gesagt, als daraus man meine Werthachtung ge- gen sie wahrnehmen kan, daß ich nemlich nicht nachlassen wollte, so lange ich mir noch die ge- ringste Hoffnung machen könnte.
Jch habe in der That vieles zu ihrem Nach- theil gehört, Herr Solmes; und die Worte gefielen mir auch nicht, die ich im vorbeygehen aus ihrem eigenen Munde hörte. Allein da sie mich nichts angehen, und mich nie etwas an- gehen werden, so habe ich mich um das eine so wenig als um das andere bekümmert.
Jch bin betrübt, dergleichen von ihnen zu hö- ren. Sie sollten mir nichts von Fehlern sagen, gnädige Fräulein, wenn sie mich nicht lehren wollen, sie zu verbessern.
Wohlan, mein Herr, verbessern sie diesen ei- nen Fehler: verlangen sie nicht, daß ein junges Frauenzimmer um solcher Ursachen willen, die ihr verächtlich vorkommen, in der allerwichtig- sten Sache ihrer Freyheit beraubet, und gezwun- gen wird eine Person zu lieben, die sie nimmer leiden kan: ein Frauenzimmer, das wenigstens das Recht hat, sich höher zu schätzen als alle die vortheilhafften Bedingungen, dafür man sie ver- kauffen will; und die ein Hertz hat, das nicht mehr verlanget als was nöthig ist in diesem Le- ben vergnügt und glücklich zu seyn.
Jch kan nicht begreiffen, Fräulein, wie sie glücklich seyn könnten, wenn ich von meiner Bit- te abstehen wollte. Denn - -
Das gehet sie nichts an, (unterbrach ich ihn)
geben
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der Clariſſa.
geſagt, als daraus man meine Werthachtung ge- gen ſie wahrnehmen kan, daß ich nemlich nicht nachlaſſen wollte, ſo lange ich mir noch die ge- ringſte Hoffnung machen koͤnnte.
Jch habe in der That vieles zu ihrem Nach- theil gehoͤrt, Herr Solmes; und die Worte gefielen mir auch nicht, die ich im vorbeygehen aus ihrem eigenen Munde hoͤrte. Allein da ſie mich nichts angehen, und mich nie etwas an- gehen werden, ſo habe ich mich um das eine ſo wenig als um das andere bekuͤmmert.
Jch bin betruͤbt, dergleichen von ihnen zu hoͤ- ren. Sie ſollten mir nichts von Fehlern ſagen, gnaͤdige Fraͤulein, wenn ſie mich nicht lehren wollen, ſie zu verbeſſern.
Wohlan, mein Herr, verbeſſern ſie dieſen ei- nen Fehler: verlangen ſie nicht, daß ein junges Frauenzimmer um ſolcher Urſachen willen, die ihr veraͤchtlich vorkommen, in der allerwichtig- ſten Sache ihrer Freyheit beraubet, und gezwun- gen wird eine Perſon zu lieben, die ſie nimmer leiden kan: ein Frauenzimmer, das wenigſtens das Recht hat, ſich hoͤher zu ſchaͤtzen als alle die vortheilhafften Bedingungen, dafuͤr man ſie ver- kauffen will; und die ein Hertz hat, das nicht mehr verlanget als was noͤthig iſt in dieſem Le- ben vergnuͤgt und gluͤcklich zu ſeyn.
Jch kan nicht begreiffen, Fraͤulein, wie ſie gluͤcklich ſeyn koͤnnten, wenn ich von meiner Bit- te abſtehen wollte. Denn ‒ ‒
Das gehet ſie nichts an, (unterbrach ich ihn)
geben
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der Clariſſa.
geſagt, als daraus man meine Werthachtung ge-
gen ſie wahrnehmen kan, daß ich nemlich nicht
nachlaſſen wollte, ſo lange ich mir noch die ge-
ringſte Hoffnung machen koͤnnte.
Jch habe in der That vieles zu ihrem Nach-
theil gehoͤrt, Herr Solmes; und die Worte
gefielen mir auch nicht, die ich im vorbeygehen
aus ihrem eigenen Munde hoͤrte. Allein da
ſie mich nichts angehen, und mich nie etwas an-
gehen werden, ſo habe ich mich um das eine ſo
wenig als um das andere bekuͤmmert.
Jch bin betruͤbt, dergleichen von ihnen zu hoͤ-
ren. Sie ſollten mir nichts von Fehlern ſagen,
gnaͤdige Fraͤulein, wenn ſie mich nicht lehren
wollen, ſie zu verbeſſern.
Wohlan, mein Herr, verbeſſern ſie dieſen ei-
nen Fehler: verlangen ſie nicht, daß ein junges
Frauenzimmer um ſolcher Urſachen willen, die
ihr veraͤchtlich vorkommen, in der allerwichtig-
ſten Sache ihrer Freyheit beraubet, und gezwun-
gen wird eine Perſon zu lieben, die ſie nimmer
leiden kan: ein Frauenzimmer, das wenigſtens
das Recht hat, ſich hoͤher zu ſchaͤtzen als alle die
vortheilhafften Bedingungen, dafuͤr man ſie ver-
kauffen will; und die ein Hertz hat, das nicht
mehr verlanget als was noͤthig iſt in dieſem Le-
ben vergnuͤgt und gluͤcklich zu ſeyn.
Jch kan nicht begreiffen, Fraͤulein, wie ſie
gluͤcklich ſeyn koͤnnten, wenn ich von meiner Bit-
te abſtehen wollte. Denn ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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