men, wenn sie mit uns unsinnigen Kerls, die wir über die Gesetze sind, und uns nicht unter der Larve der Tugend verstecken wollen, in einen offen- baren Krieg gerathen.
Du weißest, daß ich mich nie gescheut habe, mich unter eine Menge von Feinden zu wagen. Je mehr ihrer waren, desto sicherer bin ich gewesen. Einer oder ein paar werden gewiß die Parthey des eintzelnen irrenden Ritters nehmen: sie dencken es selbst nicht, und nehmen sie doch in der That. Sie halten ihn ab, nichts zu unternehmen; und unter- dessen halten andere seinen vornehmsten Widersa- cher auch ab. Beyden wächst unterdessen der Muth, bis sie sich beyde überreden lassen sich zu vertragen, oder einer auf Bitte der übrigen weggehet. Der, welcher die Gesetze bricht, hat ordentlich eben die Vortheile als der Beobachter der Gesetze: das wäh- ret wenigstens eine Zeit lang, bis er seinen Lauf vollendet hat. Bedencke noch über dieses, daß die gantze Harlowische Familie weiß, daß sie mich angegriffen und beleidiget hat. Krochen sie nicht in ihrer eigenen Kirche zusammen, wie die Bie- nen, als sie mich hinein kommen sahen? Keiner wollte der erste seyn, der sich wagete heraus zu ge- hen, als der Gottes-Dienst vorüber war.
Jacob Harlowe war zwar damahls nicht mit in der Kirche. Der würde sich vielleicht gezwun- gen haben, bravauszusehen. Allein es giebt eine Dreistigkeit des Gesichts, die allzu wild ist, und eben dadurch eine geheime Furcht verräth. Das würde Jacob Harlowes Gesicht gewesen seyn,
wenn
men, wenn ſie mit uns unſinnigen Kerls, die wir uͤber die Geſetze ſind, und uns nicht unter der Larve der Tugend verſtecken wollen, in einen offen- baren Krieg gerathen.
Du weißeſt, daß ich mich nie geſcheut habe, mich unter eine Menge von Feinden zu wagen. Je mehr ihrer waren, deſto ſicherer bin ich geweſen. Einer oder ein paar werden gewiß die Parthey des eintzelnen irrenden Ritters nehmen: ſie dencken es ſelbſt nicht, und nehmen ſie doch in der That. Sie halten ihn ab, nichts zu unternehmen; und unter- deſſen halten andere ſeinen vornehmſten Widerſa- cher auch ab. Beyden waͤchſt unterdeſſen der Muth, bis ſie ſich beyde uͤberreden laſſen ſich zu vertragen, oder einer auf Bitte der uͤbrigen weggehet. Der, welcher die Geſetze bricht, hat ordentlich eben die Vortheile als der Beobachter der Geſetze: das waͤh- ret wenigſtens eine Zeit lang, bis er ſeinen Lauf vollendet hat. Bedencke noch uͤber dieſes, daß die gantze Harlowiſche Familie weiß, daß ſie mich angegriffen und beleidiget hat. Krochen ſie nicht in ihrer eigenen Kirche zuſammen, wie die Bie- nen, als ſie mich hinein kommen ſahen? Keiner wollte der erſte ſeyn, der ſich wagete heraus zu ge- hen, als der Gottes-Dienſt voruͤber war.
