Werck gesetzt wird, so werden dadurch meine Um- stände in Absicht auf die Gesinnung der Mei- nigen gegen mich nicht verschlimmert. Sie werden aber in so fern verbessert/ daß es nicht meine Schuld seyn wird, wenn ich sie verlasse, und bey andern Schutz suche; und das soll auch alsdenn lieber bey dem Obristen Morden als bey Herrn Lovelace oder bey irgend einem an- dern geschehen.
Mein Hertz hat eine bessere Ahndung, und wird mir leichter, wenn ich mich hiezu entschliesse: und mich dünckt, bey einer so starcken Neigung soll man dem Triebe des Hertzens fast eben so folgen, als sonst dem Gewissen. Jch dencke hier an den Rath des weisen Sirachs: folge dem Rath deines Hertzens/ denn niemand ist dir treuer als dein eigen Hertz. Eines Mannes Hertz weissaget ihm oft mehr als sieben Wächter.
Verübeln Sie mir diese unordentlichen Rath- schläge nicht, darüber ich mich mit mir unterre- de. Jch will schliessen, und gleich die Feder zu einem Brieffe an Lovelacen ansetzen, um mein Versprechen zu widerruffen, er mag es nun neh- men wie er will. Es ist für ihn eine neue Pro- be der Geduld und Herrschaft über sich selbst: und für mich ist es von der grössesten Wichtig- keit. Hat er nicht versprochen, sich alles gefal-
len
Die Geſchichte
Werck geſetzt wird, ſo werden dadurch meine Um- ſtaͤnde in Abſicht auf die Geſinnung der Mei- nigen gegen mich nicht verſchlimmert. Sie werden aber in ſo fern verbeſſert/ daß es nicht meine Schuld ſeyn wird, wenn ich ſie verlaſſe, und bey andern Schutz ſuche; und das ſoll auch alsdenn lieber bey dem Obriſten Morden als bey Herrn Lovelace oder bey irgend einem an- dern geſchehen.
Mein Hertz hat eine beſſere Ahndung, und wird mir leichter, wenn ich mich hiezu entſchlieſſe: und mich duͤnckt, bey einer ſo ſtarcken Neigung ſoll man dem Triebe des Hertzens faſt eben ſo folgen, als ſonſt dem Gewiſſen. Jch dencke hier an den Rath des weiſen Sirachs: folge dem Rath deines Hertzens/ denn niemand iſt dir treuer als dein eigen Hertz. Eines Mannes Hertz weiſſaget ihm oft mehr als ſieben Waͤchter.
Veruͤbeln Sie mir dieſe unordentlichen Rath- ſchlaͤge nicht, daruͤber ich mich mit mir unterre- de. Jch will ſchlieſſen, und gleich die Feder zu einem Brieffe an Lovelacen anſetzen, um mein Verſprechen zu widerruffen, er mag es nun neh- men wie er will. Es iſt fuͤr ihn eine neue Pro- be der Geduld und Herrſchaft uͤber ſich ſelbſt: und fuͤr mich iſt es von der groͤſſeſten Wichtig- keit. Hat er nicht verſprochen, ſich alles gefal-
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Die Geſchichte
Werck geſetzt wird, ſo werden dadurch meine Um-
ſtaͤnde in Abſicht auf die Geſinnung der Mei-
nigen gegen mich nicht verſchlimmert. Sie
werden aber in ſo fern verbeſſert/ daß es nicht
meine Schuld ſeyn wird, wenn ich ſie verlaſſe,
und bey andern Schutz ſuche; und das ſoll auch
alsdenn lieber bey dem Obriſten Morden als
bey Herrn Lovelace oder bey irgend einem an-
dern geſchehen.
Mein Hertz hat eine beſſere Ahndung, und
wird mir leichter, wenn ich mich hiezu entſchlieſſe:
und mich duͤnckt, bey einer ſo ſtarcken Neigung
ſoll man dem Triebe des Hertzens faſt eben ſo
folgen, als ſonſt dem Gewiſſen. Jch dencke hier
an den Rath des weiſen Sirachs: folge dem
Rath deines Hertzens/ denn niemand iſt
dir treuer als dein eigen Hertz. Eines
Mannes Hertz weiſſaget ihm oft mehr als
ſieben Waͤchter.
Veruͤbeln Sie mir dieſe unordentlichen Rath-
ſchlaͤge nicht, daruͤber ich mich mit mir unterre-
de. Jch will ſchlieſſen, und gleich die Feder zu
einem Brieffe an Lovelacen anſetzen, um mein
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men wie er will. Es iſt fuͤr ihn eine neue Pro-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/500>, abgerufen am 24.11.2024.
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