Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschichte

Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm)
darauf könnte er sich verlassen.

Er sagte: seine Geduld, sein Warten, sein
Leiden würde reichlich genug belohnet seyn.

Und das (sprach ich) auf meine Unkosten[?]
und mit dem Verlust alles dessen, was ich Glück-
seeligkeit nennen kan?

Er hoffete, ich würde mich zu andern Gedan-
cken bringen lassen. Er wollte von seinem Ver-
mögen, von den Verschreibungen, von seiner Lie-
be zu mir reden, und versichern, daß noch nie
eine Mannsperson ein Frauenzimmer aufrichti-
ger geliebet hätte, als er mich.

Von dem ersten Stück verbat ich etwas zu
hören. Jn Absicht auf seine aufrichtige Liebe
antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem
jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih-
nen die Versicherung giebt, daß es niemand mit
grösserem und aufrichtigerm Misvergnügen und
Abneigung ansehen kan, als eben sie? Was kön-
nen sie für Gründe anführen, die ich nicht in
dieser der Wahrheit gemässen Erklärung schon
zum voraus beantwortet habe?

Liebste Fräulein, was kan ich sagen? Jch bit-
te sie auf meinen Knien - - Hiemit fiel der gar-
stige Mensch auf die Knie.

Lassen sie mich nicht vergeblich knien. Ver-
achten sie mich nicht so sehr - - Er sahe recht
eckelhaft betrübt aus.

Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr
oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl

knien
Die Geſchichte

Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm)
darauf koͤnnte er ſich verlaſſen.

Er ſagte: ſeine Geduld, ſein Warten, ſein
Leiden wuͤrde reichlich genug belohnet ſeyn.

Und das (ſprach ich) auf meine Unkoſten[?]
und mit dem Verluſt alles deſſen, was ich Gluͤck-
ſeeligkeit nennen kan?

Er hoffete, ich wuͤrde mich zu andern Gedan-
cken bringen laſſen. Er wollte von ſeinem Ver-
moͤgen, von den Verſchreibungen, von ſeiner Lie-
be zu mir reden, und verſichern, daß noch nie
eine Mannsperſon ein Frauenzimmer aufrichti-
ger geliebet haͤtte, als er mich.

Von dem erſten Stuͤck verbat ich etwas zu
hoͤren. Jn Abſicht auf ſeine aufrichtige Liebe
antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem
jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih-
nen die Verſicherung giebt, daß es niemand mit
groͤſſerem und aufrichtigerm Misvergnuͤgen und
Abneigung anſehen kan, als eben ſie? Was koͤn-
nen ſie fuͤr Gruͤnde anfuͤhren, die ich nicht in
dieſer der Wahrheit gemaͤſſen Erklaͤrung ſchon
zum voraus beantwortet habe?

Liebſte Fraͤulein, was kan ich ſagen? Jch bit-
te ſie auf meinen Knien ‒ ‒ Hiemit fiel der gar-
ſtige Menſch auf die Knie.

Laſſen ſie mich nicht vergeblich knien. Ver-
achten ſie mich nicht ſo ſehr ‒ ‒ Er ſahe recht
eckelhaft betruͤbt aus.

Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr
oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl

knien
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0362" n="356"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/>
          <p>Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm)<lb/>
darauf ko&#x0364;nnte er &#x017F;ich verla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte: &#x017F;eine Geduld, &#x017F;ein Warten, &#x017F;ein<lb/>
Leiden wu&#x0364;rde reichlich genug belohnet &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Und das (&#x017F;prach ich) <hi rendition="#fr">auf meine Unko&#x017F;ten<supplied>?</supplied></hi><lb/>
und mit dem Verlu&#x017F;t alles de&#x017F;&#x017F;en, was ich Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eeligkeit nennen kan?</p><lb/>
          <p>Er hoffete, ich wu&#x0364;rde mich zu andern Gedan-<lb/>
cken bringen la&#x017F;&#x017F;en. Er wollte von &#x017F;einem Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, von den Ver&#x017F;chreibungen, von &#x017F;einer Lie-<lb/>
be zu mir reden, und ver&#x017F;ichern, daß noch nie<lb/>
eine Mannsper&#x017F;on ein Frauenzimmer aufrichti-<lb/>
ger geliebet ha&#x0364;tte, als er mich.</p><lb/>
          <p>Von dem er&#x017F;ten Stu&#x0364;ck verbat ich etwas zu<lb/>
ho&#x0364;ren. Jn Ab&#x017F;icht auf &#x017F;eine aufrichtige Liebe<lb/>
antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem<lb/>
jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih-<lb/>
nen die Ver&#x017F;icherung giebt, daß es niemand mit<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem und aufrichtigerm Misvergnu&#x0364;gen und<lb/>
Abneigung an&#x017F;ehen kan, als eben &#x017F;ie? Was ko&#x0364;n-<lb/>
nen &#x017F;ie fu&#x0364;r Gru&#x0364;nde anfu&#x0364;hren, die ich nicht in<lb/>
die&#x017F;er der Wahrheit gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Erkla&#x0364;rung &#x017F;chon<lb/>
zum voraus beantwortet habe?</p><lb/>
          <p>Lieb&#x017F;te Fra&#x0364;ulein, was kan ich &#x017F;agen? Jch bit-<lb/>
te &#x017F;ie auf meinen Knien &#x2012; &#x2012; Hiemit fiel der gar-<lb/>
&#x017F;tige Men&#x017F;ch auf die Knie.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich nicht vergeblich knien. Ver-<lb/>
achten &#x017F;ie mich nicht &#x017F;o &#x017F;ehr &#x2012; &#x2012; Er &#x017F;ahe recht<lb/>
eckelhaft betru&#x0364;bt aus.</p><lb/>
          <p>Jch habe auch gekniet, Herr <hi rendition="#fr">Solmes.</hi> Sehr<lb/>
oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">knien</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0362] Die Geſchichte Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm) darauf koͤnnte er ſich verlaſſen. Er ſagte: ſeine Geduld, ſein Warten, ſein Leiden wuͤrde reichlich genug belohnet ſeyn. Und das (ſprach ich) auf meine Unkoſten? und mit dem Verluſt alles deſſen, was ich Gluͤck- ſeeligkeit nennen kan? Er hoffete, ich wuͤrde mich zu andern Gedan- cken bringen laſſen. Er wollte von ſeinem Ver- moͤgen, von den Verſchreibungen, von ſeiner Lie- be zu mir reden, und verſichern, daß noch nie eine Mannsperſon ein Frauenzimmer aufrichti- ger geliebet haͤtte, als er mich. Von dem erſten Stuͤck verbat ich etwas zu hoͤren. Jn Abſicht auf ſeine aufrichtige Liebe antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih- nen die Verſicherung giebt, daß es niemand mit groͤſſerem und aufrichtigerm Misvergnuͤgen und Abneigung anſehen kan, als eben ſie? Was koͤn- nen ſie fuͤr Gruͤnde anfuͤhren, die ich nicht in dieſer der Wahrheit gemaͤſſen Erklaͤrung ſchon zum voraus beantwortet habe? Liebſte Fraͤulein, was kan ich ſagen? Jch bit- te ſie auf meinen Knien ‒ ‒ Hiemit fiel der gar- ſtige Menſch auf die Knie. Laſſen ſie mich nicht vergeblich knien. Ver- achten ſie mich nicht ſo ſehr ‒ ‒ Er ſahe recht eckelhaft betruͤbt aus. Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl knien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/362
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/362>, abgerufen am 22.11.2024.