was man wünschen soll. Die Hälfte der Men- schen quälet sich, um die andere Hälfte quälen zu können. So geht es mit mir: meine Verwand- ten können selbst kein wahres Glück schmecken, wenn sie mich unglücklich machen wollen. Jch nehme meinen Bruder und meine Schwester aus, denn diese scheinen ihr Glück in andrer Un- glück zu finden.
Jch muß die Feder niederlegen: denn ich fin- de, daß mir die Dinte allzusehr mit Galle ge- mischt ist.
Der achte Brief. von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Freytag Morgens um 6. Uhr.
Jungfer Elisabeth erzählt mir, daß unten von nichts als von meiner Reise zu mei- nem Onckel Anton geredet wird: und sie selbst hat Befehl bekommen, sich in Bereitschaft zu halten, um mich begleiten zu können. Als ich ihr bezeugete, daß ich nicht die geringste Lust zu einer solchen Reise hätte, unterstand sie sich, mir zu antworten: sie hätte so oft gehört, daß ich von meines Onckels Wohnung gerühmet hätte, sie sey so artig als sie in einer Romaine erdichtet zu werden pflegte. Sie müste sich wundern, (Au- gen und Hände hub sie hierbey in die Höhe (daß
ich
Die Geſchichte
was man wuͤnſchen ſoll. Die Haͤlfte der Men- ſchen quaͤlet ſich, um die andere Haͤlfte quaͤlen zu koͤnnen. So geht es mit mir: meine Verwand- ten koͤnnen ſelbſt kein wahres Gluͤck ſchmecken, wenn ſie mich ungluͤcklich machen wollen. Jch nehme meinen Bruder und meine Schweſter aus, denn dieſe ſcheinen ihr Gluͤck in andrer Un- gluͤck zu finden.
Jch muß die Feder niederlegen: denn ich fin- de, daß mir die Dinte allzuſehr mit Galle ge- miſcht iſt.
Der achte Brief. von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Freytag Morgens um 6. Uhr.
Jungfer Eliſabeth erzaͤhlt mir, daß unten von nichts als von meiner Reiſe zu mei- nem Onckel Anton geredet wird: und ſie ſelbſt hat Befehl bekommen, ſich in Bereitſchaft zu halten, um mich begleiten zu koͤnnen. Als ich ihr bezeugete, daß ich nicht die geringſte Luſt zu einer ſolchen Reiſe haͤtte, unterſtand ſie ſich, mir zu antworten: ſie haͤtte ſo oft gehoͤrt, daß ich von meines Onckels Wohnung geruͤhmet haͤtte, ſie ſey ſo artig als ſie in einer Romaine erdichtet zu werden pflegte. Sie muͤſte ſich wundern, (Au- gen und Haͤnde hub ſie hierbey in die Hoͤhe (daß
ich
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Die Geſchichte
was man wuͤnſchen ſoll. Die Haͤlfte der Men-
ſchen quaͤlet ſich, um die andere Haͤlfte quaͤlen zu
koͤnnen. So geht es mit mir: meine Verwand-
ten koͤnnen ſelbſt kein wahres Gluͤck ſchmecken,
wenn ſie mich ungluͤcklich machen wollen. Jch
nehme meinen Bruder und meine Schweſter
aus, denn dieſe ſcheinen ihr Gluͤck in andrer Un-
gluͤck zu finden.
Jch muß die Feder niederlegen: denn ich fin-
de, daß mir die Dinte allzuſehr mit Galle ge-
miſcht iſt.
Der achte Brief.
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Freytag Morgens um 6. Uhr.
Jungfer Eliſabeth erzaͤhlt mir, daß unten
von nichts als von meiner Reiſe zu mei-
nem Onckel Anton geredet wird: und ſie ſelbſt
hat Befehl bekommen, ſich in Bereitſchaft zu
halten, um mich begleiten zu koͤnnen. Als ich
ihr bezeugete, daß ich nicht die geringſte Luſt zu
einer ſolchen Reiſe haͤtte, unterſtand ſie ſich, mir
zu antworten: ſie haͤtte ſo oft gehoͤrt, daß ich von
meines Onckels Wohnung geruͤhmet haͤtte, ſie ſey
ſo artig als ſie in einer Romaine erdichtet zu
werden pflegte. Sie muͤſte ſich wundern, (Au-
gen und Haͤnde hub ſie hierbey in die Hoͤhe (daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/64>, abgerufen am 21.11.2024.
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