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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
mir noch zu Hause kommen, wenn ich es am
wenigsten dencke."

Das sind verworrene und fürchterliche Reden,
die das ungezogene Mädchen fahren läßt. Jch
glaube, daß sie von der Nachricht herrühren,
die Herrn Lovelace unter der Hand hat geben
lassen, daß er meine Reise nach meines Onckles
Gut hindern wollte. Eben der zweyzüngige
Spion wird sie vermuthlich überbracht haben.

Wenn dieses ist, so muß es die Meinigen er-
bittern. Jch werde auf allen Seiten gestossen
und gewehet, wie eine Feder vom Winde: so
wie es ungestüme und eigennützige Leute begehren
und wünschen! Erst werde ich zu einem heimli-
chen Briefwechsel gezwungen! und der unbe-
sonnene Mensch unternimmt doch vor seinen Kopf
gefährliche Dinge, ohne mich um Rath zu fra-
gen. Jch kan nicht einmahl wählen, was ge-
schehen soll, ob gleich mein Glück und Unglück
davon abhänget: Denn der Verlust unsers gu-
ten Namens ist doch wohl das grösseste Unglück.
Was habe ich für ein widersinnisches und unge-
reimtes Schicksal!

Wenn ich bey so spätem Abend diese Zeilen
nicht bestellen kan; so will ich das nöthige noch
dazu setzen. Jndessen glauben Sie, daß ich
bin

Jhre
ewig ergebene und danckbare
Clarissa Harlowe.
Mit

Die Geſchichte
mir noch zu Hauſe kommen, wenn ich es am
wenigſten dencke.„

Das ſind verworrene und fuͤrchterliche Reden,
die das ungezogene Maͤdchen fahren laͤßt. Jch
glaube, daß ſie von der Nachricht herruͤhren,
die Herrn Lovelace unter der Hand hat geben
laſſen, daß er meine Reiſe nach meines Onckles
Gut hindern wollte. Eben der zweyzuͤngige
Spion wird ſie vermuthlich uͤberbracht haben.

Wenn dieſes iſt, ſo muß es die Meinigen er-
bittern. Jch werde auf allen Seiten geſtoſſen
und gewehet, wie eine Feder vom Winde: ſo
wie es ungeſtuͤme und eigennuͤtzige Leute begehren
und wuͤnſchen! Erſt werde ich zu einem heimli-
chen Briefwechſel gezwungen! und der unbe-
ſonnene Menſch unternimmt doch vor ſeinen Kopf
gefaͤhrliche Dinge, ohne mich um Rath zu fra-
gen. Jch kan nicht einmahl waͤhlen, was ge-
ſchehen ſoll, ob gleich mein Gluͤck und Ungluͤck
davon abhaͤnget: Denn der Verluſt unſers gu-
ten Namens iſt doch wohl das groͤſſeſte Ungluͤck.
Was habe ich fuͤr ein widerſinniſches und unge-
reimtes Schickſal!

Wenn ich bey ſo ſpaͤtem Abend dieſe Zeilen
nicht beſtellen kan; ſo will ich das noͤthige noch
dazu ſetzen. Jndeſſen glauben Sie, daß ich
bin

Jhre
ewig ergebene und danckbare
Clariſſa Harlowe.
Mit
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[388/0394] Die Geſchichte mir noch zu Hauſe kommen, wenn ich es am wenigſten dencke.„ Das ſind verworrene und fuͤrchterliche Reden, die das ungezogene Maͤdchen fahren laͤßt. Jch glaube, daß ſie von der Nachricht herruͤhren, die Herrn Lovelace unter der Hand hat geben laſſen, daß er meine Reiſe nach meines Onckles Gut hindern wollte. Eben der zweyzuͤngige Spion wird ſie vermuthlich uͤberbracht haben. Wenn dieſes iſt, ſo muß es die Meinigen er- bittern. Jch werde auf allen Seiten geſtoſſen und gewehet, wie eine Feder vom Winde: ſo wie es ungeſtuͤme und eigennuͤtzige Leute begehren und wuͤnſchen! Erſt werde ich zu einem heimli- chen Briefwechſel gezwungen! und der unbe- ſonnene Menſch unternimmt doch vor ſeinen Kopf gefaͤhrliche Dinge, ohne mich um Rath zu fra- gen. Jch kan nicht einmahl waͤhlen, was ge- ſchehen ſoll, ob gleich mein Gluͤck und Ungluͤck davon abhaͤnget: Denn der Verluſt unſers gu- ten Namens iſt doch wohl das groͤſſeſte Ungluͤck. Was habe ich fuͤr ein widerſinniſches und unge- reimtes Schickſal! Wenn ich bey ſo ſpaͤtem Abend dieſe Zeilen nicht beſtellen kan; ſo will ich das noͤthige noch dazu ſetzen. Jndeſſen glauben Sie, daß ich bin Jhre ewig ergebene und danckbare Clariſſa Harlowe. Mit

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/394>, abgerufen am 22.11.2024.