So oft ich mit dergleichen Leuten zu thun gehabt habe, habe ich ein ruhiges und heiteres Gesicht an- genommen, und es den Freunden meines Feindes (so wie dieses mahl der Harlowischen Familie in Absicht auf ihre Tochter) überlassen, sich für mich zu bemühen.
Jch lasse jetzt alle lobenswürdigen und mittel- mäßig-gute Handlungen, die ich jemahls in mei- nem Leben verrichtet habe, zur Musterung vor meinem Gedächtniß erscheinen. Du wirst mich nicht an viel solche Thaten erinnern können, die ich vergessen haben möchte: denn ich bin nicht so gottlos vorhin gewesen, als seit der Zeit da ich dich gekannt habe.
Kannst du dich nicht besinnen, daß ich den Vor- satz gehabt habe, etwas gutes zu thun? dencke einmahl an meiner Stelle nach, und überhebe mich der Arbeit. Jch erinnere mich einiger sol- cher Entschließungen, die in der Rechnung bestehen werden. Vielleicht aber kannst du ihre Anzahl noch mit mehr guten Wercken vermehren, die ich vergessen habe.
Das unterstehe ich mich zu sagen, daß an dem schlimmesten Flecke, der meine Thaten verstellen kann, blos die Mädchens, die albernen Mädchens Schuld sind. Wenn die nicht wären, so könnte ich mit gutem Gewissen in die Kirche gehen: allein wenn ich meinen Fuß in das Haus Gottes setze, so finde ich Mädchens darin. Ueberall hat mir Sa- tanas seine Schlinge geleget.
Es
wenn ich ihnen meine Aufwartung gemacht haͤtte.
So oft ich mit dergleichen Leuten zu thun gehabt habe, habe ich ein ruhiges und heiteres Geſicht an- genommen, und es den Freunden meines Feindes (ſo wie dieſes mahl der Harlowiſchen Familie in Abſicht auf ihre Tochter) uͤberlaſſen, ſich fuͤr mich zu bemuͤhen.
Jch laſſe jetzt alle lobenswuͤrdigen und mittel- maͤßig-gute Handlungen, die ich jemahls in mei- nem Leben verrichtet habe, zur Muſterung vor meinem Gedaͤchtniß erſcheinen. Du wirſt mich nicht an viel ſolche Thaten erinnern koͤnnen, die ich vergeſſen haben moͤchte: denn ich bin nicht ſo gottlos vorhin geweſen, als ſeit der Zeit da ich dich gekannt habe.
Kannſt du dich nicht beſinnen, daß ich den Vor- ſatz gehabt habe, etwas gutes zu thun? dencke einmahl an meiner Stelle nach, und uͤberhebe mich der Arbeit. Jch erinnere mich einiger ſol- cher Entſchließungen, die in der Rechnung beſtehen werden. Vielleicht aber kannſt du ihre Anzahl noch mit mehr guten Wercken vermehren, die ich vergeſſen habe.
Das unterſtehe ich mich zu ſagen, daß an dem ſchlimmeſten Flecke, der meine Thaten verſtellen kann, blos die Maͤdchens, die albernen Maͤdchens Schuld ſind. Wenn die nicht waͤren, ſo koͤnnte ich mit gutem Gewiſſen in die Kirche gehen: allein wenn ich meinen Fuß in das Haus Gottes ſetze, ſo finde ich Maͤdchens darin. Ueberall hat mir Sa- tanas ſeine Schlinge geleget.
