P. S. Herr Solmes ist bereit Euch seine Auf- wartung zu machen, an welchem Orte es Euch beliebet, wenn Jhr begierig seyd, ihn zu sprechen, und Euch gegen ihn wegen der neulichen ziem- lich dreisten Aufführung zu entschuldigen, um ihn an einem andern Orte mit weniger Scham oder Furcht sprechen zu können. Wenn Jhr Lust habt, den Heyraths-Contract vor dessen Unterzeichnung zu lesen, so will ich ihn Euch schicken. Wer weiß, ob Jhr nicht einige neue Einwendungen darin findet! Eur Hertz ist frey; das setzen wir zum voraus. Denn Jhr habt ja Eurer Mutter gesagt, daß es frey sey: und die fromme Clarissa Harlowe wird ihrer Mutter nichts weis machen wol- len.
Jch verlange keine Antwort: und die Sache er- fordert auch keine. Doch will ich Euch fragen, Fräulein: habt Jhr nicht noch etwan andere neue Vorschläge zu thun?
Der Schluß dieses Brieffes (dessen P. S. ver- muthlich geschrieben ist, nachdem die andern den Brief gelesen hatten) verdroß mich so sehr, daß ich schon die Feder ergriff, um an meinen Onckle Harlowe zu schreiben, und ihm anzukündigen, daß ich mein Gut wieder in Besitz nehmen woll- te. Jch war also entschlossen, Jhrem Rath zu folgen: allein es mangelte mir an Muth, als ich überlegte, daß ich niemand auf meiner Seite hätte, der meine Anfoderung unterstützen könnte,
und
Die Geſchichte
P. S. Herr Solmes iſt bereit Euch ſeine Auf- wartung zu machen, an welchem Orte es Euch beliebet, wenn Jhr begierig ſeyd, ihn zu ſprechen, und Euch gegen ihn wegen der neulichen ziem- lich dreiſten Auffuͤhrung zu entſchuldigen, um ihn an einem andern Orte mit weniger Scham oder Furcht ſprechen zu koͤnnen. Wenn Jhr Luſt habt, den Heyraths-Contract vor deſſen Unterzeichnung zu leſen, ſo will ich ihn Euch ſchicken. Wer weiß, ob Jhr nicht einige neue Einwendungen darin findet! Eur Hertz iſt frey; das ſetzen wir zum voraus. Denn Jhr habt ja Eurer Mutter geſagt, daß es frey ſey: und die fromme Clariſſa Harlowe wird ihrer Mutter nichts weis machen wol- len.
Jch verlange keine Antwort: und die Sache er- fordert auch keine. Doch will ich Euch fragen, Fraͤulein: habt Jhr nicht noch etwan andere neue Vorſchlaͤge zu thun?
Der Schluß dieſes Brieffes (deſſen P. S. ver- muthlich geſchrieben iſt, nachdem die andern den Brief geleſen hatten) verdroß mich ſo ſehr, daß ich ſchon die Feder ergriff, um an meinen Onckle Harlowe zu ſchreiben, und ihm anzukuͤndigen, daß ich mein Gut wieder in Beſitz nehmen woll- te. Jch war alſo entſchloſſen, Jhrem Rath zu folgen: allein es mangelte mir an Muth, als ich uͤberlegte, daß ich niemand auf meiner Seite haͤtte, der meine Anfoderung unterſtuͤtzen koͤnnte,
und
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Die Geſchichte
P. S. Herr Solmes iſt bereit Euch ſeine Auf-
wartung zu machen, an welchem Orte es Euch
beliebet, wenn Jhr begierig ſeyd, ihn zu ſprechen,
und Euch gegen ihn wegen der neulichen ziem-
lich dreiſten Auffuͤhrung zu entſchuldigen, um
ihn an einem andern Orte mit weniger Scham
oder Furcht ſprechen zu koͤnnen. Wenn Jhr
Luſt habt, den Heyraths-Contract vor deſſen
Unterzeichnung zu leſen, ſo will ich ihn Euch
ſchicken. Wer weiß, ob Jhr nicht einige neue
Einwendungen darin findet! Eur Hertz iſt
frey; das ſetzen wir zum voraus. Denn
Jhr habt ja Eurer Mutter geſagt, daß es
frey ſey: und die fromme Clariſſa Harlowe
wird ihrer Mutter nichts weis machen wol-
len.
Jch verlange keine Antwort: und die Sache er-
fordert auch keine. Doch will ich Euch fragen,
Fraͤulein: habt Jhr nicht noch etwan andere
neue Vorſchlaͤge zu thun?
Der Schluß dieſes Brieffes (deſſen P. S. ver-
muthlich geſchrieben iſt, nachdem die andern den
Brief geleſen hatten) verdroß mich ſo ſehr, daß
ich ſchon die Feder ergriff, um an meinen Onckle
Harlowe zu ſchreiben, und ihm anzukuͤndigen,
daß ich mein Gut wieder in Beſitz nehmen woll-
te. Jch war alſo entſchloſſen, Jhrem Rath zu
folgen: allein es mangelte mir an Muth, als ich
uͤberlegte, daß ich niemand auf meiner Seite
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/62>, abgerufen am 21.11.2024.
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