noch einmahl herauf geschickt werden, damit ich sehe, daß es Ernst mit der Sache sey.
Sie gab mir zu verstehen, mein Vater wür- de mir selbst den Ehe-Contract herauf brin- gen.
Was für eine schwere Stunde wird dieses seyn. Wie werde ich es meinem Vater, (meinem Va- ter, den ich so lange nicht habe sehen dürffen, der vielleicht in einem Athem befehlen und bitten will) wie werde ich es dem abschlagen können, meinen Nahmen zu schreiben?
Sie sagt: man wisse es gewiß, daß Herr Lovelace etwas im Sinne habe; und vielleicht spielte ich mit ihm unter der Decke. Mein Va- ter aber wollte mich lieber zum Grabe begleiten, als erleben, daß ich Lovelacen heyrathete.
Jch sagte: ich befände mich gar nicht wohl. Selbst die Furcht vor dieser Stunde sey mir unerträglich, und würde immer zunehmen, je mehr sich die Stunde näherte. Jch fürchtete, daß ich sehr kranck seyn möchte.
Wir haben uns schon auf das Kunst-Stück- chen geschickt: (war die ungütige Antwort mei- ner Base) Jch versichere ihnen, es wird unnütz seyn.
Kunststückchen? Sagt das meine Frau Base Hervey? sprach ich.
Was dencken sie denn, mein Kind? daß alle Leute blind sind? Sie müssen es ja sehen, wie sie kröchzen und stöhnen, so lange sie im Hause sind, und wie sie ihr liebes Gesicht (wie sie
gütigst
Die Geſchichte
noch einmahl herauf geſchickt werden, damit ich ſehe, daß es Ernſt mit der Sache ſey.
Sie gab mir zu verſtehen, mein Vater wuͤr- de mir ſelbſt den Ehe-Contract herauf brin- gen.
Was fuͤr eine ſchwere Stunde wird dieſes ſeyn. Wie werde ich es meinem Vater, (meinem Va- ter, den ich ſo lange nicht habe ſehen duͤrffen, der vielleicht in einem Athem befehlen und bitten will) wie werde ich es dem abſchlagen koͤnnen, meinen Nahmen zu ſchreiben?
Sie ſagt: man wiſſe es gewiß, daß Herr Lovelace etwas im Sinne habe; und vielleicht ſpielte ich mit ihm unter der Decke. Mein Va- ter aber wollte mich lieber zum Grabe begleiten, als erleben, daß ich Lovelacen heyrathete.
Jch ſagte: ich befaͤnde mich gar nicht wohl. Selbſt die Furcht vor dieſer Stunde ſey mir unertraͤglich, und wuͤrde immer zunehmen, je mehr ſich die Stunde naͤherte. Jch fuͤrchtete, daß ich ſehr kranck ſeyn moͤchte.
Wir haben uns ſchon auf das Kunſt-Stuͤck- chen geſchickt: (war die unguͤtige Antwort mei- ner Baſe) Jch verſichere ihnen, es wird unnuͤtz ſeyn.
Kunſtſtuͤckchen? Sagt das meine Frau Baſe Hervey? ſprach ich.
Was dencken ſie denn, mein Kind? daß alle Leute blind ſind? Sie muͤſſen es ja ſehen, wie ſie kroͤchzen und ſtoͤhnen, ſo lange ſie im Hauſe ſind, und wie ſie ihr liebes Geſicht (wie ſie
guͤtigſt
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Die Geſchichte
noch einmahl herauf geſchickt werden, damit ich
ſehe, daß es Ernſt mit der Sache ſey.
Sie gab mir zu verſtehen, mein Vater wuͤr-
de mir ſelbſt den Ehe-Contract herauf brin-
gen.
Was fuͤr eine ſchwere Stunde wird dieſes ſeyn.
Wie werde ich es meinem Vater, (meinem Va-
ter, den ich ſo lange nicht habe ſehen duͤrffen, der
vielleicht in einem Athem befehlen und bitten
will) wie werde ich es dem abſchlagen koͤnnen,
meinen Nahmen zu ſchreiben?
Sie ſagt: man wiſſe es gewiß, daß Herr
Lovelace etwas im Sinne habe; und vielleicht
ſpielte ich mit ihm unter der Decke. Mein Va-
ter aber wollte mich lieber zum Grabe begleiten,
als erleben, daß ich Lovelacen heyrathete.
Jch ſagte: ich befaͤnde mich gar nicht wohl.
Selbſt die Furcht vor dieſer Stunde ſey mir
unertraͤglich, und wuͤrde immer zunehmen, je
mehr ſich die Stunde naͤherte. Jch fuͤrchtete,
daß ich ſehr kranck ſeyn moͤchte.
Wir haben uns ſchon auf das Kunſt-Stuͤck-
chen geſchickt: (war die unguͤtige Antwort mei-
ner Baſe) Jch verſichere ihnen, es wird unnuͤtz
ſeyn.
Kunſtſtuͤckchen? Sagt das meine Frau
Baſe Hervey? ſprach ich.
Was dencken ſie denn, mein Kind? daß alle
Leute blind ſind? Sie muͤſſen es ja ſehen, wie
ſie kroͤchzen und ſtoͤhnen, ſo lange ſie im Hauſe
ſind, und wie ſie ihr liebes Geſicht (wie ſie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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