Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



dem Schreiben finde. Jch meinte über dieses lo-
benswürdige Absichten zu haben; und es war eine
Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech-
sel billigten.

Jedoch, so bereit ich bisweilen bin, meinen an-
genehmsten Briefwechsel zur Beruhigung Jhrer
Frau Mutter zu verleugnen; so sehe ich doch nicht,
was es schaden kann, wenn wir bisweilen an ein-
ander schreiben; sonderlich da meine Briefe voll
Reue und Anklage meiner selbst sind. Sie haben
so viel Klugheit und Behutsamkeit, und dabey nicht
die geringste Versuchung, meinem Beyspiel nach-
zufolgen.

Jch dancke Jhnen von Hertzen für Jhr gütiges
Anerbieten. Seyn Sie versichert, daß ich durch eine
solche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem
Menschen unter der Sonnen, verpflichtet seyn woll-
te: insonderheit lieber als dem Herrn Lovelace.
Wenn ich Jhre Gütigkeit verbitte, so meinen Sie
nicht, daß ich mich in die Umstände setzen will, in
denen ich sie von ihm annehmen müßte.

Ohngeachtet dessen was Sie schreiben, will ich die
Hoffnung noch nicht fahren lassen, mein weniges
Geld und Kleidung von Hause zu bekommen. Die
Meinigen, oder zum wenigsten einige unter Jhnen,
sind zu verständig, als daß sie mich in so armsee-
lige Umstände stürtzen werden. Vielleicht werden
sie sich nicht übereilen, mir diese Gefälligkeit zu
erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht
so gleich empfinden. Jch glaube, Sie selbst wer-
den nicht der Meinung seyn, daß ich wider seinen

Wil-
Dritter Theil. H



dem Schreiben finde. Jch meinte uͤber dieſes lo-
benswuͤrdige Abſichten zu haben; und es war eine
Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech-
ſel billigten.

Jedoch, ſo bereit ich bisweilen bin, meinen an-
genehmſten Briefwechſel zur Beruhigung Jhrer
Frau Mutter zu verleugnen; ſo ſehe ich doch nicht,
was es ſchaden kann, wenn wir bisweilen an ein-
ander ſchreiben; ſonderlich da meine Briefe voll
Reue und Anklage meiner ſelbſt ſind. Sie haben
ſo viel Klugheit und Behutſamkeit, und dabey nicht
die geringſte Verſuchung, meinem Beyſpiel nach-
zufolgen.

Jch dancke Jhnen von Hertzen fuͤr Jhr guͤtiges
Anerbieten. Seyn Sie verſichert, daß ich durch eine
ſolche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem
Menſchen unter der Sonnen, verpflichtet ſeyn woll-
te: inſonderheit lieber als dem Herrn Lovelace.
Wenn ich Jhre Guͤtigkeit verbitte, ſo meinen Sie
nicht, daß ich mich in die Umſtaͤnde ſetzen will, in
denen ich ſie von ihm annehmen muͤßte.

Ohngeachtet deſſen was Sie ſchreiben, will ich die
Hoffnung noch nicht fahren laſſen, mein weniges
Geld und Kleidung von Hauſe zu bekommen. Die
Meinigen, oder zum wenigſten einige unter Jhnen,
ſind zu verſtaͤndig, als daß ſie mich in ſo armſee-
lige Umſtaͤnde ſtuͤrtzen werden. Vielleicht werden
ſie ſich nicht uͤbereilen, mir dieſe Gefaͤlligkeit zu
erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht
ſo gleich empfinden. Jch glaube, Sie ſelbſt wer-
den nicht der Meinung ſeyn, daß ich wider ſeinen

