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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
"dieser verschmäheten Brieffe noch nicht wissen,
"so bitte ich Sie, daß Sie beyde einer Durch-
"lesung würdigen wollen, damit Sie zu meiner
"Entschuldigung bezeugen können, daß keine Kla-
"gen und Beschwerden, und überhaupt nichts,
"daß den Schein eines Ungehorsams haben könn-
"te, darinn enthalten sey. Nehmen Sie mir
"nicht ungütig, daß ich mich unterstehe zu dencken;
"daß vielleicht in einiger Zeit auf die Härtigkeit
"eine Reue folgen kann, wenn jetzt der taube
"Unwille mich nicht hören, und nicht einmahl
"lesen will, was ich schreibe. Jch bitte Sie,
"geben Sie mir nur zu erkennen, aus was für ei-
"ner Absicht ich eben nach meines Onckles An-
"tons
Gute, und nicht zu Jhnen oder zu Frau
"Hervey oder anders wohin reisen soll? Wenn
"ich die wahre Ursache errathen habe, so wird mir
"das Leben nicht erträglich seyn. Jch bitte auch
"um Nachricht, wenn ich aus dem Hause gestos-
"sen werden soll? Mein Hertz sagt mir schon
"zum voraus, daß ich dieses Haus nie wieder zu
"sehen bekommen werde, wenn ich es einmahl zu
"verlassen gezwungen bin.

"Jch erkläre mich hiebey, daß ich dieses nicht
"aus Trotz und Empfindlichkeit schreibe. GOtt,
"der mein Hertz kennet, ist mein Zeuge. Allein
"ich erwarte eine solche Begegnung, wenn ich
"nach meines andern Onckles Gute abreisen muß,
"die das Unglück, das unverdiente Elend (wenn

ich

der Clariſſa.
„dieſer verſchmaͤheten Brieffe noch nicht wiſſen,
„ſo bitte ich Sie, daß Sie beyde einer Durch-
„leſung wuͤrdigen wollen, damit Sie zu meiner
„Entſchuldigung bezeugen koͤnnen, daß keine Kla-
„gen und Beſchwerden, und uͤberhaupt nichts,
„daß den Schein eines Ungehorſams haben koͤnn-
„te, darinn enthalten ſey. Nehmen Sie mir
„nicht unguͤtig, daß ich mich unterſtehe zu dencken;
„daß vielleicht in einiger Zeit auf die Haͤrtigkeit
„eine Reue folgen kann, wenn jetzt der taube
„Unwille mich nicht hoͤren, und nicht einmahl
„leſen will, was ich ſchreibe. Jch bitte Sie,
„geben Sie mir nur zu erkennen, aus was fuͤr ei-
„ner Abſicht ich eben nach meines Onckles An-
„tons
Gute, und nicht zu Jhnen oder zu Frau
Hervey oder anders wohin reiſen ſoll? Wenn
„ich die wahre Urſache errathen habe, ſo wird mir
„das Leben nicht ertraͤglich ſeyn. Jch bitte auch
„um Nachricht, wenn ich aus dem Hauſe geſtoſ-
„ſen werden ſoll? Mein Hertz ſagt mir ſchon
„zum voraus, daß ich dieſes Haus nie wieder zu
„ſehen bekommen werde, wenn ich es einmahl zu
„verlaſſen gezwungen bin.

„Jch erklaͤre mich hiebey, daß ich dieſes nicht
„aus Trotz und Empfindlichkeit ſchreibe. GOtt,
„der mein Hertz kennet, iſt mein Zeuge. Allein
„ich erwarte eine ſolche Begegnung, wenn ich
„nach meines andern Onckles Gute abreiſen muß,
„die das Ungluͤck, das unverdiente Elend (wenn

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[141/0147] der Clariſſa. „dieſer verſchmaͤheten Brieffe noch nicht wiſſen, „ſo bitte ich Sie, daß Sie beyde einer Durch- „leſung wuͤrdigen wollen, damit Sie zu meiner „Entſchuldigung bezeugen koͤnnen, daß keine Kla- „gen und Beſchwerden, und uͤberhaupt nichts, „daß den Schein eines Ungehorſams haben koͤnn- „te, darinn enthalten ſey. Nehmen Sie mir „nicht unguͤtig, daß ich mich unterſtehe zu dencken; „daß vielleicht in einiger Zeit auf die Haͤrtigkeit „eine Reue folgen kann, wenn jetzt der taube „Unwille mich nicht hoͤren, und nicht einmahl „leſen will, was ich ſchreibe. Jch bitte Sie, „geben Sie mir nur zu erkennen, aus was fuͤr ei- „ner Abſicht ich eben nach meines Onckles An- „tons Gute, und nicht zu Jhnen oder zu Frau „Hervey oder anders wohin reiſen ſoll? Wenn „ich die wahre Urſache errathen habe, ſo wird mir „das Leben nicht ertraͤglich ſeyn. Jch bitte auch „um Nachricht, wenn ich aus dem Hauſe geſtoſ- „ſen werden ſoll? Mein Hertz ſagt mir ſchon „zum voraus, daß ich dieſes Haus nie wieder zu „ſehen bekommen werde, wenn ich es einmahl zu „verlaſſen gezwungen bin. „Jch erklaͤre mich hiebey, daß ich dieſes nicht „aus Trotz und Empfindlichkeit ſchreibe. GOtt, „der mein Hertz kennet, iſt mein Zeuge. Allein „ich erwarte eine ſolche Begegnung, wenn ich „nach meines andern Onckles Gute abreiſen muß, „die das Ungluͤck, das unverdiente Elend (wenn ich

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/147>, abgerufen am 21.11.2024.