Jch bin etwas unruhig darüber, daß Sie ihn noch nicht haben. Allein Jhr Diener hat nicht immer Zeit. Jch will aber doch die Brieffe so geschwind hinlegen, als ich sie schreibe, denn es ist nicht rathsam, geschriebene Sachen um mich und bey mir zu haben. Wenn ich schreibe, so muß ich mich einschliessen, um nicht entdeckt zu wer- den, nachdem sie glauben, daß ich nicht mehr schreiben kan.
Jch habe an dem gewöhnlichen Orte aber- mahls einen Brief von dem unermüdeten Lo- velace gefunden? und ich sehe von neuen aus dem Jnhalt, daß nichts in diesem Hause vorge- hen kan, das er nicht weiß, und zwat sogleich als es geschehen ist. Denn dieser Brief muß vor- her geschrieben seyn, ehe er meine vier Zeilen hat- te erhalten können: und er ward vermuthlich zu eben der Zeit hingelegt, als er jene abholte. Er lobet mich, daß ich mich meinen Onckles und Herrn Solmesen gezeiget hätte; wie er es nennet.
"Er versichert mir indessen, daß sie mehr als "jemahls entschlossen sind, mich mit Gewalt zu "zwingen.
"Er richtet eine Empfehlung von seiner gan- "tzen Familie an mich aus, und meldet mir, "daß sie insgesamt begierig wären, mich bey sich "zu sehen. Er liegt mir recht heftig an, daß "ich dieses Haus verlassen soll, weil ich noch kan[,] "und bittet aufs neue um Erlaubniß; mich mit "seines Onckles Wagen und sechs Pferden an
dem
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der Clariſſa.
Jch bin etwas unruhig daruͤber, daß Sie ihn noch nicht haben. Allein Jhr Diener hat nicht immer Zeit. Jch will aber doch die Brieffe ſo geſchwind hinlegen, als ich ſie ſchreibe, denn es iſt nicht rathſam, geſchriebene Sachen um mich und bey mir zu haben. Wenn ich ſchreibe, ſo muß ich mich einſchlieſſen, um nicht entdeckt zu wer- den, nachdem ſie glauben, daß ich nicht mehr ſchreiben kan.
Jch habe an dem gewoͤhnlichen Orte aber- mahls einen Brief von dem unermuͤdeten Lo- velace gefunden? und ich ſehe von neuen aus dem Jnhalt, daß nichts in dieſem Hauſe vorge- hen kan, das er nicht weiß, und zwat ſogleich als es geſchehen iſt. Denn dieſer Brief muß vor- her geſchrieben ſeyn, ehe er meine vier Zeilen hat- te erhalten koͤnnen: und er ward vermuthlich zu eben der Zeit hingelegt, als er jene abholte. Er lobet mich, daß ich mich meinen Onckles und Herrn Solmeſen gezeiget haͤtte; wie er es nennet.
„Er verſichert mir indeſſen, daß ſie mehr als „jemahls entſchloſſen ſind, mich mit Gewalt zu „zwingen.
„Er richtet eine Empfehlung von ſeiner gan- „tzen Familie an mich aus, und meldet mir, „daß ſie insgeſamt begierig waͤren, mich bey ſich „zu ſehen. Er liegt mir recht heftig an, daß „ich dieſes Haus verlaſſen ſoll, weil ich noch kan[,] „und bittet aufs neue um Erlaubniß; mich mit „ſeines Onckles Wagen und ſechs Pferden an
dem
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der Clariſſa.
Jch bin etwas unruhig daruͤber, daß Sie ihn
noch nicht haben. Allein Jhr Diener hat nicht
immer Zeit. Jch will aber doch die Brieffe ſo
geſchwind hinlegen, als ich ſie ſchreibe, denn es iſt
nicht rathſam, geſchriebene Sachen um mich und
bey mir zu haben. Wenn ich ſchreibe, ſo muß
ich mich einſchlieſſen, um nicht entdeckt zu wer-
den, nachdem ſie glauben, daß ich nicht mehr
ſchreiben kan.
Jch habe an dem gewoͤhnlichen Orte aber-
mahls einen Brief von dem unermuͤdeten Lo-
velace gefunden? und ich ſehe von neuen aus
dem Jnhalt, daß nichts in dieſem Hauſe vorge-
hen kan, das er nicht weiß, und zwat ſogleich als
es geſchehen iſt. Denn dieſer Brief muß vor-
her geſchrieben ſeyn, ehe er meine vier Zeilen hat-
te erhalten koͤnnen: und er ward vermuthlich
zu eben der Zeit hingelegt, als er jene abholte.
Er lobet mich, daß ich mich meinen Onckles und
Herrn Solmeſen gezeiget haͤtte; wie er es
nennet.
„Er verſichert mir indeſſen, daß ſie mehr als
„jemahls entſchloſſen ſind, mich mit Gewalt zu
„zwingen.
„Er richtet eine Empfehlung von ſeiner gan-
„tzen Familie an mich aus, und meldet mir,
„daß ſie insgeſamt begierig waͤren, mich bey ſich
„zu ſehen. Er liegt mir recht heftig an, daß
„ich dieſes Haus verlaſſen ſoll, weil ich noch kan,
„und bittet aufs neue um Erlaubniß; mich mit
„ſeines Onckles Wagen und ſechs Pferden an
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/383>, abgerufen am 22.11.2024.
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