sagte: er regiere Athen/ seine Frau beherr- sche ihn/ und sein Sohn die Frau[?]
Meiner Mutter Fehler hat wahrlich nicht da- rin bestanden, daß sie nicht genug über meinen Vater geherrschet hätte. (Jch schreibe dieses an Sie: das werden Sie zu meiner Entschul- digung bedencken.) Jch bin zwar nur eine Toch- ter. Allein sonst hielt man mich doch nicht für so unvermögend, als ich jetzt bin, wenn ich es mir einmahl vorgenommen hatte, eine Sache durchzutreiben.
Leben Sie wohl, mein Schatz. Wir müssen auf bessere Zeiten hoffen, und die müssen bald erscheinen. Ein so starck gespanneter Bogen kan nicht lange straf bleiben: er muß nachge- ben oder brechen. Es gehe nun wie es wolle, so wird es besser seyn, wenn man die Folgen erst übersehen kan, als wenn man in einer quälenden Ungewißheit ist.
Nur noch ein Wort:
Wenn ich nach meinem besten Wissen und Gewissen rathen soll, so müssen Sie eins von diesen beyden wählen:
1) entweder, wir beyde müssen insgeheim nach London gehen. Die Fuhre will ich verschaffen, und ich will Sie an dem Ende des engen Ganges erwarten, an dem Sie Lovelace mit seines Vetters Wagen und Pferden erwarten wollte.
2) oder Sie müssen sich in den Schutz des Lord M. und seiner Schwestern begeben.
Sie
Die Geſchichte
ſagte: er regiere Athen/ ſeine Frau beherr- ſche ihn/ und ſein Sohn die Frau[?]
Meiner Mutter Fehler hat wahrlich nicht da- rin beſtanden, daß ſie nicht genug uͤber meinen Vater geherrſchet haͤtte. (Jch ſchreibe dieſes an Sie: das werden Sie zu meiner Entſchul- digung bedencken.) Jch bin zwar nur eine Toch- ter. Allein ſonſt hielt man mich doch nicht fuͤr ſo unvermoͤgend, als ich jetzt bin, wenn ich es mir einmahl vorgenommen hatte, eine Sache durchzutreiben.
Leben Sie wohl, mein Schatz. Wir muͤſſen auf beſſere Zeiten hoffen, und die muͤſſen bald erſcheinen. Ein ſo ſtarck geſpanneter Bogen kan nicht lange ſtraf bleiben: er muß nachge- ben oder brechen. Es gehe nun wie es wolle, ſo wird es beſſer ſeyn, wenn man die Folgen erſt uͤberſehen kan, als wenn man in einer quaͤlenden Ungewißheit iſt.
Nur noch ein Wort:
Wenn ich nach meinem beſten Wiſſen und Gewiſſen rathen ſoll, ſo muͤſſen Sie eins von dieſen beyden waͤhlen:
1) entweder, wir beyde muͤſſen insgeheim nach London gehen. Die Fuhre will ich verſchaffen, und ich will Sie an dem Ende des engen Ganges erwarten, an dem Sie Lovelace mit ſeines Vetters Wagen und Pferden erwarten wollte.
2) oder Sie muͤſſen ſich in den Schutz des Lord M. und ſeiner Schweſtern begeben.
Sie
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Die Geſchichte
ſagte: er regiere Athen/ ſeine Frau beherr-
ſche ihn/ und ſein Sohn die Frau?
Meiner Mutter Fehler hat wahrlich nicht da-
rin beſtanden, daß ſie nicht genug uͤber meinen
Vater geherrſchet haͤtte. (Jch ſchreibe dieſes
an Sie: das werden Sie zu meiner Entſchul-
digung bedencken.) Jch bin zwar nur eine Toch-
ter. Allein ſonſt hielt man mich doch nicht fuͤr
ſo unvermoͤgend, als ich jetzt bin, wenn ich es
mir einmahl vorgenommen hatte, eine Sache
durchzutreiben.
Leben Sie wohl, mein Schatz. Wir muͤſſen
auf beſſere Zeiten hoffen, und die muͤſſen bald
erſcheinen. Ein ſo ſtarck geſpanneter Bogen
kan nicht lange ſtraf bleiben: er muß nachge-
ben oder brechen. Es gehe nun wie es wolle,
ſo wird es beſſer ſeyn, wenn man die Folgen erſt
uͤberſehen kan, als wenn man in einer quaͤlenden
Ungewißheit iſt.
Nur noch ein Wort:
Wenn ich nach meinem beſten Wiſſen und
Gewiſſen rathen ſoll, ſo muͤſſen Sie eins von
dieſen beyden waͤhlen:
1) entweder, wir beyde muͤſſen insgeheim
nach London gehen. Die Fuhre will ich
verſchaffen, und ich will Sie an dem Ende
des engen Ganges erwarten, an dem Sie
Lovelace mit ſeines Vetters Wagen und
Pferden erwarten wollte.
2) oder Sie muͤſſen ſich in den Schutz des
Lord M. und ſeiner Schweſtern begeben.
Sie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/404>, abgerufen am 22.11.2024.
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