etwas im Unwillen gethan, das mich nicht in ei- ner halben Stunde gereuet hat: und gemeinig- lich ist es mir noch in kürtzerer Zeit auf das Hertz gefallen, ob ich recht oder unrecht daran ge- than hätte.
Die Frist bis auf den Dienstag kan ich dazu anwenden, daß ich recht um mich sehe, und über- lege, was ich thun kan und soll: und Herrn Lo- velaces Dreistigkeit wird vieles dazu beytragen, daß ich desto mehr bey mir selbst bin. Jch glau- be zwar nicht, daß ich meinen Abscheu vor Herrn Lovelace überwinden kan: ich bin zum voraus vom Gegentheil versichert. Allein wer weiß, ob mich die Meinigen nicht wieder lieb gewinnen, und ihre Absichten wegen Herrn Solmes nach und nach fahren lassen, wenn ich gäntzlich mit Herrn Lovelace breche, und ihnen davon augen- scheinliche Proben gebe? Solte ich nicht wenig- stens sicher seyn, bis der Obriste Morden an- kömmt? Jch gedencke nun um desto mehr an ihn zu schreiben, weil die Meinigen (wie Herr Lo- velace versichert) an ihn geschrieben haben, und ihn einzunehmen suchen.
Allein bey allem Muth fürchte ich mich sehr vor den künftigen Dienstag, und vor den Fol- gen, die meine Standhaftigkeit an diesem Tage haben kan. Denn standhaft will ich gewiß seyn! Jch höre sie wollen alle Mittel versuchen, um mich zum Weichen zu bringen: und ich will auch alle Mittel anweuden, dem zu entgehen, wozu sie mich zwingen wollen. Ein unangenehmer Streit
zwi-
Die Geſchichte
etwas im Unwillen gethan, das mich nicht in ei- ner halben Stunde gereuet hat: und gemeinig- lich iſt es mir noch in kuͤrtzerer Zeit auf das Hertz gefallen, ob ich recht oder unrecht daran ge- than haͤtte.
Die Friſt bis auf den Dienſtag kan ich dazu anwenden, daß ich recht um mich ſehe, und uͤber- lege, was ich thun kan und ſoll: und Herrn Lo- velaces Dreiſtigkeit wird vieles dazu beytragen, daß ich deſto mehr bey mir ſelbſt bin. Jch glau- be zwar nicht, daß ich meinen Abſcheu vor Herrn Lovelace uͤberwinden kan: ich bin zum voraus vom Gegentheil verſichert. Allein wer weiß, ob mich die Meinigen nicht wieder lieb gewinnen, und ihre Abſichten wegen Herrn Solmes nach und nach fahren laſſen, wenn ich gaͤntzlich mit Herrn Lovelace breche, und ihnen davon augen- ſcheinliche Proben gebe? Solte ich nicht wenig- ſtens ſicher ſeyn, bis der Obriſte Morden an- koͤmmt? Jch gedencke nun um deſto mehr an ihn zu ſchreiben, weil die Meinigen (wie Herr Lo- velace verſichert) an ihn geſchrieben haben, und ihn einzunehmen ſuchen.
Allein bey allem Muth fuͤrchte ich mich ſehr vor den kuͤnftigen Dienſtag, und vor den Fol- gen, die meine Standhaftigkeit an dieſem Tage haben kan. Denn ſtandhaft will ich gewiß ſeyn! Jch hoͤre ſie wollen alle Mittel verſuchen, um mich zum Weichen zu bringen: und ich will auch alle Mittel anweuden, dem zu entgehen, wozu ſie mich zwingen wollen. Ein unangenehmer Streit
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Die Geſchichte
etwas im Unwillen gethan, das mich nicht in ei-
ner halben Stunde gereuet hat: und gemeinig-
lich iſt es mir noch in kuͤrtzerer Zeit auf das
Hertz gefallen, ob ich recht oder unrecht daran ge-
than haͤtte.
Die Friſt bis auf den Dienſtag kan ich dazu
anwenden, daß ich recht um mich ſehe, und uͤber-
lege, was ich thun kan und ſoll: und Herrn Lo-
velaces Dreiſtigkeit wird vieles dazu beytragen,
daß ich deſto mehr bey mir ſelbſt bin. Jch glau-
be zwar nicht, daß ich meinen Abſcheu vor Herrn
Lovelace uͤberwinden kan: ich bin zum voraus
vom Gegentheil verſichert. Allein wer weiß,
ob mich die Meinigen nicht wieder lieb gewinnen,
und ihre Abſichten wegen Herrn Solmes nach
und nach fahren laſſen, wenn ich gaͤntzlich mit
Herrn Lovelace breche, und ihnen davon augen-
ſcheinliche Proben gebe? Solte ich nicht wenig-
ſtens ſicher ſeyn, bis der Obriſte Morden an-
koͤmmt? Jch gedencke nun um deſto mehr an ihn
zu ſchreiben, weil die Meinigen (wie Herr Lo-
velace verſichert) an ihn geſchrieben haben, und
ihn einzunehmen ſuchen.
Allein bey allem Muth fuͤrchte ich mich ſehr
vor den kuͤnftigen Dienſtag, und vor den Fol-
gen, die meine Standhaftigkeit an dieſem Tage
haben kan. Denn ſtandhaft will ich gewiß ſeyn!
Jch hoͤre ſie wollen alle Mittel verſuchen, um
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/212>, abgerufen am 21.11.2024.
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