Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
keine Ruhe lassen, wenn sie nicht so lange in dem
Garten oder Sommer- Hause bleiben, daß sie
Zeit und Gelegenheit hat, ihre Stube, Closet,
Schräncke und Schiebladen noch einmahl zu
durchsuchen. Wenn sie mir die Schlüssel willig
und mit Freuden geben, so wird es desto besser
genommen werden. Jch hoffe, sie werden keine
Einwendungen machen. Es ist ihnen desto eher
erlaubt worden, hier zu speisen, weil man die-
ser Gelegenheit wahrnehmen wollte.

Jch freuete mich heimlich, daß mir Dorth-
gen
früh genug Nachricht gegeben hatte, damit
ich mich auf diese abermahlige Untersuchung schi-
cken könnte. Jch durfte mir aber dieses nicht
mercken lassen, und machte zum Schein einige
Schwierigkeit, dabey ich mich heftig darüber be-
klagte, daß man so mit mir verführe. Jch gab
ihr endlich alle Schlüssel, und leerete sogar mei-
ne Taschen vor ihren Augen aus, und bat sie,
mich gantz und gar zu durchsuchen, damit sie ge-
wiß versichern könnte, daß ich nichts von Brief-
fen bey mir hätte.

Dieses gefiel ihr sehr wohl, und sie sagte, sie
wollte von meinem frölichen Gehorsam alle die
guten Nachrichten geben, die er verdienete, mein
Bruder und meine Schwester möchten
auch darzu sagen/ was sie wollten.
Sie
wüßte gewiß, daß sich meine Mutter hertzlich
darüber freuen würde, daß sie einen Argwohn

gegen

Die Geſchichte
keine Ruhe laſſen, wenn ſie nicht ſo lange in dem
Garten oder Sommer- Hauſe bleiben, daß ſie
Zeit und Gelegenheit hat, ihre Stube, Cloſet,
Schraͤncke und Schiebladen noch einmahl zu
durchſuchen. Wenn ſie mir die Schluͤſſel willig
und mit Freuden geben, ſo wird es deſto beſſer
genommen werden. Jch hoffe, ſie werden keine
Einwendungen machen. Es iſt ihnen deſto eher
erlaubt worden, hier zu ſpeiſen, weil man die-
ſer Gelegenheit wahrnehmen wollte.

Jch freuete mich heimlich, daß mir Dorth-
gen
fruͤh genug Nachricht gegeben hatte, damit
ich mich auf dieſe abermahlige Unterſuchung ſchi-
cken koͤnnte. Jch durfte mir aber dieſes nicht
mercken laſſen, und machte zum Schein einige
Schwierigkeit, dabey ich mich heftig daruͤber be-
klagte, daß man ſo mit mir verfuͤhre. Jch gab
ihr endlich alle Schluͤſſel, und leerete ſogar mei-
ne Taſchen vor ihren Augen aus, und bat ſie,
mich gantz und gar zu durchſuchen, damit ſie ge-
wiß verſichern koͤnnte, daß ich nichts von Brief-
fen bey mir haͤtte.

Dieſes gefiel ihr ſehr wohl, und ſie ſagte, ſie
wollte von meinem froͤlichen Gehorſam alle die
guten Nachrichten geben, die er verdienete, mein
Bruder und meine Schweſter moͤchten
auch darzu ſagen/ was ſie wollten.
Sie
wuͤßte gewiß, daß ſich meine Mutter hertzlich
daruͤber freuen wuͤrde, daß ſie einen Argwohn

