Ehestandes, und hat Absichten wider ihre Eh- re, wenn er jemahls - - -
Niederträchtiger Ankläger! (sagte ich, da mich der Unwille übernahm) Er hat keine solche Ab- sichten. Er darf sich nicht unterstehen, sie zu haben. Allein sie haben dergleichen Absichten: denn ein freyes Gemüth schätzt es sich für keine Ehre, wenn es sich soll zwingen lassen. (Jch riß auch meine Hand von meinem Bruder los, der sie Herrn Solmes geben wollte.)
O du ungestümes Ding, sagte mein Bruder. Allein, nur nicht so gleich weggegangen! (denn ich war im Begriff wegzugehen.
Jch suchte mich von ihm los zu machen, und sagte: was soll das, daß ihr mich wider meinen Willen haltet.
Jhr sollt nicht weggehen, Ungestüme? sagte mein Bruder, und schlug seine Arme, die ich nicht für Arme eines Bruders halten konnte, um mich.
So laßt Herrn Solmes weggehen. Was haltet ihr mich so? Um euer selbst willen wün- sche ich, daß er nicht sehen möge, wie unmensch- lich ein Bruder mit einer Schwester umgehen kan, ohne daß sie es verdient.
Jch brauchte alle Kräffte mich von ihm los- zureissen, und er muste meine Hand fahren las- sen. Er that es mit den Worten: Lauf hin, du Furie! Wie starck ist der Wille des Men- schen: Es ist nicht möglich, sie zu halten!
Jch
Die Geſchichte
Eheſtandes, und hat Abſichten wider ihre Eh- re, wenn er jemahls ‒ ‒ ‒
Niedertraͤchtiger Anklaͤger! (ſagte ich, da mich der Unwille uͤbernahm) Er hat keine ſolche Ab- ſichten. Er darf ſich nicht unterſtehen, ſie zu haben. Allein ſie haben dergleichen Abſichten: denn ein freyes Gemuͤth ſchaͤtzt es ſich fuͤr keine Ehre, wenn es ſich ſoll zwingen laſſen. (Jch riß auch meine Hand von meinem Bruder los, der ſie Herrn Solmes geben wollte.)
O du ungeſtuͤmes Ding, ſagte mein Bruder. Allein, nur nicht ſo gleich weggegangen! (denn ich war im Begriff wegzugehen.
Jch ſuchte mich von ihm los zu machen, und ſagte: was ſoll das, daß ihr mich wider meinen Willen haltet.
Jhr ſollt nicht weggehen, Ungeſtuͤme? ſagte mein Bruder, und ſchlug ſeine Arme, die ich nicht fuͤr Arme eines Bruders halten konnte, um mich.
So laßt Herrn Solmes weggehen. Was haltet ihr mich ſo? Um euer ſelbſt willen wuͤn- ſche ich, daß er nicht ſehen moͤge, wie unmenſch- lich ein Bruder mit einer Schweſter umgehen kan, ohne daß ſie es verdient.
Jch brauchte alle Kraͤffte mich von ihm los- zureiſſen, und er muſte meine Hand fahren laſ- ſen. Er that es mit den Worten: Lauf hin, du Furie! Wie ſtarck iſt der Wille des Men- ſchen: Es iſt nicht moͤglich, ſie zu halten!
Jch
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Die Geſchichte
Eheſtandes, und hat Abſichten wider ihre Eh-
re, wenn er jemahls ‒ ‒ ‒
Niedertraͤchtiger Anklaͤger! (ſagte ich, da mich
der Unwille uͤbernahm) Er hat keine ſolche Ab-
ſichten. Er darf ſich nicht unterſtehen, ſie zu
haben. Allein ſie haben dergleichen Abſichten:
denn ein freyes Gemuͤth ſchaͤtzt es ſich fuͤr keine
Ehre, wenn es ſich ſoll zwingen laſſen. (Jch
riß auch meine Hand von meinem Bruder los,
der ſie Herrn Solmes geben wollte.)
O du ungeſtuͤmes Ding, ſagte mein Bruder.
Allein, nur nicht ſo gleich weggegangen! (denn
ich war im Begriff wegzugehen.
Jch ſuchte mich von ihm los zu machen, und
ſagte: was ſoll das, daß ihr mich wider meinen
Willen haltet.
Jhr ſollt nicht weggehen, Ungeſtuͤme? ſagte
mein Bruder, und ſchlug ſeine Arme, die ich
nicht fuͤr Arme eines Bruders halten konnte,
um mich.
So laßt Herrn Solmes weggehen. Was
haltet ihr mich ſo? Um euer ſelbſt willen wuͤn-
ſche ich, daß er nicht ſehen moͤge, wie unmenſch-
lich ein Bruder mit einer Schweſter umgehen
kan, ohne daß ſie es verdient.
Jch brauchte alle Kraͤffte mich von ihm los-
zureiſſen, und er muſte meine Hand fahren laſ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/378>, abgerufen am 22.11.2024.
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