzufan- gen. Da man glaubte, er habe nur allzuviel Ge- legenheit gegeben, ſo uͤbel von ihm zu urtheilen, ſo glaubte ich auch, es ſey nicht unrecht, wenn er die Folgen ſeiner Handlungen empfaͤnde.
Jedoch bisweilen, wenn ich merckte, daß ſie aus Hefftigkeit gantz unwahrſcheinliche Dinge ſprachen, ſo hielt ich mich verpflichtet ein Wort fuͤr ihn zu reden. Dies war ſchon genug, mir den Vorwurf zuzuziehen, daß ich von ihm eingenom- men waͤre, und es nur nicht bekennen wollte. Zu- letzt kam es ſo weit, daß ich mich mit der Muſik beſchaͤftigte, oder auf meine Stube ging, wenn ich die Unterredung nicht auf etwas anders lencken konnte.
Jhr Betragen gegen ihn war ſehr kaltſinnig und unhoͤflich, wenn ſie ihm nicht gaͤntzlich aus den Wege gehen konnten: indeſſen enthielten ſie ſich doch noch aller Beleidigungen: deñ ſie hofften mei- nen Vater dahin zu vermoͤgen, daß er ihm, den Beſuch verbieten ſolte. Da aber in ſeiner Auffuͤh- rung nichts unanſtaͤndiges war, wodurch ein ſol- ches Verfahren gegen einen Mann von ſeiner Herkunft und Stande haͤtte koͤnnen gerechtfertigt werden, ſo richteten ſie nichts aus: hierauf drun- gen ſie ſehr in mich, daß ich ihm den fernern Be-
ſuch
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[34/0054]
Die Geſchichte
ſo weit, daß bey nahe ein jedes Geſpraͤch ſich mit
einer Erzaͤhlung ſeiner uͤbeln Eigenſchaften endigte.
Jch gab mir keine Muͤhe ihn zu vertheidigen,
wenn nur ihre Stiche nicht auch mich angingen.
Jch ſagte ihnen: ich ſchaͤtzte ihn nicht hoch genug,
ſeinetwegen einen Streit in der Familie anzufan-
gen. Da man glaubte, er habe nur allzuviel Ge-
legenheit gegeben, ſo uͤbel von ihm zu urtheilen, ſo
glaubte ich auch, es ſey nicht unrecht, wenn er die
Folgen ſeiner Handlungen empfaͤnde.
Jedoch bisweilen, wenn ich merckte, daß ſie
aus Hefftigkeit gantz unwahrſcheinliche Dinge
ſprachen, ſo hielt ich mich verpflichtet ein Wort
fuͤr ihn zu reden. Dies war ſchon genug, mir den
Vorwurf zuzuziehen, daß ich von ihm eingenom-
men waͤre, und es nur nicht bekennen wollte. Zu-
letzt kam es ſo weit, daß ich mich mit der Muſik
beſchaͤftigte, oder auf meine Stube ging, wenn
ich die Unterredung nicht auf etwas anders lencken
konnte.
Jhr Betragen gegen ihn war ſehr kaltſinnig und
unhoͤflich, wenn ſie ihm nicht gaͤntzlich aus den
Wege gehen konnten: indeſſen enthielten ſie ſich
doch noch aller Beleidigungen: deñ ſie hofften mei-
nen Vater dahin zu vermoͤgen, daß er ihm, den
Beſuch verbieten ſolte. Da aber in ſeiner Auffuͤh-
rung nichts unanſtaͤndiges war, wodurch ein ſol-
ches Verfahren gegen einen Mann von ſeiner
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/54>, abgerufen am 27.11.2024.
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