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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
eine Schwester zu seyn. Das Glück hat sich
bisher so gegen mich aufgeführt, als wenn es
gleiche Gedancken hätte.

Freytags um 10. Uhr.

Jch bin jetzt eben auf dem Hüner-Hofe ge-
wesen. Hier hörte ich, wie mein Bruder, mei-
ne Schwester, und der Solmes mit einander
lacheten und frohlockten. Weil die hohe Hecke
von Eiben-Bäumen zwischen dem Garten und
dem Hofe ist, so konnten sie mich nicht sehen.

Mein Bruder muste ihnen die Abschrift sei-
nes letzten Briefes entweder gantz oder zum
Theil vorgelesen haben. Eine sehr kluge Auf-
führung von denen, welche die Absicht haben,
daß ich ihn heyrathen soll. Es wäre wenigstens
billig, ihm dieses zu verheelen, wenn ich die Sei-
nige werden sollte, damit ich künftig vergnügter
mit ihm leben könnte. Allein ich zweifele nicht
mehr daran, daß sie mich von Hertzen hassen.

Meine Schwester sagte: ich glaube, Bruder,
ihr habt gewonnen. Jhr hättet ihr nicht ver-
bieten dürfen, an euch zu schreiben. So wi-
tzig sie auch seyn will, wird sie sich doch nicht un-
terstehen zu antworten.

Wie? fragte mein Bruder mit einer Mine,
in der man lesen konnte, daß er sich über seinen
Reichthum an Schul-Witz im Hertzen freuete:
ich habe ihr einen Bissen zu verschlucken gege-
ben, den sie nicht wird nieder kriegen können.
Was meinen sie, Herr Solmes.

Jch

Die Geſchichte
eine Schweſter zu ſeyn. Das Gluͤck hat ſich
bisher ſo gegen mich aufgefuͤhrt, als wenn es
gleiche Gedancken haͤtte.

Freytags um 10. Uhr.

Jch bin jetzt eben auf dem Huͤner-Hofe ge-
weſen. Hier hoͤrte ich, wie mein Bruder, mei-
ne Schweſter, und der Solmes mit einander
lacheten und frohlockten. Weil die hohe Hecke
von Eiben-Baͤumen zwiſchen dem Garten und
dem Hofe iſt, ſo konnten ſie mich nicht ſehen.

Mein Bruder muſte ihnen die Abſchrift ſei-
nes letzten Briefes entweder gantz oder zum
Theil vorgeleſen haben. Eine ſehr kluge Auf-
fuͤhrung von denen, welche die Abſicht haben,
daß ich ihn heyrathen ſoll. Es waͤre wenigſtens
billig, ihm dieſes zu verheelen, wenn ich die Sei-
nige werden ſollte, damit ich kuͤnftig vergnuͤgter
mit ihm leben koͤnnte. Allein ich zweifele nicht
mehr daran, daß ſie mich von Hertzen haſſen.

Meine Schweſter ſagte: ich glaube, Bruder,
ihr habt gewonnen. Jhr haͤttet ihr nicht ver-
bieten duͤrfen, an euch zu ſchreiben. So wi-
tzig ſie auch ſeyn will, wird ſie ſich doch nicht un-
terſtehen zu antworten.

Wie? fragte mein Bruder mit einer Mine,
in der man leſen konnte, daß er ſich uͤber ſeinen
Reichthum an Schul-Witz im Hertzen freuete:
ich habe ihr einen Biſſen zu verſchlucken gege-
ben, den ſie nicht wird nieder kriegen koͤnnen.
Was meinen ſie, Herr Solmes.

Jch
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[60/0066] Die Geſchichte eine Schweſter zu ſeyn. Das Gluͤck hat ſich bisher ſo gegen mich aufgefuͤhrt, als wenn es gleiche Gedancken haͤtte. Freytags um 10. Uhr. Jch bin jetzt eben auf dem Huͤner-Hofe ge- weſen. Hier hoͤrte ich, wie mein Bruder, mei- ne Schweſter, und der Solmes mit einander lacheten und frohlockten. Weil die hohe Hecke von Eiben-Baͤumen zwiſchen dem Garten und dem Hofe iſt, ſo konnten ſie mich nicht ſehen. Mein Bruder muſte ihnen die Abſchrift ſei- nes letzten Briefes entweder gantz oder zum Theil vorgeleſen haben. Eine ſehr kluge Auf- fuͤhrung von denen, welche die Abſicht haben, daß ich ihn heyrathen ſoll. Es waͤre wenigſtens billig, ihm dieſes zu verheelen, wenn ich die Sei- nige werden ſollte, damit ich kuͤnftig vergnuͤgter mit ihm leben koͤnnte. Allein ich zweifele nicht mehr daran, daß ſie mich von Hertzen haſſen. Meine Schweſter ſagte: ich glaube, Bruder, ihr habt gewonnen. Jhr haͤttet ihr nicht ver- bieten duͤrfen, an euch zu ſchreiben. So wi- tzig ſie auch ſeyn will, wird ſie ſich doch nicht un- terſtehen zu antworten. Wie? fragte mein Bruder mit einer Mine, in der man leſen konnte, daß er ſich uͤber ſeinen Reichthum an Schul-Witz im Hertzen freuete: ich habe ihr einen Biſſen zu verſchlucken gege- ben, den ſie nicht wird nieder kriegen koͤnnen. Was meinen ſie, Herr Solmes. Jch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/66>, abgerufen am 21.11.2024.