Wil-
Dritter Theil. H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="113"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dem Schreiben finde. Jch meinte u&#x0364;ber die&#x017F;es lo-<lb/>
benswu&#x0364;rdige Ab&#x017F;ichten zu haben; und es war eine<lb/>
Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech-<lb/>
&#x017F;el billigten.</p><lb/>
          <p>Jedoch, &#x017F;o bereit ich bisweilen bin, meinen an-<lb/>
genehm&#x017F;ten Briefwech&#x017F;el zur Beruhigung Jhrer<lb/>
Frau Mutter zu verleugnen; &#x017F;o &#x017F;ehe ich doch nicht,<lb/>
was es &#x017F;chaden kann, wenn wir bisweilen an ein-<lb/>
ander &#x017F;chreiben; &#x017F;onderlich da meine Briefe voll<lb/>
Reue und Anklage meiner &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind. Sie haben<lb/>
&#x017F;o viel Klugheit und Behut&#x017F;amkeit, und dabey nicht<lb/>
die gering&#x017F;te Ver&#x017F;uchung, meinem Bey&#x017F;piel nach-<lb/>
zufolgen.</p><lb/>
          <p>Jch dancke Jhnen von Hertzen fu&#x0364;r Jhr gu&#x0364;tiges<lb/>
Anerbieten. Seyn Sie ver&#x017F;ichert, daß ich durch eine<lb/>
&#x017F;olche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem<lb/>
Men&#x017F;chen unter der Sonnen, verpflichtet &#x017F;eyn woll-<lb/>
te: in&#x017F;onderheit lieber als dem Herrn <hi rendition="#fr">Lovelace.</hi><lb/>
Wenn ich Jhre Gu&#x0364;tigkeit verbitte, &#x017F;o meinen Sie<lb/>
nicht, daß ich mich in die Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;etzen will, in<lb/>
denen ich &#x017F;ie von ihm annehmen mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Ohngeachtet de&#x017F;&#x017F;en was Sie &#x017F;chreiben, will ich die<lb/>
Hoffnung noch nicht fahren la&#x017F;&#x017F;en, mein weniges<lb/>
Geld und Kleidung von Hau&#x017F;e zu bekommen. Die<lb/>
Meinigen, oder zum wenig&#x017F;ten einige unter Jhnen,<lb/>
&#x017F;ind zu ver&#x017F;ta&#x0364;ndig, als daß &#x017F;ie mich in &#x017F;o arm&#x017F;ee-<lb/>
lige Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;tu&#x0364;rtzen werden. Vielleicht werden<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nicht u&#x0364;bereilen, mir die&#x017F;e Gefa&#x0364;lligkeit zu<lb/>
erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht<lb/>
&#x017F;o gleich empfinden. Jch glaube, Sie &#x017F;elb&#x017F;t wer-<lb/>
den nicht der Meinung &#x017F;eyn, daß ich wider &#x017F;einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Dritter Theil.</hi> H</fw><fw place="bottom" type="catch">Wil-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0127] dem Schreiben finde. Jch meinte uͤber dieſes lo- benswuͤrdige Abſichten zu haben; und es war eine Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech- ſel billigten. Jedoch, ſo bereit ich bisweilen bin, meinen an- genehmſten Briefwechſel zur Beruhigung Jhrer Frau Mutter zu verleugnen; ſo ſehe ich doch nicht, was es ſchaden kann, wenn wir bisweilen an ein- ander ſchreiben; ſonderlich da meine Briefe voll Reue und Anklage meiner ſelbſt ſind. Sie haben ſo viel Klugheit und Behutſamkeit, und dabey nicht die geringſte Verſuchung, meinem Beyſpiel nach- zufolgen. Jch dancke Jhnen von Hertzen fuͤr Jhr guͤtiges Anerbieten. Seyn Sie verſichert, daß ich durch eine ſolche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem Menſchen unter der Sonnen, verpflichtet ſeyn woll- te: inſonderheit lieber als dem Herrn Lovelace. Wenn ich Jhre Guͤtigkeit verbitte, ſo meinen Sie nicht, daß ich mich in die Umſtaͤnde ſetzen will, in denen ich ſie von ihm annehmen muͤßte. Ohngeachtet deſſen was Sie ſchreiben, will ich die Hoffnung noch nicht fahren laſſen, mein weniges Geld und Kleidung von Hauſe zu bekommen. Die Meinigen, oder zum wenigſten einige unter Jhnen, ſind zu verſtaͤndig, als daß ſie mich in ſo armſee- lige Umſtaͤnde ſtuͤrtzen werden. Vielleicht werden ſie ſich nicht uͤbereilen, mir dieſe Gefaͤlligkeit zu erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht ſo gleich empfinden. Jch glaube, Sie ſelbſt wer- den nicht der Meinung ſeyn, daß ich wider ſeinen Wil- Dritter Theil. H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/127
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/127>, abgerufen am 22.12.2024.