"dieses: macht Euch fertig. Morgen reiset "Jhr zu meinem Onckle Anton. Das ists al- "les, Kind, was ich zu melden habe."
"Jacob Harlowe.
Dieser Brief verdroß mich recht hertzlich. Da ich eben am meisten aufgebracht war, setzte ich mich nieder, um beyfolgenden Brief an meinen Onckle Harlowe zu schreiben, welcher diese Nacht hier zu bleiben scheint.
"Hochgeehrtester Herr Vetter/
Montag Abends.
"Jch finde, daß ich in anderer Augen viel ver- "ächtlicher seyn muß, als ich geglaubt hätte. Jch "habe an Sie und nicht an meinen Bruder ge- "schrieben. An Sie, sage ich, schrieb ich, und "erwartete auch von Jhnen mit einer Antwort "beehrt zu werden. Niemand kan seinen Onckle "mehr ehren als ich: allein ich glaube doch nicht, "daß zwischen einem Onckle und eines Bruders "Tochter eine solche Entfernung sey, daß die "letztere auf keine Antwort von ihm hoffen dürfe: "und ich glaube einen solchen Vorschlag gethan "zu haben, der nicht verdiente mit Verachtung "abgewiesen zu werden.
"Verzeihen Sie mir meine Dreistigkeit. "Mein Hertz ist so voll Kummer, daß es über- "fliessen muß. Es scheint, daß Sie einmahl "einen Tag lang überlegt haben, daß Sie sich
von
der Clariſſa.
„dieſes: macht Euch fertig. Morgen reiſet „Jhr zu meinem Onckle Anton. Das iſts al- „les, Kind, was ich zu melden habe.„
„Jacob Harlowe.
Dieſer Brief verdroß mich recht hertzlich. Da ich eben am meiſten aufgebracht war, ſetzte ich mich nieder, um beyfolgenden Brief an meinen Onckle Harlowe zu ſchreiben, welcher dieſe Nacht hier zu bleiben ſcheint.
„Hochgeehrteſter Herr Vetter/
Montag Abends.
„Jch finde, daß ich in anderer Augen viel ver- „aͤchtlicher ſeyn muß, als ich geglaubt haͤtte. Jch „habe an Sie und nicht an meinen Bruder ge- „ſchrieben. An Sie, ſage ich, ſchrieb ich, und „erwartete auch von Jhnen mit einer Antwort „beehrt zu werden. Niemand kan ſeinen Onckle „mehr ehren als ich: allein ich glaube doch nicht, „daß zwiſchen einem Onckle und eines Bruders „Tochter eine ſolche Entfernung ſey, daß die „letztere auf keine Antwort von ihm hoffen duͤrfe: „und ich glaube einen ſolchen Vorſchlag gethan „zu haben, der nicht verdiente mit Verachtung „abgewieſen zu werden.
„Verzeihen Sie mir meine Dreiſtigkeit. „Mein Hertz iſt ſo voll Kummer, daß es uͤber- „flieſſen muß. Es ſcheint, daß Sie einmahl „einen Tag lang uͤberlegt haben, daß Sie ſich
von
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der Clariſſa.
„dieſes: macht Euch fertig. Morgen reiſet
„Jhr zu meinem Onckle Anton. Das iſts al-
„les, Kind, was ich zu melden habe.„
„Jacob Harlowe.
Dieſer Brief verdroß mich recht hertzlich. Da
ich eben am meiſten aufgebracht war, ſetzte ich
mich nieder, um beyfolgenden Brief an meinen
Onckle Harlowe zu ſchreiben, welcher dieſe Nacht
hier zu bleiben ſcheint.
„Hochgeehrteſter Herr Vetter/
Montag Abends.
„Jch finde, daß ich in anderer Augen viel ver-
„aͤchtlicher ſeyn muß, als ich geglaubt haͤtte. Jch
„habe an Sie und nicht an meinen Bruder ge-
„ſchrieben. An Sie, ſage ich, ſchrieb ich, und
„erwartete auch von Jhnen mit einer Antwort
„beehrt zu werden. Niemand kan ſeinen Onckle
„mehr ehren als ich: allein ich glaube doch nicht,
„daß zwiſchen einem Onckle und eines Bruders
„Tochter eine ſolche Entfernung ſey, daß die
„letztere auf keine Antwort von ihm hoffen duͤrfe:
„und ich glaube einen ſolchen Vorſchlag gethan
„zu haben, der nicht verdiente mit Verachtung
„abgewieſen zu werden.
„Verzeihen Sie mir meine Dreiſtigkeit.
„Mein Hertz iſt ſo voll Kummer, daß es uͤber-
„flieſſen muß. Es ſcheint, daß Sie einmahl
„einen Tag lang uͤberlegt haben, daß Sie ſich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/165>, abgerufen am 24.11.2024.
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