Jacob Harlowe war zwar damahls nicht mit in der Kirche. Der wuͤrde ſich vielleicht gezwun- gen haben, bravauszuſehen. Allein es giebt eine Dreiſtigkeit des Geſichts, die allzu wild iſt, und eben dadurch eine geheime Furcht verraͤth. Das wuͤrde Jacob Harlowes Geſicht geweſen ſeyn,
wenn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0157"n="143"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
men, wenn ſie mit uns unſinnigen Kerls, die wir<lb/>
uͤber die Geſetze ſind, und uns nicht unter der<lb/>
Larve der Tugend verſtecken wollen, in einen offen-<lb/>
baren Krieg gerathen.</p><lb/><p>Du weißeſt, daß ich mich nie geſcheut habe, mich<lb/>
unter eine Menge von Feinden zu wagen. Je<lb/>
mehr ihrer waren, deſto ſicherer bin ich geweſen.<lb/>
Einer oder ein paar werden gewiß die Parthey des<lb/>
eintzelnen irrenden Ritters nehmen: ſie dencken es<lb/>ſelbſt nicht, und nehmen ſie doch in der That. Sie<lb/>
halten ihn ab, nichts zu unternehmen; und unter-<lb/>
deſſen halten andere ſeinen vornehmſten Widerſa-<lb/>
cher auch ab. Beyden waͤchſt unterdeſſen der Muth,<lb/>
bis ſie ſich beyde uͤberreden laſſen ſich zu vertragen,<lb/>
oder einer auf Bitte der uͤbrigen weggehet. Der,<lb/>
welcher die Geſetze bricht, hat ordentlich eben die<lb/>
Vortheile als der Beobachter der Geſetze: das waͤh-<lb/>
ret wenigſtens eine Zeit lang, bis er ſeinen Lauf<lb/>
vollendet hat. Bedencke noch uͤber dieſes, daß<lb/>
die gantze Harlowiſche Familie weiß, daß ſie mich<lb/>
angegriffen und beleidiget hat. Krochen ſie nicht<lb/>
in ihrer eigenen Kirche zuſammen, wie die Bie-<lb/>
nen, als ſie mich hinein kommen ſahen? Keiner<lb/>
wollte der erſte ſeyn, der ſich wagete heraus zu ge-<lb/>
hen, als der Gottes-Dienſt voruͤber war.</p><lb/><p>Jacob Harlowe war zwar damahls nicht mit<lb/>
in der Kirche. Der wuͤrde ſich vielleicht gezwun-<lb/>
gen haben, bravauszuſehen. Allein es giebt eine<lb/>
Dreiſtigkeit des Geſichts, die allzu wild iſt, und<lb/>
eben dadurch eine geheime Furcht verraͤth. Das<lb/>
wuͤrde Jacob Harlowes Geſicht geweſen ſeyn,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wenn</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[143/0157]
men, wenn ſie mit uns unſinnigen Kerls, die wir
uͤber die Geſetze ſind, und uns nicht unter der
Larve der Tugend verſtecken wollen, in einen offen-
baren Krieg gerathen.
Du weißeſt, daß ich mich nie geſcheut habe, mich
unter eine Menge von Feinden zu wagen. Je
mehr ihrer waren, deſto ſicherer bin ich geweſen.
Einer oder ein paar werden gewiß die Parthey des
eintzelnen irrenden Ritters nehmen: ſie dencken es
ſelbſt nicht, und nehmen ſie doch in der That. Sie
halten ihn ab, nichts zu unternehmen; und unter-
deſſen halten andere ſeinen vornehmſten Widerſa-
cher auch ab. Beyden waͤchſt unterdeſſen der Muth,
bis ſie ſich beyde uͤberreden laſſen ſich zu vertragen,
oder einer auf Bitte der uͤbrigen weggehet. Der,
welcher die Geſetze bricht, hat ordentlich eben die
Vortheile als der Beobachter der Geſetze: das waͤh-
ret wenigſtens eine Zeit lang, bis er ſeinen Lauf
vollendet hat. Bedencke noch uͤber dieſes, daß
die gantze Harlowiſche Familie weiß, daß ſie mich
angegriffen und beleidiget hat. Krochen ſie nicht
in ihrer eigenen Kirche zuſammen, wie die Bie-
nen, als ſie mich hinein kommen ſahen? Keiner
wollte der erſte ſeyn, der ſich wagete heraus zu ge-
hen, als der Gottes-Dienſt voruͤber war.
Jacob Harlowe war zwar damahls nicht mit
in der Kirche. Der wuͤrde ſich vielleicht gezwun-
gen haben, bravauszuſehen. Allein es giebt eine
Dreiſtigkeit des Geſichts, die allzu wild iſt, und
eben dadurch eine geheime Furcht verraͤth. Das
wuͤrde Jacob Harlowes Geſicht geweſen ſeyn,
wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/157>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.