Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
er, und richtete mein niedergeschlagenes Gesichte
auf.) Hier so viel Annehmlichkeit, und da (er
fassete auf meinen Nacken) so viel Hartnäckig-
keit! du hast recht das Hertz der Weiber, ob du
gleich noch so jung bist. - - Allein wisset es,
euren Bösewicht solt ihr nicht haben: (dis wisper-
te er mir laut in die Ohren, als wenn er in
Gegenwart des Solmes halb anständig und
halb unanständig zu handeln suchte.) Jhr solt
von ihm errettet werden, und dieser rechtschaf-
fene Herr (mit lauter Stimme) will eur Schutz-
Engel seyn, und euch vor eurem Verderben be-
wahren. Jhr werdet ihm noch dancken, oder
doch Ursache haben dafür zu dancken, daß er sich
so herabgelassen hat. (Der artige Ausdruck
meines unmenschlichen Bruders!)

Er hatte mich indessen bis zu Herrn Sol-
mes
geführet. Er ergrif dieses seine Hand,
und behielt die meinige: hier, mein Herr, neh-
men sie die Hand der rebellischen Tochter an.
Jch gebe sie ihnen heute, und binnen einer Wo-
che soll sie selbst diese Schenckung bekräfftigen;
oder sie soll weder Vater, noch Mutter noch
Onckles haben.

Jch entriß ihm die Hand.

Wie nun Fräulein.

Wie nun, Juncker? Was habt ihr für Recht,
meine Hand zu verschencken? Wenn ihr sonst
allen befehlet, so sollt ihr mir doch nicht befehlen;
und zwar am wenigsten in einer Sache, die mich

un-

der Clariſſa.
er, und richtete mein niedergeſchlagenes Geſichte
auf.) Hier ſo viel Annehmlichkeit, und da (er
faſſete auf meinen Nacken) ſo viel Hartnaͤckig-
keit! du haſt recht das Hertz der Weiber, ob du
gleich noch ſo jung biſt. ‒ ‒ Allein wiſſet es,
euren Boͤſewicht ſolt ihr nicht haben: (dis wiſper-
te er mir laut in die Ohren, als wenn er in
Gegenwart des Solmes halb anſtaͤndig und
halb unanſtaͤndig zu handeln ſuchte.) Jhr ſolt
von ihm errettet werden, und dieſer rechtſchaf-
fene Herr (mit lauter Stimme) will eur Schutz-
Engel ſeyn, und euch vor eurem Verderben be-
wahren. Jhr werdet ihm noch dancken, oder
doch Urſache haben dafuͤr zu dancken, daß er ſich
ſo herabgelaſſen hat. (Der artige Ausdruck
meines unmenſchlichen Bruders!)

Er hatte mich indeſſen bis zu Herrn Sol-
mes
gefuͤhret. Er ergrif dieſes ſeine Hand,
und behielt die meinige: hier, mein Herr, neh-
men ſie die Hand der rebelliſchen Tochter an.
Jch gebe ſie ihnen heute, und binnen einer Wo-
che ſoll ſie ſelbſt dieſe Schenckung bekraͤfftigen;
oder ſie ſoll weder Vater, noch Mutter noch
Onckles haben.

Jch entriß ihm die Hand.

Wie nun Fraͤulein.

Wie nun, Juncker? Was habt ihr fuͤr Recht,
meine Hand zu verſchencken? Wenn ihr ſonſt
allen befehlet, ſo ſollt ihr mir doch nicht befehlen;
und zwar am wenigſten in einer Sache, die mich

