Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
um beyde zu betriegen. Sie würden aber bey-
derseits keine krumme Wege zu betreten nöthig
haben, wenn sie rechtmäßige Absichten hätten.
Ein aufrichtiges Gemüth kan den Bestecher eben
so wenig dulden als den Betrüger.

Er dringet sehr ernstlich darauf, daß ich ihn
sprechen soll. "Er wolle sich nicht unterstehen,
"meinem mündlichen Befehl ungehorsam zu seyn,
"da ich ihm verboten hatte, mich nie wieder in
"unserm Holtz-Stall aufzusuchen. Er wollte
"nicht einmahl einen solchen Vorschlag thun.
"Allein er hoffe mir solche Gründe, die ich selbst
"billigen würde, vorzulegen, um derenwillen ich
"ihm erlauben sollte, meinem Vater und mei-
"nen Onckles aufzuwarten. Denn er könnte
"nicht unterlassen, mir zur Ueberlegung anheim
"zu stellen, wie wenig es sich für ihn und für
"mich schicke, daß ein Mann von seinen Umstän-
"den und Herkommen sich so heimlich um mich
"bewerben solte, als wenn er ein Landläuffer wä-
"re. Wenn ich ihm nur erlauben wollte, mir
"die Aufwartung so zu machen, wie es sich für
"einen Cavallier schickt, so solte auch die aller-
"gröbste Begegnung seine Geduld und Gelassen-
"heit nicht überwinden. Wenn es mir gefällig
"wäre, so solte sein Onckle mit ihm kommen:
"oder seines Onckles Schwester, Frau Law-
"rance
solte vorher bey meiner Muttrr, oder bey
"Frau Hervey oder bey meinen Onckles einen
"Besuch abstatten: alles, wie ich es anzuordnen
"beliebete. Es solten solche Bedingungen an-

getra-

Die Geſchichte
um beyde zu betriegen. Sie wuͤrden aber bey-
derſeits keine krumme Wege zu betreten noͤthig
haben, wenn ſie rechtmaͤßige Abſichten haͤtten.
Ein aufrichtiges Gemuͤth kan den Beſtecher eben
ſo wenig dulden als den Betruͤger.

Er dringet ſehr ernſtlich darauf, daß ich ihn
ſprechen ſoll. „Er wolle ſich nicht unterſtehen,
„meinem muͤndlichen Befehl ungehorſam zu ſeyn,
„da ich ihm verboten hatte, mich nie wieder in
„unſerm Holtz-Stall aufzuſuchen. Er wollte
„nicht einmahl einen ſolchen Vorſchlag thun.
„Allein er hoffe mir ſolche Gruͤnde, die ich ſelbſt
„billigen wuͤrde, vorzulegen, um derenwillen ich
„ihm erlauben ſollte, meinem Vater und mei-
„nen Onckles aufzuwarten. Denn er koͤnnte
„nicht unterlaſſen, mir zur Ueberlegung anheim
„zu ſtellen, wie wenig es ſich fuͤr ihn und fuͤr
„mich ſchicke, daß ein Mann von ſeinen Umſtaͤn-
„den und Herkommen ſich ſo heimlich um mich
„bewerben ſolte, als wenn er ein Landlaͤuffer waͤ-
„re. Wenn ich ihm nur erlauben wollte, mir
„die Aufwartung ſo zu machen, wie es ſich fuͤr
„einen Cavallier ſchickt, ſo ſolte auch die aller-
„groͤbſte Begegnung ſeine Geduld und Gelaſſen-
„heit nicht uͤberwinden. Wenn es mir gefaͤllig
„waͤre, ſo ſolte ſein Onckle mit ihm kommen:
„oder ſeines Onckles Schweſter, Frau Law-
„rance
ſolte vorher bey meiner Muttrr, oder bey
„Frau Hervey oder bey meinen Onckles einen
„Beſuch abſtatten: alles, wie ich es anzuordnen
„beliebete. Es ſolten ſolche Bedingungen an-

