mert, so habe ich nichts dagegen zu sagen. Es wird ein Werck der christlichen Liebe seyn, wenn Sie wegen seiner Vergehungen, mit ihm selbst reden, und ihn eben so tugendhafft zu machen suchen, als Sie sind. Denn wenn Sie nicht selbst tugendhaft wären, so würden Sie nicht so fertig seyn, seine Fehler zu entdecken.
Halten Sie mir zu gute, was ich schreibe. Nachdem ich neulich schon an Sie geschrieben habe, und Sie doch nicht ablassen wollen, und sich sogar durch Heruntersetzung anderer und nicht durch eigene Vorzüge bey mir einzuschmei- cheln suchen; so haben Sie kein Recht mehr, die Person wegen ihrer Empfindlichkeit oder Grobheit zu tadeln, zu deren Unglück Sie bis- her so vieles beygetragen haben.
Cl. Harlowe. Sonntag Abends.
Mein Vater hat im Zorn zu mir herauf kom- men wollen; allein er ließ sich von den andern noch abrathen, und der Frau Hervey ward aufgetragen, den Brief, von dem ich eine Ab- schrifft mittheile, an mich zu schreiben. Alles sehr hitzig, und sehr übereilt!
An Fräulein Clarissa Harlowe. Fräulein Base/
Jedermann ist darüber betrübt, daß gütige Ueberredungen bey Jhnen nichts fruchten wol-
len.
J 5
der Clariſſa.
mert, ſo habe ich nichts dagegen zu ſagen. Es wird ein Werck der chriſtlichen Liebe ſeyn, wenn Sie wegen ſeiner Vergehungen, mit ihm ſelbſt reden, und ihn eben ſo tugendhafft zu machen ſuchen, als Sie ſind. Denn wenn Sie nicht ſelbſt tugendhaft waͤren, ſo wuͤrden Sie nicht ſo fertig ſeyn, ſeine Fehler zu entdecken.
Halten Sie mir zu gute, was ich ſchreibe. Nachdem ich neulich ſchon an Sie geſchrieben habe, und Sie doch nicht ablaſſen wollen, und ſich ſogar durch Herunterſetzung anderer und nicht durch eigene Vorzuͤge bey mir einzuſchmei- cheln ſuchen; ſo haben Sie kein Recht mehr, die Perſon wegen ihrer Empfindlichkeit oder Grobheit zu tadeln, zu deren Ungluͤck Sie bis- her ſo vieles beygetragen haben.
Cl. Harlowe. Sonntag Abends.
Mein Vater hat im Zorn zu mir herauf kom- men wollen; allein er ließ ſich von den andern noch abrathen, und der Frau Hervey ward aufgetragen, den Brief, von dem ich eine Ab- ſchrifft mittheile, an mich zu ſchreiben. Alles ſehr hitzig, und ſehr uͤbereilt!
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der Clariſſa.
mert, ſo habe ich nichts dagegen zu ſagen. Es
wird ein Werck der chriſtlichen Liebe ſeyn, wenn
Sie wegen ſeiner Vergehungen, mit ihm ſelbſt
reden, und ihn eben ſo tugendhafft zu machen
ſuchen, als Sie ſind. Denn wenn Sie nicht
ſelbſt tugendhaft waͤren, ſo wuͤrden Sie nicht
ſo fertig ſeyn, ſeine Fehler zu entdecken.
Halten Sie mir zu gute, was ich ſchreibe.
Nachdem ich neulich ſchon an Sie geſchrieben
habe, und Sie doch nicht ablaſſen wollen, und
ſich ſogar durch Herunterſetzung anderer und
nicht durch eigene Vorzuͤge bey mir einzuſchmei-
cheln ſuchen; ſo haben Sie kein Recht mehr,
die Perſon wegen ihrer Empfindlichkeit oder
Grobheit zu tadeln, zu deren Ungluͤck Sie bis-
her ſo vieles beygetragen haben.
Cl. Harlowe.
Sonntag Abends.
Mein Vater hat im Zorn zu mir herauf kom-
men wollen; allein er ließ ſich von den andern
noch abrathen, und der Frau Hervey ward
aufgetragen, den Brief, von dem ich eine Ab-
ſchrifft mittheile, an mich zu ſchreiben. Alles
ſehr hitzig, und ſehr uͤbereilt!
An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Fraͤulein Baſe/
Jedermann iſt daruͤber betruͤbt, daß guͤtige
Ueberredungen bey Jhnen nichts fruchten wol-
len.
J 5
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/143>, abgerufen am 21.11.2024.
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