Es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0158"n="144"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
wenn ich ihnen meine Aufwartung gemacht<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>So oft ich mit dergleichen Leuten zu thun gehabt<lb/>
habe, habe ich ein ruhiges und heiteres Geſicht an-<lb/>
genommen, und es den Freunden meines Feindes<lb/>
(ſo wie dieſes mahl der Harlowiſchen Familie in<lb/>
Abſicht auf ihre Tochter) uͤberlaſſen, ſich fuͤr mich<lb/>
zu bemuͤhen.</p><lb/><p>Jch laſſe jetzt alle lobenswuͤrdigen und mittel-<lb/>
maͤßig-gute Handlungen, die ich jemahls in mei-<lb/>
nem Leben verrichtet habe, zur Muſterung vor<lb/>
meinem Gedaͤchtniß erſcheinen. Du wirſt mich<lb/>
nicht an viel ſolche Thaten erinnern koͤnnen, die<lb/>
ich vergeſſen haben moͤchte: denn ich bin nicht ſo<lb/>
gottlos vorhin geweſen, als ſeit der Zeit da ich dich<lb/>
gekannt habe.</p><lb/><p>Kannſt du dich nicht beſinnen, daß ich den Vor-<lb/>ſatz gehabt habe, etwas gutes zu thun? dencke<lb/>
einmahl an meiner Stelle nach, und uͤberhebe<lb/>
mich der Arbeit. Jch erinnere mich einiger ſol-<lb/>
cher Entſchließungen, die in der Rechnung beſtehen<lb/>
werden. Vielleicht aber kannſt du ihre Anzahl<lb/>
noch mit mehr guten Wercken vermehren, die ich<lb/>
vergeſſen habe.</p><lb/><p>Das unterſtehe ich mich zu ſagen, daß an dem<lb/>ſchlimmeſten Flecke, der meine Thaten verſtellen<lb/>
kann, blos die Maͤdchens, die albernen Maͤdchens<lb/>
Schuld ſind. Wenn die nicht waͤren, ſo koͤnnte<lb/>
ich mit gutem Gewiſſen in die Kirche gehen: allein<lb/>
wenn ich meinen Fuß in das Haus Gottes ſetze, ſo<lb/>
finde ich Maͤdchens darin. Ueberall hat mir Sa-<lb/>
tanas ſeine Schlinge geleget.</p><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[144/0158]
wenn ich ihnen meine Aufwartung gemacht
haͤtte.
So oft ich mit dergleichen Leuten zu thun gehabt
habe, habe ich ein ruhiges und heiteres Geſicht an-
genommen, und es den Freunden meines Feindes
(ſo wie dieſes mahl der Harlowiſchen Familie in
Abſicht auf ihre Tochter) uͤberlaſſen, ſich fuͤr mich
zu bemuͤhen.
Jch laſſe jetzt alle lobenswuͤrdigen und mittel-
maͤßig-gute Handlungen, die ich jemahls in mei-
nem Leben verrichtet habe, zur Muſterung vor
meinem Gedaͤchtniß erſcheinen. Du wirſt mich
nicht an viel ſolche Thaten erinnern koͤnnen, die
ich vergeſſen haben moͤchte: denn ich bin nicht ſo
gottlos vorhin geweſen, als ſeit der Zeit da ich dich
gekannt habe.
Kannſt du dich nicht beſinnen, daß ich den Vor-
ſatz gehabt habe, etwas gutes zu thun? dencke
einmahl an meiner Stelle nach, und uͤberhebe
mich der Arbeit. Jch erinnere mich einiger ſol-
cher Entſchließungen, die in der Rechnung beſtehen
werden. Vielleicht aber kannſt du ihre Anzahl
noch mit mehr guten Wercken vermehren, die ich
vergeſſen habe.
Das unterſtehe ich mich zu ſagen, daß an dem
ſchlimmeſten Flecke, der meine Thaten verſtellen
kann, blos die Maͤdchens, die albernen Maͤdchens
Schuld ſind. Wenn die nicht waͤren, ſo koͤnnte
ich mit gutem Gewiſſen in die Kirche gehen: allein
wenn ich meinen Fuß in das Haus Gottes ſetze, ſo
finde ich Maͤdchens darin. Ueberall hat mir Sa-
tanas ſeine Schlinge geleget.
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/158>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.