gegen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0516" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
keine Ruhe la&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;o lange in dem<lb/>
Garten oder Sommer- Hau&#x017F;e bleiben, daß &#x017F;ie<lb/>
Zeit und Gelegenheit hat, ihre Stube, Clo&#x017F;et,<lb/>
Schra&#x0364;ncke und Schiebladen noch einmahl zu<lb/>
durch&#x017F;uchen. Wenn &#x017F;ie mir die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el willig<lb/>
und mit Freuden geben, &#x017F;o wird es de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
genommen werden. Jch hoffe, &#x017F;ie werden keine<lb/>
Einwendungen machen. Es i&#x017F;t ihnen de&#x017F;to eher<lb/>
erlaubt worden, hier zu &#x017F;pei&#x017F;en, weil man die-<lb/>
&#x017F;er Gelegenheit wahrnehmen wollte.</p><lb/>
          <p>Jch freuete mich heimlich, daß mir <hi rendition="#fr">Dorth-<lb/>
gen</hi> fru&#x0364;h genug Nachricht gegeben hatte, damit<lb/>
ich mich auf die&#x017F;e abermahlige Unter&#x017F;uchung &#x017F;chi-<lb/>
cken ko&#x0364;nnte. Jch durfte mir aber die&#x017F;es nicht<lb/>
mercken la&#x017F;&#x017F;en, und machte zum Schein einige<lb/>
Schwierigkeit, dabey ich mich heftig daru&#x0364;ber be-<lb/>
klagte, daß man &#x017F;o mit mir verfu&#x0364;hre. Jch gab<lb/>
ihr endlich alle Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el, und leerete &#x017F;ogar mei-<lb/>
ne Ta&#x017F;chen vor ihren Augen aus, und bat &#x017F;ie,<lb/>
mich gantz und gar zu durch&#x017F;uchen, damit &#x017F;ie ge-<lb/>
wiß ver&#x017F;ichern ko&#x0364;nnte, daß ich nichts von Brief-<lb/>
fen bey mir ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es gefiel ihr &#x017F;ehr wohl, und &#x017F;ie &#x017F;agte, &#x017F;ie<lb/>
wollte von meinem fro&#x0364;lichen Gehor&#x017F;am alle die<lb/>
guten Nachrichten geben, die er verdienete, <hi rendition="#fr">mein<lb/>
Bruder und meine Schwe&#x017F;ter mo&#x0364;chten<lb/>
auch darzu &#x017F;agen/ was &#x017F;ie wollten.</hi> Sie<lb/>
wu&#x0364;ßte gewiß, daß &#x017F;ich meine Mutter hertzlich<lb/>
daru&#x0364;ber freuen wu&#x0364;rde, daß &#x017F;ie einen Argwohn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gegen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0516] Die Geſchichte keine Ruhe laſſen, wenn ſie nicht ſo lange in dem Garten oder Sommer- Hauſe bleiben, daß ſie Zeit und Gelegenheit hat, ihre Stube, Cloſet, Schraͤncke und Schiebladen noch einmahl zu durchſuchen. Wenn ſie mir die Schluͤſſel willig und mit Freuden geben, ſo wird es deſto beſſer genommen werden. Jch hoffe, ſie werden keine Einwendungen machen. Es iſt ihnen deſto eher erlaubt worden, hier zu ſpeiſen, weil man die- ſer Gelegenheit wahrnehmen wollte. Jch freuete mich heimlich, daß mir Dorth- gen fruͤh genug Nachricht gegeben hatte, damit ich mich auf dieſe abermahlige Unterſuchung ſchi- cken koͤnnte. Jch durfte mir aber dieſes nicht mercken laſſen, und machte zum Schein einige Schwierigkeit, dabey ich mich heftig daruͤber be- klagte, daß man ſo mit mir verfuͤhre. Jch gab ihr endlich alle Schluͤſſel, und leerete ſogar mei- ne Taſchen vor ihren Augen aus, und bat ſie, mich gantz und gar zu durchſuchen, damit ſie ge- wiß verſichern koͤnnte, daß ich nichts von Brief- fen bey mir haͤtte. Dieſes gefiel ihr ſehr wohl, und ſie ſagte, ſie wollte von meinem froͤlichen Gehorſam alle die guten Nachrichten geben, die er verdienete, mein Bruder und meine Schweſter moͤchten auch darzu ſagen/ was ſie wollten. Sie wuͤßte gewiß, daß ſich meine Mutter hertzlich daruͤber freuen wuͤrde, daß ſie einen Argwohn gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/516
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/516>, abgerufen am 20.05.2024.