sabeth melden zu lassen, daß sie auf meiner Stu- be eine Tasse Thee trincken wollten. Jch glaub- te nun gewiß, daß ich durch nachdrückliche Er- mahnungen auf den künftigen Dienstag zuberei- tet werden würde.
Der Befehl, den Thee in Bereitschafft zu halten, ward wieder zurück genommen, und mein Onckle Harlowe kam allein.
Er war halb fremde und halb liebreich gegen seine Tochter; denn mit diesem Nahmen pfleg- te er mich sonst immer zu beehren. Jch warf mich zu seinen Füssen, und bat ihn, gütig gegen mich gesinnet zu seyn.
Keine solche wunderlichen Geberden, mein Kind, (sagte er) keine solche Furcht: Ein jeder ist gütig gegen sie gesinnet. Es kommt nun alles wieder in Ordnung, mein Hertz. Jch bin recht ungedultig gewesen, sie einmahl wieder zu sehen; und ich konnte mich dieses Vergnügens nicht länger berauben.
Mit diesen Worten hub er mich auf, küssete mich, und nannte mich ein allerliebstes Kind.
Er hütete sich recht mit Fleiß, nicht auf die Frage zu kommen, die mich so nahe anging. Es hieß nur: es wird alles gut werden! keine weitere Klagen! Jedermann hat sie lieb. Jch komme blos deswegen/ weil ich gern der erste seyn wollte/ der ihnen seine Aufwartung macht/ (dis waren seine allzuhöflichen Ausdrücke) und damit ich nach meiner Art von hundert angenehmen din-
gen
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der Clariſſa.
ſabeth melden zu laſſen, daß ſie auf meiner Stu- be eine Taſſe Thee trincken wollten. Jch glaub- te nun gewiß, daß ich durch nachdruͤckliche Er- mahnungen auf den kuͤnftigen Dienſtag zuberei- tet werden wuͤrde.
Der Befehl, den Thee in Bereitſchafft zu halten, ward wieder zuruͤck genommen, und mein Onckle Harlowe kam allein.
Er war halb fremde und halb liebreich gegen ſeine Tochter; denn mit dieſem Nahmen pfleg- te er mich ſonſt immer zu beehren. Jch warf mich zu ſeinen Fuͤſſen, und bat ihn, guͤtig gegen mich geſinnet zu ſeyn.
Keine ſolche wunderlichen Geberden, mein Kind, (ſagte er) keine ſolche Furcht: Ein jeder iſt guͤtig gegen ſie geſinnet. Es kommt nun alles wieder in Ordnung, mein Hertz. Jch bin recht ungedultig geweſen, ſie einmahl wieder zu ſehen; und ich konnte mich dieſes Vergnuͤgens nicht laͤnger berauben.
Mit dieſen Worten hub er mich auf, kuͤſſete mich, und nannte mich ein allerliebſtes Kind.
Er huͤtete ſich recht mit Fleiß, nicht auf die Frage zu kommen, die mich ſo nahe anging. Es hieß nur: es wird alles gut werden! keine weitere Klagen! Jedermann hat ſie lieb. Jch komme blos deswegen/ weil ich gern der erſte ſeyn wollte/ der ihnen ſeine Aufwartung macht/ (dis waren ſeine allzuhoͤflichen Ausdruͤcke) und damit ich nach meiner Art von hundert angenehmen din-
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der Clariſſa.
ſabeth melden zu laſſen, daß ſie auf meiner Stu-
be eine Taſſe Thee trincken wollten. Jch glaub-
te nun gewiß, daß ich durch nachdruͤckliche Er-
mahnungen auf den kuͤnftigen Dienſtag zuberei-
tet werden wuͤrde.
Der Befehl, den Thee in Bereitſchafft zu
halten, ward wieder zuruͤck genommen, und
mein Onckle Harlowe kam allein.
Er war halb fremde und halb liebreich gegen
ſeine Tochter; denn mit dieſem Nahmen pfleg-
te er mich ſonſt immer zu beehren. Jch warf
mich zu ſeinen Fuͤſſen, und bat ihn, guͤtig gegen
mich geſinnet zu ſeyn.
Keine ſolche wunderlichen Geberden, mein
Kind, (ſagte er) keine ſolche Furcht: Ein jeder
iſt guͤtig gegen ſie geſinnet. Es kommt nun
alles wieder in Ordnung, mein Hertz. Jch bin
recht ungedultig geweſen, ſie einmahl wieder zu
ſehen; und ich konnte mich dieſes Vergnuͤgens
nicht laͤnger berauben.
Mit dieſen Worten hub er mich auf, kuͤſſete
mich, und nannte mich ein allerliebſtes Kind.
Er huͤtete ſich recht mit Fleiß, nicht auf die
Frage zu kommen, die mich ſo nahe anging.
Es hieß nur: es wird alles gut werden!
keine weitere Klagen! Jedermann hat ſie
lieb. Jch komme blos deswegen/ weil
ich gern der erſte ſeyn wollte/ der ihnen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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