träglich vorkam. Auch wollte dieser König ohne Königliche Großmuth die Heyrath nicht vollziehen, bis er sich auf dem Thron sahe, damit niemand dencken möchte, das Recht zu dem Throne stam- me von ihrer Seite her.
Jch habe schon sonst Verweise bekommen, und befürchte dergleichen von neuen, wegen der Frey- heit die ich mir in Beurtheilung Jhrer Anver- wandten herausnehme. Muß ich Jhnen aber erst sagen, mein Hertz, daß Hochmuth nothwendig die Verachtung anderer reitzet, und uns in anderer Urtheil herunter setzet? Haben wir nicht bey den Umständen eines berühmten Dichters be- merckt, daß diejenigen, welche mehr Ehre verlan- gen, als sie mit Recht haben können, auch die verdien- te Ehre verschertzen? Jch mag sie nicht gern be- trüben: ich kan aber von jenen eben so wenig, als von andern anders reden, als sie es verdienen. Ruhm und Verachtung ist der Lohn und die Straffe, welche die Welt auf Verdienste und Mangel des Verdienstes setzet: ich meines Theils will und kann beyde nicht miteinander ver- wechseln. Jch dencke an die Jhrigen mit Verach- tung, nur Jhre Mutter ausgenommen: Warlich, so dencke ich! und was sie anlanget - - doch aus Liebe zu Jhnen will ich diese arme Dame mit mei- nen Urtheilen verschonen. Eins ist, welches bey der jetzigen Zwistigkeit sie entschuldigen muß. Sie hat so viel Jahre, und mit so gäntzlicher Verläug- nung das getragen, was sie getragen hat, und ihren Willen aufgeopfert: daher kommt es
ihr
Die Geſchichte
traͤglich vorkam. Auch wollte dieſer Koͤnig ohne Koͤnigliche Großmuth die Heyrath nicht vollziehen, bis er ſich auf dem Thron ſahe, damit niemand dencken moͤchte, das Recht zu dem Throne ſtam- me von ihrer Seite her.
Jch habe ſchon ſonſt Verweiſe bekommen, und befuͤrchte dergleichen von neuen, wegen der Frey- heit die ich mir in Beurtheilung Jhrer Anver- wandten herausnehme. Muß ich Jhnen aber erſt ſagen, mein Hertz, daß Hochmuth nothwendig die Verachtung anderer reitzet, und uns in anderer Urtheil herunter ſetzet? Haben wir nicht bey den Umſtaͤnden eines beruͤhmten Dichters be- merckt, daß diejenigen, welche mehr Ehre verlan- gen, als ſie mit Recht haben koͤñen, auch die verdien- te Ehre verſchertzen? Jch mag ſie nicht gern be- truͤben: ich kan aber von jenen eben ſo wenig, als von andern anders reden, als ſie es verdienen. Ruhm und Verachtung iſt der Lohn und die Straffe, welche die Welt auf Verdienſte und Mangel des Verdienſtes ſetzet: ich meines Theils will und kann beyde nicht miteinander ver- wechſeln. Jch dencke an die Jhrigen mit Verach- tung, nur Jhre Mutter ausgenommen: Warlich, ſo dencke ich! und was ſie anlanget ‒ ‒ doch aus Liebe zu Jhnen will ich dieſe arme Dame mit mei- nen Urtheilen verſchonen. Eins iſt, welches bey der jetzigen Zwiſtigkeit ſie entſchuldigen muß. Sie hat ſo viel Jahre, und mit ſo gaͤntzlicher Verlaͤug- nung das getragen, was ſie getragen hat, und ihren Willen aufgeopfert: daher kommt es
ihr
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Die Geſchichte
traͤglich vorkam. Auch wollte dieſer Koͤnig ohne
Koͤnigliche Großmuth die Heyrath nicht vollziehen,
bis er ſich auf dem Thron ſahe, damit niemand
dencken moͤchte, das Recht zu dem Throne ſtam-
me von ihrer Seite her.
Jch habe ſchon ſonſt Verweiſe bekommen, und
befuͤrchte dergleichen von neuen, wegen der Frey-
heit die ich mir in Beurtheilung Jhrer Anver-
wandten herausnehme. Muß ich Jhnen aber erſt
ſagen, mein Hertz, daß Hochmuth nothwendig
die Verachtung anderer reitzet, und uns in
anderer Urtheil herunter ſetzet? Haben wir nicht
bey den Umſtaͤnden eines beruͤhmten Dichters be-
merckt, daß diejenigen, welche mehr Ehre verlan-
gen, als ſie mit Recht haben koͤñen, auch die verdien-
te Ehre verſchertzen? Jch mag ſie nicht gern be-
truͤben: ich kan aber von jenen eben ſo wenig, als
von andern anders reden, als ſie es verdienen.
Ruhm und Verachtung iſt der Lohn und die
Straffe, welche die Welt auf Verdienſte und
Mangel des Verdienſtes ſetzet: ich meines
Theils will und kann beyde nicht miteinander ver-
wechſeln. Jch dencke an die Jhrigen mit Verach-
tung, nur Jhre Mutter ausgenommen: Warlich,
ſo dencke ich! und was ſie anlanget ‒ ‒ doch aus
Liebe zu Jhnen will ich dieſe arme Dame mit mei-
nen Urtheilen verſchonen. Eins iſt, welches bey
der jetzigen Zwiſtigkeit ſie entſchuldigen muß. Sie
hat ſo viel Jahre, und mit ſo gaͤntzlicher Verlaͤug-
nung das getragen, was ſie getragen hat, und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/24>, abgerufen am 23.11.2024.
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