un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0323" n="317"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
er, und richtete mein niederge&#x017F;chlagenes Ge&#x017F;ichte<lb/>
auf.) Hier &#x017F;o viel Annehmlichkeit, und da (er<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ete auf meinen Nacken) &#x017F;o viel Hartna&#x0364;ckig-<lb/>
keit! du ha&#x017F;t recht das Hertz der Weiber, ob du<lb/>
gleich noch &#x017F;o jung bi&#x017F;t. &#x2012; &#x2012; Allein wi&#x017F;&#x017F;et es,<lb/>
euren Bo&#x0364;&#x017F;ewicht &#x017F;olt ihr nicht haben: (dis wi&#x017F;per-<lb/>
te er mir laut in die Ohren, als wenn er in<lb/>
Gegenwart des <hi rendition="#fr">Solmes</hi> halb an&#x017F;ta&#x0364;ndig und<lb/>
halb unan&#x017F;ta&#x0364;ndig zu handeln &#x017F;uchte.) Jhr &#x017F;olt<lb/>
von ihm errettet werden, und die&#x017F;er recht&#x017F;chaf-<lb/>
fene Herr (mit lauter Stimme) will eur Schutz-<lb/>
Engel &#x017F;eyn, und euch vor eurem Verderben be-<lb/>
wahren. Jhr werdet ihm noch dancken, oder<lb/>
doch Ur&#x017F;ache haben dafu&#x0364;r zu dancken, daß er &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#fr">herabgela&#x017F;&#x017F;en</hi> hat. (Der artige Ausdruck<lb/>
meines unmen&#x017F;chlichen Bruders!)</p><lb/>
          <p>Er hatte mich inde&#x017F;&#x017F;en bis zu Herrn <hi rendition="#fr">Sol-<lb/>
mes</hi> gefu&#x0364;hret. Er ergrif die&#x017F;es &#x017F;eine Hand,<lb/>
und behielt die meinige: hier, mein Herr, neh-<lb/>
men &#x017F;ie die Hand der rebelli&#x017F;chen Tochter an.<lb/>
Jch gebe &#x017F;ie ihnen heute, und binnen einer Wo-<lb/>
che &#x017F;oll &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e Schenckung bekra&#x0364;fftigen;<lb/>
oder &#x017F;ie &#x017F;oll weder Vater, noch Mutter noch<lb/>
Onckles haben.</p><lb/>
          <p>Jch entriß ihm die Hand.</p><lb/>
          <p>Wie nun Fra&#x0364;ulein.</p><lb/>
          <p>Wie nun, Juncker? Was habt ihr fu&#x0364;r Recht,<lb/>
meine Hand zu ver&#x017F;chencken? Wenn ihr &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
allen befehlet, &#x017F;o &#x017F;ollt ihr mir doch nicht befehlen;<lb/>
und zwar am wenig&#x017F;ten in einer Sache, die mich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">un-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0323] der Clariſſa. er, und richtete mein niedergeſchlagenes Geſichte auf.) Hier ſo viel Annehmlichkeit, und da (er faſſete auf meinen Nacken) ſo viel Hartnaͤckig- keit! du haſt recht das Hertz der Weiber, ob du gleich noch ſo jung biſt. ‒ ‒ Allein wiſſet es, euren Boͤſewicht ſolt ihr nicht haben: (dis wiſper- te er mir laut in die Ohren, als wenn er in Gegenwart des Solmes halb anſtaͤndig und halb unanſtaͤndig zu handeln ſuchte.) Jhr ſolt von ihm errettet werden, und dieſer rechtſchaf- fene Herr (mit lauter Stimme) will eur Schutz- Engel ſeyn, und euch vor eurem Verderben be- wahren. Jhr werdet ihm noch dancken, oder doch Urſache haben dafuͤr zu dancken, daß er ſich ſo herabgelaſſen hat. (Der artige Ausdruck meines unmenſchlichen Bruders!) Er hatte mich indeſſen bis zu Herrn Sol- mes gefuͤhret. Er ergrif dieſes ſeine Hand, und behielt die meinige: hier, mein Herr, neh- men ſie die Hand der rebelliſchen Tochter an. Jch gebe ſie ihnen heute, und binnen einer Wo- che ſoll ſie ſelbſt dieſe Schenckung bekraͤfftigen; oder ſie ſoll weder Vater, noch Mutter noch Onckles haben. Jch entriß ihm die Hand. Wie nun Fraͤulein. Wie nun, Juncker? Was habt ihr fuͤr Recht, meine Hand zu verſchencken? Wenn ihr ſonſt allen befehlet, ſo ſollt ihr mir doch nicht befehlen; und zwar am wenigſten in einer Sache, die mich un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/323
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/323>, abgerufen am 17.09.2024.