Sie sagte: das glaubte sie, wenn ich nur zwey Dinge versprechen wollte. Erstlich müßte ich auf meine Ehre versprechen, keine Zeile in der Woche an Leute ausser Hause zu schreiben: denn man habe mich in Verdacht, daß ich doch noch Mittel hätte, an jemand zu schreiben. Zum andern, müßte ich zusagen, daß ich Herrn Solmes nach Verfliessung der Woche nehmen wollte.
Ohnmöglich! ohnmöglich! (sagte ich, nicht ohne Heftigkeit.) Kan ich nicht einmahl eine Woche Frist erhalten, ohne eine solche abscheu- liche Bedingung einzugehen?
Sie sagte, sie wollte hinunter gehen, und sich erkundigen, damit es nicht das Ansehen haben möchte, als wenn sie mir eine so harte Bedin- gung vor ihren eigenen Kopf aufbürden woll- te.
Sie ging hinunter, und kam wieder herauf. Die Antwort war: ob ich Lust hätte, dem ver- fluchten Bösewicht Zeit zu geben, daß er seine mörderischen Anschläge in das Werck setzen kön- te? Man sey müde, länger mit mir Mühe zu haben: es sey Zeit, meinem Ungehorsam und sei- nem Hoffen ein Ende zu machen. Auf den Dienstag, oder zum höchsten auf den Mittewo- chen sollte und müßte alles zum Ende seyn, wenn ich nicht versprechen wollte, die Bedingung ein- zugehen, unter welcher mir meine Base eine län- gere Frist aus Gütigkeit versprochen hätte.
Jch
D d 5
der Clariſſa.
Sie ſagte: das glaubte ſie, wenn ich nur zwey Dinge verſprechen wollte. Erſtlich muͤßte ich auf meine Ehre verſprechen, keine Zeile in der Woche an Leute auſſer Hauſe zu ſchreiben: denn man habe mich in Verdacht, daß ich doch noch Mittel haͤtte, an jemand zu ſchreiben. Zum andern, muͤßte ich zuſagen, daß ich Herrn Solmes nach Verflieſſung der Woche nehmen wollte.
Ohnmoͤglich! ohnmoͤglich! (ſagte ich, nicht ohne Heftigkeit.) Kan ich nicht einmahl eine Woche Friſt erhalten, ohne eine ſolche abſcheu- liche Bedingung einzugehen?
Sie ſagte, ſie wollte hinunter gehen, und ſich erkundigen, damit es nicht das Anſehen haben moͤchte, als wenn ſie mir eine ſo harte Bedin- gung vor ihren eigenen Kopf aufbuͤrden woll- te.
Sie ging hinunter, und kam wieder herauf. Die Antwort war: ob ich Luſt haͤtte, dem ver- fluchten Boͤſewicht Zeit zu geben, daß er ſeine moͤrderiſchen Anſchlaͤge in das Werck ſetzen koͤn- te? Man ſey muͤde, laͤnger mit mir Muͤhe zu haben: es ſey Zeit, meinem Ungehorſam und ſei- nem Hoffen ein Ende zu machen. Auf den Dienſtag, oder zum hoͤchſten auf den Mittewo- chen ſollte und muͤßte alles zum Ende ſeyn, wenn ich nicht verſprechen wollte, die Bedingung ein- zugehen, unter welcher mir meine Baſe eine laͤn- gere Friſt aus Guͤtigkeit verſprochen haͤtte.
Jch
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der Clariſſa.
Sie ſagte: das glaubte ſie, wenn ich nur
zwey Dinge verſprechen wollte. Erſtlich muͤßte
ich auf meine Ehre verſprechen, keine Zeile in
der Woche an Leute auſſer Hauſe zu ſchreiben:
denn man habe mich in Verdacht, daß ich doch
noch Mittel haͤtte, an jemand zu ſchreiben.
Zum andern, muͤßte ich zuſagen, daß ich Herrn
Solmes nach Verflieſſung der Woche nehmen
wollte.
Ohnmoͤglich! ohnmoͤglich! (ſagte ich, nicht
ohne Heftigkeit.) Kan ich nicht einmahl eine
Woche Friſt erhalten, ohne eine ſolche abſcheu-
liche Bedingung einzugehen?
Sie ſagte, ſie wollte hinunter gehen, und ſich
erkundigen, damit es nicht das Anſehen haben
moͤchte, als wenn ſie mir eine ſo harte Bedin-
gung vor ihren eigenen Kopf aufbuͤrden woll-
te.
Sie ging hinunter, und kam wieder herauf.
Die Antwort war: ob ich Luſt haͤtte, dem ver-
fluchten Boͤſewicht Zeit zu geben, daß er ſeine
moͤrderiſchen Anſchlaͤge in das Werck ſetzen koͤn-
te? Man ſey muͤde, laͤnger mit mir Muͤhe zu
haben: es ſey Zeit, meinem Ungehorſam und ſei-
nem Hoffen ein Ende zu machen. Auf den
Dienſtag, oder zum hoͤchſten auf den Mittewo-
chen ſollte und muͤßte alles zum Ende ſeyn, wenn
ich nicht verſprechen wollte, die Bedingung ein-
zugehen, unter welcher mir meine Baſe eine laͤn-
gere Friſt aus Guͤtigkeit verſprochen haͤtte.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/431>, abgerufen am 22.11.2024.
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