Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm) darauf könnte er sich verlassen.
Er sagte: seine Geduld, sein Warten, sein Leiden würde reichlich genug belohnet seyn.
Und das (sprach ich) auf meine Unkosten[?] und mit dem Verlust alles dessen, was ich Glück- seeligkeit nennen kan?
Er hoffete, ich würde mich zu andern Gedan- cken bringen lassen. Er wollte von seinem Ver- mögen, von den Verschreibungen, von seiner Lie- be zu mir reden, und versichern, daß noch nie eine Mannsperson ein Frauenzimmer aufrichti- ger geliebet hätte, als er mich.
Von dem ersten Stück verbat ich etwas zu hören. Jn Absicht auf seine aufrichtige Liebe antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih- nen die Versicherung giebt, daß es niemand mit grösserem und aufrichtigerm Misvergnügen und Abneigung ansehen kan, als eben sie? Was kön- nen sie für Gründe anführen, die ich nicht in dieser der Wahrheit gemässen Erklärung schon zum voraus beantwortet habe?
Liebste Fräulein, was kan ich sagen? Jch bit- te sie auf meinen Knien - - Hiemit fiel der gar- stige Mensch auf die Knie.
Lassen sie mich nicht vergeblich knien. Ver- achten sie mich nicht so sehr - - Er sahe recht eckelhaft betrübt aus.
Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl
knien
Die Geſchichte
Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm) darauf koͤnnte er ſich verlaſſen.
Und das (ſprach ich) auf meine Unkoſten[?] und mit dem Verluſt alles deſſen, was ich Gluͤck- ſeeligkeit nennen kan?
Er hoffete, ich wuͤrde mich zu andern Gedan- cken bringen laſſen. Er wollte von ſeinem Ver- moͤgen, von den Verſchreibungen, von ſeiner Lie- be zu mir reden, und verſichern, daß noch nie eine Mannsperſon ein Frauenzimmer aufrichti- ger geliebet haͤtte, als er mich.
Von dem erſten Stuͤck verbat ich etwas zu hoͤren. Jn Abſicht auf ſeine aufrichtige Liebe antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih- nen die Verſicherung giebt, daß es niemand mit groͤſſerem und aufrichtigerm Misvergnuͤgen und Abneigung anſehen kan, als eben ſie? Was koͤn- nen ſie fuͤr Gruͤnde anfuͤhren, die ich nicht in dieſer der Wahrheit gemaͤſſen Erklaͤrung ſchon zum voraus beantwortet habe?
Liebſte Fraͤulein, was kan ich ſagen? Jch bit- te ſie auf meinen Knien ‒ ‒ Hiemit fiel der gar- ſtige Menſch auf die Knie.
Laſſen ſie mich nicht vergeblich knien. Ver- achten ſie mich nicht ſo ſehr ‒ ‒ Er ſahe recht eckelhaft betruͤbt aus.
Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl
knien
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0362"n="356"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><p>Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm)<lb/>
darauf koͤnnte er ſich verlaſſen.</p><lb/><p>Er ſagte: ſeine Geduld, ſein Warten, ſein<lb/>
Leiden wuͤrde reichlich genug belohnet ſeyn.</p><lb/><p>Und das (ſprach ich) <hirendition="#fr">auf meine Unkoſten<supplied>?</supplied></hi><lb/>
und mit dem Verluſt alles deſſen, was ich Gluͤck-<lb/>ſeeligkeit nennen kan?</p><lb/><p>Er hoffete, ich wuͤrde mich zu andern Gedan-<lb/>
cken bringen laſſen. Er wollte von ſeinem Ver-<lb/>
moͤgen, von den Verſchreibungen, von ſeiner Lie-<lb/>
be zu mir reden, und verſichern, daß noch nie<lb/>
eine Mannsperſon ein Frauenzimmer aufrichti-<lb/>
ger geliebet haͤtte, als er mich.</p><lb/><p>Von dem erſten Stuͤck verbat ich etwas zu<lb/>
hoͤren. Jn Abſicht auf ſeine aufrichtige Liebe<lb/>
antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem<lb/>
jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih-<lb/>
nen die Verſicherung giebt, daß es niemand mit<lb/>
groͤſſerem und aufrichtigerm Misvergnuͤgen und<lb/>
Abneigung anſehen kan, als eben ſie? Was koͤn-<lb/>
nen ſie fuͤr Gruͤnde anfuͤhren, die ich nicht in<lb/>
dieſer der Wahrheit gemaͤſſen Erklaͤrung ſchon<lb/>
zum voraus beantwortet habe?</p><lb/><p>Liebſte Fraͤulein, was kan ich ſagen? Jch bit-<lb/>
te ſie auf meinen Knien ‒‒ Hiemit fiel der gar-<lb/>ſtige Menſch auf die Knie.</p><lb/><p>Laſſen ſie mich nicht vergeblich knien. Ver-<lb/>
achten ſie mich nicht ſo ſehr ‒‒ Er ſahe recht<lb/>
eckelhaft betruͤbt aus.</p><lb/><p>Jch habe auch gekniet, Herr <hirendition="#fr">Solmes.</hi> Sehr<lb/>
oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl<lb/><fwplace="bottom"type="catch">knien</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0362]
Die Geſchichte
Niemahls! niemahls! (antwortete ich ihm)
darauf koͤnnte er ſich verlaſſen.
Er ſagte: ſeine Geduld, ſein Warten, ſein
Leiden wuͤrde reichlich genug belohnet ſeyn.
Und das (ſprach ich) auf meine Unkoſten?
und mit dem Verluſt alles deſſen, was ich Gluͤck-
ſeeligkeit nennen kan?
Er hoffete, ich wuͤrde mich zu andern Gedan-
cken bringen laſſen. Er wollte von ſeinem Ver-
moͤgen, von den Verſchreibungen, von ſeiner Lie-
be zu mir reden, und verſichern, daß noch nie
eine Mannsperſon ein Frauenzimmer aufrichti-
ger geliebet haͤtte, als er mich.
Von dem erſten Stuͤck verbat ich etwas zu
hoͤren. Jn Abſicht auf ſeine aufrichtige Liebe
antwortete ich: was kan aus ihrer Liebe zu einem
jungen Frauenzimmer heraus kommen, das ih-
nen die Verſicherung giebt, daß es niemand mit
groͤſſerem und aufrichtigerm Misvergnuͤgen und
Abneigung anſehen kan, als eben ſie? Was koͤn-
nen ſie fuͤr Gruͤnde anfuͤhren, die ich nicht in
dieſer der Wahrheit gemaͤſſen Erklaͤrung ſchon
zum voraus beantwortet habe?
Liebſte Fraͤulein, was kan ich ſagen? Jch bit-
te ſie auf meinen Knien ‒ ‒ Hiemit fiel der gar-
ſtige Menſch auf die Knie.
Laſſen ſie mich nicht vergeblich knien. Ver-
achten ſie mich nicht ſo ſehr ‒ ‒ Er ſahe recht
eckelhaft betruͤbt aus.
Jch habe auch gekniet, Herr Solmes. Sehr
oft habe ich gekniet. Jch will noch einmahl
knien
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/362>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.