meinen Brief an diesen Mann. Die Aufschrift ist, An Juncker Roger Solmes: der Anfang: Hochzuehrender Herr - -
Mit Erlaubnis, mein Herr, (sagte ich) war- um soll mir der Brief vorgelesen werden?
Damit sie erfahren, in was für einen abscheu- lichen Menschen man sie für verliebt hält: sagte mir mein Onckle laut genug in die Ohren.
Wenn man glaubt, daß ich in einen andern verliebt bin, was hat sich denn Herr Solmes noch für Mühe meinetwegen zu geben?
Hören sie doch nur, (sagte meine Base) sie können ja anhören, was ihnen Herr Solmes vorzulesen und zu sagen hat.
Wenn Herr Solmes so gütig seyn will, eine Erklärung von sich zu stellen, daß er hiebey kei- ne Absicht hat die ihn selbst anbetrift, so will ich alles anhören. Wenn er aber eigene Absichten hat, so werden sie mir nicht leugnen können, daß alles, was er vorbringen möchte, ein gros- ses an der Glaubwürdigkeit verliehret.
Hören sie es nur an: sagte meine Base.
Hören sie es nur an: sagte mein Onckle: sie sind allzugeneigt, die Parthey eines gewissen Menschen zu nehmen, der - -
Eines jeden Menschen, der aus eigennützigen Absichten angeklagt wird, und dessen Ankläger sich nicht nennen will.
Er fing an zu lesen: und es schien der Brief eine gantze Last von Beschuldigungen gegen den armen Beklagten zu enthalten. Jch fiel ihm
aber
Die Geſchichte
meinen Brief an dieſen Mann. Die Aufſchrift iſt, An Juncker Roger Solmes: der Anfang: Hochzuehrender Herr ‒ ‒
Mit Erlaubnis, mein Herr, (ſagte ich) war- um ſoll mir der Brief vorgeleſen werden?
Damit ſie erfahren, in was fuͤr einen abſcheu- lichen Menſchen man ſie fuͤr verliebt haͤlt: ſagte mir mein Onckle laut genug in die Ohren.
Wenn man glaubt, daß ich in einen andern verliebt bin, was hat ſich denn Herr Solmes noch fuͤr Muͤhe meinetwegen zu geben?
Hoͤren ſie doch nur, (ſagte meine Baſe) ſie koͤnnen ja anhoͤren, was ihnen Herr Solmes vorzuleſen und zu ſagen hat.
Wenn Herr Solmes ſo guͤtig ſeyn will, eine Erklaͤrung von ſich zu ſtellen, daß er hiebey kei- ne Abſicht hat die ihn ſelbſt anbetrift, ſo will ich alles anhoͤren. Wenn er aber eigene Abſichten hat, ſo werden ſie mir nicht leugnen koͤnnen, daß alles, was er vorbringen moͤchte, ein groſ- ſes an der Glaubwuͤrdigkeit verliehret.
Hoͤren ſie es nur an: ſagte meine Baſe.
Hoͤren ſie es nur an: ſagte mein Onckle: ſie ſind allzugeneigt, die Parthey eines gewiſſen Menſchen zu nehmen, der ‒ ‒
Eines jeden Menſchen, der aus eigennuͤtzigen Abſichten angeklagt wird, und deſſen Anklaͤger ſich nicht nennen will.
Er fing an zu leſen: und es ſchien der Brief eine gantze Laſt von Beſchuldigungen gegen den armen Beklagten zu enthalten. Jch fiel ihm
aber
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Die Geſchichte
meinen Brief an dieſen Mann. Die Aufſchrift
iſt, An Juncker Roger Solmes: der Anfang:
Hochzuehrender Herr ‒ ‒
Mit Erlaubnis, mein Herr, (ſagte ich) war-
um ſoll mir der Brief vorgeleſen werden?
Damit ſie erfahren, in was fuͤr einen abſcheu-
lichen Menſchen man ſie fuͤr verliebt haͤlt: ſagte
mir mein Onckle laut genug in die Ohren.
Wenn man glaubt, daß ich in einen andern
verliebt bin, was hat ſich denn Herr Solmes
noch fuͤr Muͤhe meinetwegen zu geben?
Hoͤren ſie doch nur, (ſagte meine Baſe) ſie
koͤnnen ja anhoͤren, was ihnen Herr Solmes
vorzuleſen und zu ſagen hat.
Wenn Herr Solmes ſo guͤtig ſeyn will, eine
Erklaͤrung von ſich zu ſtellen, daß er hiebey kei-
ne Abſicht hat die ihn ſelbſt anbetrift, ſo will ich
alles anhoͤren. Wenn er aber eigene Abſichten
hat, ſo werden ſie mir nicht leugnen koͤnnen,
daß alles, was er vorbringen moͤchte, ein groſ-
ſes an der Glaubwuͤrdigkeit verliehret.
Hoͤren ſie es nur an: ſagte meine Baſe.
Hoͤren ſie es nur an: ſagte mein Onckle: ſie
ſind allzugeneigt, die Parthey eines gewiſſen
Menſchen zu nehmen, der ‒ ‒
Eines jeden Menſchen, der aus eigennuͤtzigen
Abſichten angeklagt wird, und deſſen Anklaͤger
ſich nicht nennen will.
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eine gantze Laſt von Beſchuldigungen gegen den
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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