chen zu halten, das man noch zurück zu nehmen berechtiget ist?
So lange ich mir die Flucht aus diesem Hau- se blos als eine Flucht vor Herrn Solmes vorstellete, und bedachte. daß meine Ehre ohne- hin schon genug gekränckt sey, und daß ich es in meiner Macht haben würde, Herrn Lovelace zu nehmen oder nicht zu nehmen: so glaubte ich, daß bey meinen Bedrängnissen etwas zur Ent- schuldigung einer so verwegenen Entschliessung gesagt werden könnte, das zum wenigsten mein Hertz würde gelten lassen, wenn auch die Welt härter in ihrem Urtheil wäre. Von seinem ei- genen Hertzen aber nicht verdammt werden, ist ein Vergnügen, welches ich allen vortheilhaften Meinungen der Welt vorziehe.
Allein, da ich sonst die unanständige Hurtigkeit solcher Frauenzimmer verachtet und getadelt ha- be, die aus ihrer Stube nach dem Altar hüpfen, und sich ohne die geringste Ceremonie zu der ernstlichsten Ceremonie in dem gantzen Leben ent- schliessen: da ich mit Lovelacen schon ausge- macht habe, daß er mir Zeit lassen solte, und daß ich freye Macht behalten wollte, ihm mein Ja oder Nein zu geben, und daß er mich ver- lassen solte, so bald ich in Sicherheit wäre: (ei- ne Sache, die, wie Sie mich lehren, vor seinen Richterstuhl gehören wird) da er sich alles die- ses hat gefallen lassen, und ich meine Bedingun-
gen
Die Geſchichte
chen zu halten, das man noch zuruͤck zu nehmen berechtiget iſt?
So lange ich mir die Flucht aus dieſem Hau- ſe blos als eine Flucht vor Herrn Solmes vorſtellete, und bedachte. daß meine Ehre ohne- hin ſchon genug gekraͤnckt ſey, und daß ich es in meiner Macht haben wuͤrde, Herrn Lovelace zu nehmen oder nicht zu nehmen: ſo glaubte ich, daß bey meinen Bedraͤngniſſen etwas zur Ent- ſchuldigung einer ſo verwegenen Entſchlieſſung geſagt werden koͤnnte, das zum wenigſten mein Hertz wuͤrde gelten laſſen, wenn auch die Welt haͤrter in ihrem Urtheil waͤre. Von ſeinem ei- genen Hertzen aber nicht verdammt werden, iſt ein Vergnuͤgen, welches ich allen vortheilhaften Meinungen der Welt vorziehe.
Allein, da ich ſonſt die unanſtaͤndige Hurtigkeit ſolcher Frauenzimmer verachtet und getadelt ha- be, die aus ihrer Stube nach dem Altar huͤpfen, und ſich ohne die geringſte Ceremonie zu der ernſtlichſten Ceremonie in dem gantzen Leben ent- ſchlieſſen: da ich mit Lovelacen ſchon ausge- macht habe, daß er mir Zeit laſſen ſolte, und daß ich freye Macht behalten wollte, ihm mein Ja oder Nein zu geben, und daß er mich ver- laſſen ſolte, ſo bald ich in Sicherheit waͤre: (ei- ne Sache, die, wie Sie mich lehren, vor ſeinen Richterſtuhl gehoͤren wird) da er ſich alles die- ſes hat gefallen laſſen, und ich meine Bedingun-
gen
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Die Geſchichte
chen zu halten, das man noch zuruͤck zu nehmen
berechtiget iſt?
So lange ich mir die Flucht aus dieſem Hau-
ſe blos als eine Flucht vor Herrn Solmes
vorſtellete, und bedachte. daß meine Ehre ohne-
hin ſchon genug gekraͤnckt ſey, und daß ich es in
meiner Macht haben wuͤrde, Herrn Lovelace
zu nehmen oder nicht zu nehmen: ſo glaubte ich,
daß bey meinen Bedraͤngniſſen etwas zur Ent-
ſchuldigung einer ſo verwegenen Entſchlieſſung
geſagt werden koͤnnte, das zum wenigſten mein
Hertz wuͤrde gelten laſſen, wenn auch die Welt
haͤrter in ihrem Urtheil waͤre. Von ſeinem ei-
genen Hertzen aber nicht verdammt werden, iſt
ein Vergnuͤgen, welches ich allen vortheilhaften
Meinungen der Welt vorziehe.
Allein, da ich ſonſt die unanſtaͤndige Hurtigkeit
ſolcher Frauenzimmer verachtet und getadelt ha-
be, die aus ihrer Stube nach dem Altar huͤpfen,
und ſich ohne die geringſte Ceremonie zu der
ernſtlichſten Ceremonie in dem gantzen Leben ent-
ſchlieſſen: da ich mit Lovelacen ſchon ausge-
macht habe, daß er mir Zeit laſſen ſolte, und
daß ich freye Macht behalten wollte, ihm mein
Ja oder Nein zu geben, und daß er mich ver-
laſſen ſolte, ſo bald ich in Sicherheit waͤre: (ei-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/496>, abgerufen am 24.11.2024.
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