Es ist schlimm! es ist verdrießlich, (antwor- tete sie) wenn sich artige Fräuleins so hefftig wider ihre Pflicht sträuben.
Jch antwortete: sie sollte Erlaubniß haben, zu reden was sie wollte, wenn sie nur dieses ein- tzige mahl ausrichtete, was ich ihr auftrüge.
Sie nahm endlich den Brief, und gieng hin- unter. Jch befahl ihr noch, den Brief so un- vermerckt, als möglich, meinem Onckle zuzuste- cken. Wenigstens sollte sie es thun, wenn es mein Bruder und meine Schwester nicht sehen, damit diese es nicht durch ihre Dienstfertigkeit dahin brächten, daß ich ihn so wieder bekäme als sie geweissaget hätte.
Sie sagte: dafür wollte sie nicht Bürge wer- den.
Jch warte nun auf den Ausgang der Sa- che. Da ich aber so wenig Ursache habe, auf Mitleiden zu hoffen, so eröfnete ich Herrn Lo- velaces Brief. Jch wollte Jhnen denselbigen jetzt gleich mitschicken. Da ich aber noch nicht entschlossen bin, was ich ihm antworten soll, so will ich unterdessen, daß ich auf Antwort von meinem Onckle warte, einen Auszug aus seinem Briefe zu Jhrer Nachricht machen.
"Er beklagt sich, wie sonst, daß er bey mir "so schlecht angeschrieben sey, und daß ich alles "so leicht glaubets, was zu seinem Nachtheil ge- "reichet. Was ich verblümt geschrieben habe, "das übersetzt er in deutliches und verständliches "Englisch: daß ich glücklicher seyn würde/
wenn
Die Geſchichte
Es iſt ſchlimm! es iſt verdrießlich, (antwor- tete ſie) wenn ſich artige Fraͤuleins ſo hefftig wider ihre Pflicht ſtraͤuben.
Jch antwortete: ſie ſollte Erlaubniß haben, zu reden was ſie wollte, wenn ſie nur dieſes ein- tzige mahl ausrichtete, was ich ihr auftruͤge.
Sie nahm endlich den Brief, und gieng hin- unter. Jch befahl ihr noch, den Brief ſo un- vermerckt, als moͤglich, meinem Onckle zuzuſte- cken. Wenigſtens ſollte ſie es thun, wenn es mein Bruder und meine Schweſter nicht ſehen, damit dieſe es nicht durch ihre Dienſtfertigkeit dahin braͤchten, daß ich ihn ſo wieder bekaͤme als ſie geweiſſaget haͤtte.
Sie ſagte: dafuͤr wollte ſie nicht Buͤrge wer- den.
Jch warte nun auf den Ausgang der Sa- che. Da ich aber ſo wenig Urſache habe, auf Mitleiden zu hoffen, ſo eroͤfnete ich Herrn Lo- velaces Brief. Jch wollte Jhnen denſelbigen jetzt gleich mitſchicken. Da ich aber noch nicht entſchloſſen bin, was ich ihm antworten ſoll, ſo will ich unterdeſſen, daß ich auf Antwort von meinem Onckle warte, einen Auszug aus ſeinem Briefe zu Jhrer Nachricht machen.
„Er beklagt ſich, wie ſonſt, daß er bey mir „ſo ſchlecht angeſchrieben ſey, und daß ich alles „ſo leicht glaubets, was zu ſeinem Nachtheil ge- „reichet. Was ich verbluͤmt geſchrieben habe, „das uͤberſetzt er in deutliches und verſtaͤndliches „Engliſch: daß ich gluͤcklicher ſeyn wuͤrde/
wenn
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Die Geſchichte
Es iſt ſchlimm! es iſt verdrießlich, (antwor-
tete ſie) wenn ſich artige Fraͤuleins ſo hefftig
wider ihre Pflicht ſtraͤuben.
Jch antwortete: ſie ſollte Erlaubniß haben,
zu reden was ſie wollte, wenn ſie nur dieſes ein-
tzige mahl ausrichtete, was ich ihr auftruͤge.
Sie nahm endlich den Brief, und gieng hin-
unter. Jch befahl ihr noch, den Brief ſo un-
vermerckt, als moͤglich, meinem Onckle zuzuſte-
cken. Wenigſtens ſollte ſie es thun, wenn es
mein Bruder und meine Schweſter nicht ſehen,
damit dieſe es nicht durch ihre Dienſtfertigkeit
dahin braͤchten, daß ich ihn ſo wieder bekaͤme
als ſie geweiſſaget haͤtte.
Sie ſagte: dafuͤr wollte ſie nicht Buͤrge wer-
den.
Jch warte nun auf den Ausgang der Sa-
che. Da ich aber ſo wenig Urſache habe, auf
Mitleiden zu hoffen, ſo eroͤfnete ich Herrn Lo-
velaces Brief. Jch wollte Jhnen denſelbigen
jetzt gleich mitſchicken. Da ich aber noch nicht
entſchloſſen bin, was ich ihm antworten ſoll, ſo
will ich unterdeſſen, daß ich auf Antwort von
meinem Onckle warte, einen Auszug aus ſeinem
Briefe zu Jhrer Nachricht machen.
„Er beklagt ſich, wie ſonſt, daß er bey mir
„ſo ſchlecht angeſchrieben ſey, und daß ich alles
„ſo leicht glaubets, was zu ſeinem Nachtheil ge-
„reichet. Was ich verbluͤmt geſchrieben habe,
„das uͤberſetzt er in deutliches und verſtaͤndliches
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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