getra-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0178" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
um beyde zu betriegen. Sie wu&#x0364;rden aber bey-<lb/>
der&#x017F;eits keine krumme Wege zu betreten no&#x0364;thig<lb/>
haben, wenn &#x017F;ie rechtma&#x0364;ßige Ab&#x017F;ichten ha&#x0364;tten.<lb/>
Ein aufrichtiges Gemu&#x0364;th kan den Be&#x017F;techer eben<lb/>
&#x017F;o wenig dulden als den Betru&#x0364;ger.</p><lb/>
          <p>Er dringet &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich darauf, daß ich ihn<lb/>
&#x017F;prechen &#x017F;oll. &#x201E;Er wolle &#x017F;ich nicht unter&#x017F;tehen,<lb/>
&#x201E;meinem mu&#x0364;ndlichen Befehl ungehor&#x017F;am zu &#x017F;eyn,<lb/>
&#x201E;da ich ihm verboten hatte, mich nie wieder in<lb/>
&#x201E;un&#x017F;erm Holtz-Stall aufzu&#x017F;uchen. Er wollte<lb/>
&#x201E;nicht einmahl einen &#x017F;olchen Vor&#x017F;chlag thun.<lb/>
&#x201E;Allein er hoffe mir &#x017F;olche Gru&#x0364;nde, die ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x201E;billigen wu&#x0364;rde, vorzulegen, um derenwillen ich<lb/>
&#x201E;ihm erlauben &#x017F;ollte, meinem Vater und mei-<lb/>
&#x201E;nen Onckles aufzuwarten. Denn er ko&#x0364;nnte<lb/>
&#x201E;nicht unterla&#x017F;&#x017F;en, mir zur Ueberlegung anheim<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;tellen, wie wenig es &#x017F;ich fu&#x0364;r ihn und fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;mich &#x017F;chicke, daß ein Mann von &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;den und Herkommen &#x017F;ich &#x017F;o heimlich um mich<lb/>
&#x201E;bewerben &#x017F;olte, als wenn er ein Landla&#x0364;uffer wa&#x0364;-<lb/>
&#x201E;re. Wenn ich ihm nur erlauben wollte, mir<lb/>
&#x201E;die Aufwartung &#x017F;o zu machen, wie es &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;einen Cavallier &#x017F;chickt, &#x017F;o &#x017F;olte auch die aller-<lb/>
&#x201E;gro&#x0364;b&#x017F;te Begegnung &#x017F;eine Geduld und Gela&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x201E;heit nicht u&#x0364;berwinden. Wenn es mir gefa&#x0364;llig<lb/>
&#x201E;wa&#x0364;re, &#x017F;o &#x017F;olte &#x017F;ein Onckle mit ihm kommen:<lb/>
&#x201E;oder &#x017F;eines Onckles Schwe&#x017F;ter, Frau <hi rendition="#fr">Law-<lb/>
&#x201E;rance</hi> &#x017F;olte vorher bey meiner Muttrr, oder bey<lb/>
&#x201E;Frau <hi rendition="#fr">Hervey</hi> oder bey meinen Onckles einen<lb/>
&#x201E;Be&#x017F;uch ab&#x017F;tatten: alles, wie ich es anzuordnen<lb/>
&#x201E;beliebete. Es &#x017F;olten &#x017F;olche Bedingungen an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">getra-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0178] Die Geſchichte um beyde zu betriegen. Sie wuͤrden aber bey- derſeits keine krumme Wege zu betreten noͤthig haben, wenn ſie rechtmaͤßige Abſichten haͤtten. Ein aufrichtiges Gemuͤth kan den Beſtecher eben ſo wenig dulden als den Betruͤger. Er dringet ſehr ernſtlich darauf, daß ich ihn ſprechen ſoll. „Er wolle ſich nicht unterſtehen, „meinem muͤndlichen Befehl ungehorſam zu ſeyn, „da ich ihm verboten hatte, mich nie wieder in „unſerm Holtz-Stall aufzuſuchen. Er wollte „nicht einmahl einen ſolchen Vorſchlag thun. „Allein er hoffe mir ſolche Gruͤnde, die ich ſelbſt „billigen wuͤrde, vorzulegen, um derenwillen ich „ihm erlauben ſollte, meinem Vater und mei- „nen Onckles aufzuwarten. Denn er koͤnnte „nicht unterlaſſen, mir zur Ueberlegung anheim „zu ſtellen, wie wenig es ſich fuͤr ihn und fuͤr „mich ſchicke, daß ein Mann von ſeinen Umſtaͤn- „den und Herkommen ſich ſo heimlich um mich „bewerben ſolte, als wenn er ein Landlaͤuffer waͤ- „re. Wenn ich ihm nur erlauben wollte, mir „die Aufwartung ſo zu machen, wie es ſich fuͤr „einen Cavallier ſchickt, ſo ſolte auch die aller- „groͤbſte Begegnung ſeine Geduld und Gelaſſen- „heit nicht uͤberwinden. Wenn es mir gefaͤllig „waͤre, ſo ſolte ſein Onckle mit ihm kommen: „oder ſeines Onckles Schweſter, Frau Law- „rance ſolte vorher bey meiner Muttrr, oder bey „Frau Hervey oder bey meinen Onckles einen „Beſuch abſtatten: alles, wie ich es anzuordnen „beliebete. Es ſolten ſolche Bedingungen an- getra-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/178
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/178>, abgerufen am 25.11.2024.