"die Stunde meines Todes beschleunigen kön- "te, so wolte ich lieber den Tod wählen, als "diesen Schritt thun, über den mich die gantze "Welt verdammen würde, wenn mich auch mein "Hertz loßspräche
"Jch schreibe ferner: ich würde weiter keine "Kleider mitbringen können, als die ich am Leibe "hätte, und das würde nur die Kleidung seyn, "die ich ordentlich im Hause zu tragen pflegte: "damit ich keinen Verdacht erwecken möchte. "Jch befürchtete, daß mir die Besitznehmung "meines Gutes abgeschlagen werden möchte; ich "sey aber vest entschlossen, meinen Willen nie "zu einem Proceß mit meinem Vater zu geben, "wenn ich auch darüber in die bitterste Armuth "gerathen solte. Wer mich demnach in Schutz "nähme, müßte es blos aus Mitleiden thun. "Allein, ich sey auch zu hochmüthig, auf das "Heyrathen zu gedencken, wenn ich nicht der an- "dern Parthey an Vermögen gleich wäre, und "wenigstens so viel hätte, daß ich niemanden "verbunden zu seyn, nöthig hätte. Er würde "also durch diese meine Flucht nichts erhalten, "das er nicht vorhin gehabt hätte. Jch behielte "mir auf alle Fälle und bey jedem Verlauf der "Sache die Freyheit vor, Ja/ oder Nein! zu "ihm zu sagen, so wie es seine Aufführung verdie- "nen würde.
"Mir schiene es übrigens am zuträglichsten "zu seyn, daß ich ein eigenes Haus nicht weit von "seiner Base der Lady Lawrance miethete,
"und
Die Geſchichte
„die Stunde meines Todes beſchleunigen koͤn- „te, ſo wolte ich lieber den Tod waͤhlen, als „dieſen Schritt thun, uͤber den mich die gantze „Welt verdammen wuͤrde, wenn mich auch mein „Hertz loßſpraͤche
„Jch ſchreibe ferner: ich wuͤrde weiter keine „Kleider mitbringen koͤnnen, als die ich am Leibe „haͤtte, und das wuͤrde nur die Kleidung ſeyn, „die ich ordentlich im Hauſe zu tragen pflegte: „damit ich keinen Verdacht erwecken moͤchte. „Jch befuͤrchtete, daß mir die Beſitznehmung „meines Gutes abgeſchlagen werden moͤchte; ich „ſey aber veſt entſchloſſen, meinen Willen nie „zu einem Proceß mit meinem Vater zu geben, „wenn ich auch daruͤber in die bitterſte Armuth „gerathen ſolte. Wer mich demnach in Schutz „naͤhme, muͤßte es blos aus Mitleiden thun. „Allein, ich ſey auch zu hochmuͤthig, auf das „Heyrathen zu gedencken, wenn ich nicht der an- „dern Parthey an Vermoͤgen gleich waͤre, und „wenigſtens ſo viel haͤtte, daß ich niemanden „verbunden zu ſeyn, noͤthig haͤtte. Er wuͤrde „alſo durch dieſe meine Flucht nichts erhalten, „das er nicht vorhin gehabt haͤtte. Jch behielte „mir auf alle Faͤlle und bey jedem Verlauf der „Sache die Freyheit vor, Ja/ oder Nein! zu „ihm zu ſagen, ſo wie es ſeine Auffuͤhrung verdie- „nen wuͤrde.
„Mir ſchiene es uͤbrigens am zutraͤglichſten „zu ſeyn, daß ich ein eigenes Haus nicht weit von „ſeiner Baſe der Lady Lawrance miethete,
„und
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Die Geſchichte
„die Stunde meines Todes beſchleunigen koͤn-
„te, ſo wolte ich lieber den Tod waͤhlen, als
„dieſen Schritt thun, uͤber den mich die gantze
„Welt verdammen wuͤrde, wenn mich auch mein
„Hertz loßſpraͤche
„Jch ſchreibe ferner: ich wuͤrde weiter keine
„Kleider mitbringen koͤnnen, als die ich am Leibe
„haͤtte, und das wuͤrde nur die Kleidung ſeyn,
„die ich ordentlich im Hauſe zu tragen pflegte:
„damit ich keinen Verdacht erwecken moͤchte.
„Jch befuͤrchtete, daß mir die Beſitznehmung
„meines Gutes abgeſchlagen werden moͤchte; ich
„ſey aber veſt entſchloſſen, meinen Willen nie
„zu einem Proceß mit meinem Vater zu geben,
„wenn ich auch daruͤber in die bitterſte Armuth
„gerathen ſolte. Wer mich demnach in Schutz
„naͤhme, muͤßte es blos aus Mitleiden thun.
„Allein, ich ſey auch zu hochmuͤthig, auf das
„Heyrathen zu gedencken, wenn ich nicht der an-
„dern Parthey an Vermoͤgen gleich waͤre, und
„wenigſtens ſo viel haͤtte, daß ich niemanden
„verbunden zu ſeyn, noͤthig haͤtte. Er wuͤrde
„alſo durch dieſe meine Flucht nichts erhalten,
„das er nicht vorhin gehabt haͤtte. Jch behielte
„mir auf alle Faͤlle und bey jedem Verlauf der
„Sache die Freyheit vor, Ja/ oder Nein! zu
„ihm zu ſagen, ſo wie es ſeine Auffuͤhrung verdie-
„nen wuͤrde.
„Mir ſchiene es uͤbrigens am zutraͤglichſten
„zu ſeyn, daß ich ein eigenes Haus nicht weit von
„ſeiner Baſe der Lady Lawrance miethete,
„und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/462>, abgerufen am 27.11.2024.
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