selbst gefangen. Nun soll aus ihr wer- den/ was wir wollen.
Arabelle sagte: sucht ihr nur meinen Va- ter bey guten Gedancken zu erhalten/ und ich will es bey meiner Mutter thun.
Seyd unbesorgt. - - Hierauf folgte ein lautes Freuden-Gelächter, das meiner Auslegung nach zugleich ein Hohn-Gelächter über mich war: und dieses machte, daß ich an statt traurig und verdrießlich zu seyn auf Rache dachte.
Meine Base kam indessen eben zu mir herun- ter, führete mich bey der Hand wieder hinauf und suchte mich zu besänftigen.
Aus meiner Traurigkeit war nunmehr ein mürrisches Wesen und Eigensinn geworden. Sie predigte mir Gehorsam und Gelassenheit: ich aber antwortete nichts.
Endlich bat sie mich: ich solte ihr nur ver- sprechen, daß ich mir kein Leid anthun wollte.
Jch sagte: ich hoffete, daß mir GOtt mehr Gnade gegeben hätte, als daß ich mich eines so entsetzlichen Verbrechens schuldig machen solte. Jch sey sein Geschöpf, und nicht mein eigen.
Sie nahm Abschied von mir: und ich drang darauf, daß sie das verhaßte Pergamen wieder mitnehmen solte.
Da sie sahe, daß ich so sehr verdrießlich war, und daß es mein völliger Ernst war, nahm sie es mit: sagte aber dabey, mein Vater solte es nicht wissen. Sie hoffete, ich würde die Sache
reif-
der Clariſſa.
ſelbſt gefangen. Nun ſoll aus ihr wer- den/ was wir wollen.
Arabelle ſagte: ſucht ihr nur meinen Va- ter bey guten Gedancken zu erhalten/ und ich will es bey meiner Mutter thun.
Seyd unbeſorgt. ‒ ‒ Hierauf folgte ein lautes Freuden-Gelaͤchter, das meiner Auslegung nach zugleich ein Hohn-Gelaͤchter uͤber mich war: und dieſes machte, daß ich an ſtatt traurig und verdrießlich zu ſeyn auf Rache dachte.
Meine Baſe kam indeſſen eben zu mir herun- ter, fuͤhrete mich bey der Hand wieder hinauf und ſuchte mich zu beſaͤnftigen.
Aus meiner Traurigkeit war nunmehr ein muͤrriſches Weſen und Eigenſinn geworden. Sie predigte mir Gehorſam und Gelaſſenheit: ich aber antwortete nichts.
Endlich bat ſie mich: ich ſolte ihr nur ver- ſprechen, daß ich mir kein Leid anthun wollte.
Jch ſagte: ich hoffete, daß mir GOtt mehr Gnade gegeben haͤtte, als daß ich mich eines ſo entſetzlichen Verbrechens ſchuldig machen ſolte. Jch ſey ſein Geſchoͤpf, und nicht mein eigen.
Sie nahm Abſchied von mir: und ich drang darauf, daß ſie das verhaßte Pergamen wieder mitnehmen ſolte.
Da ſie ſahe, daß ich ſo ſehr verdrießlich war, und daß es mein voͤlliger Ernſt war, nahm ſie es mit: ſagte aber dabey, mein Vater ſolte es nicht wiſſen. Sie hoffete, ich wuͤrde die Sache
reif-
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der Clariſſa.
ſelbſt gefangen. Nun ſoll aus ihr wer-
den/ was wir wollen.
Arabelle ſagte: ſucht ihr nur meinen Va-
ter bey guten Gedancken zu erhalten/ und
ich will es bey meiner Mutter thun.
Seyd unbeſorgt. ‒ ‒ Hierauf folgte ein
lautes Freuden-Gelaͤchter, das meiner Auslegung
nach zugleich ein Hohn-Gelaͤchter uͤber mich war:
und dieſes machte, daß ich an ſtatt traurig und
verdrießlich zu ſeyn auf Rache dachte.
Meine Baſe kam indeſſen eben zu mir herun-
ter, fuͤhrete mich bey der Hand wieder hinauf
und ſuchte mich zu beſaͤnftigen.
Aus meiner Traurigkeit war nunmehr ein
muͤrriſches Weſen und Eigenſinn geworden.
Sie predigte mir Gehorſam und Gelaſſenheit:
ich aber antwortete nichts.
Endlich bat ſie mich: ich ſolte ihr nur ver-
ſprechen, daß ich mir kein Leid anthun wollte.
Jch ſagte: ich hoffete, daß mir GOtt mehr
Gnade gegeben haͤtte, als daß ich mich eines ſo
entſetzlichen Verbrechens ſchuldig machen ſolte.
Jch ſey ſein Geſchoͤpf, und nicht mein eigen.
Sie nahm Abſchied von mir: und ich drang
darauf, daß ſie das verhaßte Pergamen wieder
mitnehmen ſolte.
Da ſie ſahe, daß ich ſo ſehr verdrießlich war,
und daß es mein voͤlliger Ernſt war, nahm ſie
es mit: ſagte aber dabey, mein Vater ſolte es
nicht wiſſen. Sie hoffete, ich wuͤrde die Sache
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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