ich vorgeben, daß ich Gewissens-Zweiffel habe, und mir ausbitten, die Meinung dieses recht- schaffenen Gottesgelehrten darüber zu verneh- men. Wenn ich dieses nachdrücklich vorstelle, (wie ich zu thun gewiß nicht unterlassen werde,) so wird mir meine Mutter beytreten, und Jhre Schwester so wohl als Frau Norton werden ihr gewiß nicht abfallen. Die Trauung muß alsdenn aufgeschoben werden, und ich habe noch Zeit zu entkommen.
Wie aber? wenn sie es einmahl darauf ge- setzt haben, mich zu zwingen? wenn sie mir keine Frist geben wollen? wenn sich niemand bewegen läßt? wenn die Trau-Formul vor meinen wi- derspenstigen Ohren gelesen werden muß? Was denn anzufangen? Jch kan weiter nichts, als - - - Allein was kan ich, mein Schatz? Das ist vest beschlossen, mein Ja soll der Solmes in Ewigkeit nicht haben. Jch will nichts, als Nein sagen, so lange ich noch reden kan: und wer wird so albern seyn, eine solche Gewaltthätigkeit eine Trauung zu nennen? Es ist ohnmöglich, daß es Eltern ansehen könten, wenn ihr Kind auf eine so schreckliche Weise gezwungen wird. Wie aber, wenn sich meine Eltern dem Anblick dieses Trauer-Spiels entziehen, und meinen Geschwistern alles überlassen? die werden gewiß kein Mitleiden fühlen.
Es betrübt mich, daß ich gezwungen bin, mich
eines
Die Geſchichte
ich vorgeben, daß ich Gewiſſens-Zweiffel habe, und mir ausbitten, die Meinung dieſes recht- ſchaffenen Gottesgelehrten daruͤber zu verneh- men. Wenn ich dieſes nachdruͤcklich vorſtelle, (wie ich zu thun gewiß nicht unterlaſſen werde,) ſo wird mir meine Mutter beytreten, und Jhre Schweſter ſo wohl als Frau Norton werden ihr gewiß nicht abfallen. Die Trauung muß alsdenn aufgeſchoben werden, und ich habe noch Zeit zu entkommen.
Wie aber? wenn ſie es einmahl darauf ge- ſetzt haben, mich zu zwingen? wenn ſie mir keine Friſt geben wollen? wenn ſich niemand bewegen laͤßt? wenn die Trau-Formul vor meinen wi- derſpenſtigen Ohren geleſen werden muß? Was denn anzufangen? Jch kan weiter nichts, als ‒ ‒ ‒ Allein was kan ich, mein Schatz? Das iſt veſt beſchloſſen, mein Ja ſoll der Solmes in Ewigkeit nicht haben. Jch will nichts, als Nein ſagen, ſo lange ich noch reden kan: und wer wird ſo albern ſeyn, eine ſolche Gewaltthaͤtigkeit eine Trauung zu nennen? Es iſt ohnmoͤglich, daß es Eltern anſehen koͤnten, wenn ihr Kind auf eine ſo ſchreckliche Weiſe gezwungen wird. Wie aber, wenn ſich meine Eltern dem Anblick dieſes Trauer-Spiels entziehen, und meinen Geſchwiſtern alles uͤberlaſſen? die werden gewiß kein Mitleiden fuͤhlen.
Es betruͤbt mich, daß ich gezwungen bin, mich
eines
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[506/0512]
Die Geſchichte
ich vorgeben, daß ich Gewiſſens-Zweiffel habe,
und mir ausbitten, die Meinung dieſes recht-
ſchaffenen Gottesgelehrten daruͤber zu verneh-
men. Wenn ich dieſes nachdruͤcklich vorſtelle,
(wie ich zu thun gewiß nicht unterlaſſen werde,)
ſo wird mir meine Mutter beytreten, und Jhre
Schweſter ſo wohl als Frau Norton werden
ihr gewiß nicht abfallen. Die Trauung muß
alsdenn aufgeſchoben werden, und ich habe noch
Zeit zu entkommen.
Wie aber? wenn ſie es einmahl darauf ge-
ſetzt haben, mich zu zwingen? wenn ſie mir keine
Friſt geben wollen? wenn ſich niemand bewegen
laͤßt? wenn die Trau-Formul vor meinen wi-
derſpenſtigen Ohren geleſen werden muß? Was
denn anzufangen? Jch kan weiter nichts, als
‒ ‒ ‒ Allein was kan ich, mein Schatz? Das
iſt veſt beſchloſſen, mein Ja ſoll der Solmes in
Ewigkeit nicht haben. Jch will nichts, als Nein
ſagen, ſo lange ich noch reden kan: und wer wird
ſo albern ſeyn, eine ſolche Gewaltthaͤtigkeit eine
Trauung zu nennen? Es iſt ohnmoͤglich, daß es
Eltern anſehen koͤnten, wenn ihr Kind auf eine
ſo ſchreckliche Weiſe gezwungen wird. Wie
aber, wenn ſich meine Eltern dem Anblick
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/512>, abgerufen am 21.11.2024.
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