vor meinen grausamen Freunden fliehe; was würden Sie denn zu Jhrer Verantwortung sagen können, wenn Sie eine so gütige Mutter verliessen? Sie befürchtet, daß Jhre allzutreue Freundschaft Sie zu einer kleinen Unvorsichtig- keit verleiten möchte; und das ist Jhnen schon empfindlich: und dennoch wollen Sie, gleichsam um sich zu rächen, ihr so wol als der gantzen Welt zeigen, daß Sie im Stande sind mit Wis- sen und Willen den allergrössesten Fehler zu be- gehen, den man einem Frauenzimmer nachsagen kan!
Schickt es sich für ein so edles Gemüth, (ich frage Sie) einen solchen Ungehorsam dem Vor- satz nach zu begehen, weil Sie glauben, Jhre Frau Mutter würde Sie mit Freuden wieder aufnehmen?
Jch versichere Jhnen: wenn ich das noch wa- gen soll, was ich mir vorgenommen habe, so will ich lieber alle Gefahr lauffen, als zugeben, daß Sie mich dabey begleiten. Meinen Sie, daß ich mein Vergehen zu vervielfältigen, und es der Welt doppelt oder dreyfach vorzustellen Lust habe? der Welt, die weiß daß ich so hart gehal- ten bin, und doch nicht alle Ursachen davon weiß, die mir also gewiß Unrecht geben würde?
Allein meine liebste, meine gütigste Anna Howe/ geben Sie sich zufrieden. Weder Sie
noch
Die Geſchichte
vor meinen grauſamen Freunden fliehe; was wuͤrden Sie denn zu Jhrer Verantwortung ſagen koͤnnen, wenn Sie eine ſo guͤtige Mutter verlieſſen? Sie befuͤrchtet, daß Jhre allzutreue Freundſchaft Sie zu einer kleinen Unvorſichtig- keit verleiten moͤchte; und das iſt Jhnen ſchon empfindlich: und dennoch wollen Sie, gleichſam um ſich zu raͤchen, ihr ſo wol als der gantzen Welt zeigen, daß Sie im Stande ſind mit Wiſ- ſen und Willen den allergroͤſſeſten Fehler zu be- gehen, den man einem Frauenzimmer nachſagen kan!
Schickt es ſich fuͤr ein ſo edles Gemuͤth, (ich frage Sie) einen ſolchen Ungehorſam dem Vor- ſatz nach zu begehen, weil Sie glauben, Jhre Frau Mutter wuͤrde Sie mit Freuden wieder aufnehmen?
Jch verſichere Jhnen: wenn ich das noch wa- gen ſoll, was ich mir vorgenommen habe, ſo will ich lieber alle Gefahr lauffen, als zugeben, daß Sie mich dabey begleiten. Meinen Sie, daß ich mein Vergehen zu vervielfaͤltigen, und es der Welt doppelt oder dreyfach vorzuſtellen Luſt habe? der Welt, die weiß daß ich ſo hart gehal- ten bin, und doch nicht alle Urſachen davon weiß, die mir alſo gewiß Unrecht geben wuͤrde?
Allein meine liebſte, meine guͤtigſte Anna Howe/ geben Sie ſich zufrieden. Weder Sie
noch
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Die Geſchichte
vor meinen grauſamen Freunden fliehe; was
wuͤrden Sie denn zu Jhrer Verantwortung
ſagen koͤnnen, wenn Sie eine ſo guͤtige Mutter
verlieſſen? Sie befuͤrchtet, daß Jhre allzutreue
Freundſchaft Sie zu einer kleinen Unvorſichtig-
keit verleiten moͤchte; und das iſt Jhnen ſchon
empfindlich: und dennoch wollen Sie, gleichſam
um ſich zu raͤchen, ihr ſo wol als der gantzen
Welt zeigen, daß Sie im Stande ſind mit Wiſ-
ſen und Willen den allergroͤſſeſten Fehler zu be-
gehen, den man einem Frauenzimmer nachſagen
kan!
Schickt es ſich fuͤr ein ſo edles Gemuͤth, (ich
frage Sie) einen ſolchen Ungehorſam dem Vor-
ſatz nach zu begehen, weil Sie glauben, Jhre
Frau Mutter wuͤrde Sie mit Freuden wieder
aufnehmen?
Jch verſichere Jhnen: wenn ich das noch wa-
gen ſoll, was ich mir vorgenommen habe, ſo will
ich lieber alle Gefahr lauffen, als zugeben, daß
Sie mich dabey begleiten. Meinen Sie, daß
ich mein Vergehen zu vervielfaͤltigen, und es
der Welt doppelt oder dreyfach vorzuſtellen Luſt
habe? der Welt, die weiß daß ich ſo hart gehal-
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Allein meine liebſte, meine guͤtigſte Anna
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/494>, abgerufen am 25.11.2024.
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