Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


"Wenn auch das schlimmste erfolget, so will
"ich dem Prediger so in das Gewissen reden, daß
"er sich nicht unterstehen soll, die Trauung vor-
"zunehmen: und Herr Solmes soll sich auch
"nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen,
"die alle Kräfte anwendet, sich von ihm los zu
"reissen. Sind alle andere Mittel vergebens an-
"gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub
"erlangen: so kann ich vorgeben, daß ich Gewis-
"sens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort
"schon an einen andern gegeben habe. Denn
"Sie können aus den Briefen, die Sie in Ver-
"wahrung haben, sehen, daß ich Herrn Lovela-
"cen
die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen
"andern heyrathen will, so lange er noch am Le-
"ben und unverheyrathet ist, und mich nicht vor-
"setzlich beleydiget. Jch suchte durch dieses Ver-
"sprechen seine Rachgier in Schrancken zu halten,
"welche durch die Aufführung meines Bruders
"und meiner Onckels allzusehr gereitzet ward.

"Da ich meine Gewissens-Zweifel keinem an-
"dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, so
"ist es ohnmöglich, daß meine Mutter und ihre
"Schwester unbewegt und unerbittlich bleiben sol-
"len, wenn auch die übrigen steinern bleiben.

Nachdem ich dieses alles meinem Gemüth, auf
einen Blick vorgestellet hatte, so freuete ich mich
über den gefaßten Entschluß, nicht mit Herrn
Lovelacen wegzugehen.

Jch


„Wenn auch das ſchlimmſte erfolget, ſo will
„ich dem Prediger ſo in das Gewiſſen reden, daß
„er ſich nicht unterſtehen ſoll, die Trauung vor-
„zunehmen: und Herr Solmes ſoll ſich auch
„nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen,
„die alle Kraͤfte anwendet, ſich von ihm los zu
„reiſſen. Sind alle andere Mittel vergebens an-
„gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub
„erlangen: ſo kann ich vorgeben, daß ich Gewiſ-
„ſens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort
„ſchon an einen andern gegeben habe. Denn
„Sie koͤnnen aus den Briefen, die Sie in Ver-
„wahrung haben, ſehen, daß ich Herrn Lovela-
„cen
die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen
„andern heyrathen will, ſo lange er noch am Le-
„ben und unverheyrathet iſt, und mich nicht vor-
„ſetzlich beleydiget. Jch ſuchte durch dieſes Ver-
„ſprechen ſeine Rachgier in Schrancken zu halten,
„welche durch die Auffuͤhrung meines Bruders
„und meiner Onckels allzuſehr gereitzet ward.

„Da ich meine Gewiſſens-Zweifel keinem an-
„dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, ſo
„iſt es ohnmoͤglich, daß meine Mutter und ihre
„Schweſter unbewegt und unerbittlich bleiben ſol-
„len, wenn auch die uͤbrigen ſteinern bleiben.

Nachdem ich dieſes alles meinem Gemuͤth, auf
einen Blick vorgeſtellet hatte, ſo freuete ich mich
uͤber den gefaßten Entſchluß, nicht mit Herrn
Lovelacen wegzugehen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0018" n="4"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn auch das &#x017F;chlimm&#x017F;te erfolget, &#x017F;o will<lb/>
&#x201E;ich dem Prediger &#x017F;o in das Gewi&#x017F;&#x017F;en reden, daß<lb/>
&#x201E;er &#x017F;ich nicht unter&#x017F;tehen &#x017F;oll, die Trauung vor-<lb/>
&#x201E;zunehmen: und Herr <hi rendition="#fr">Solmes</hi> &#x017F;oll &#x017F;ich auch<lb/>
&#x201E;nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen,<lb/>
&#x201E;die alle Kra&#x0364;fte anwendet, &#x017F;ich von ihm los zu<lb/>
&#x201E;rei&#x017F;&#x017F;en. Sind alle andere Mittel vergebens an-<lb/>
&#x201E;gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub<lb/>
&#x201E;erlangen: &#x017F;o kann ich vorgeben, daß ich Gewi&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort<lb/>
&#x201E;&#x017F;chon an einen andern gegeben habe. Denn<lb/>
&#x201E;Sie ko&#x0364;nnen aus den Briefen, die Sie in Ver-<lb/>
&#x201E;wahrung haben, &#x017F;ehen, daß ich Herrn <hi rendition="#fr">Lovela-<lb/>
&#x201E;cen</hi> die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen<lb/>
&#x201E;andern heyrathen will, &#x017F;o lange er noch am Le-<lb/>
&#x201E;ben und unverheyrathet i&#x017F;t, und mich nicht vor-<lb/>
&#x201E;&#x017F;etzlich beleydiget. Jch &#x017F;uchte durch die&#x017F;es Ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;prechen &#x017F;eine Rachgier in Schrancken zu halten,<lb/>
&#x201E;welche durch die Auffu&#x0364;hrung meines Bruders<lb/>
&#x201E;und meiner Onckels allzu&#x017F;ehr gereitzet ward.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da ich meine Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Zweifel keinem an-<lb/>
&#x201E;dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t es ohnmo&#x0364;glich, daß meine Mutter und ihre<lb/>
&#x201E;Schwe&#x017F;ter unbewegt und unerbittlich bleiben &#x017F;ol-<lb/>
&#x201E;len, wenn auch die u&#x0364;brigen &#x017F;teinern bleiben.</p><lb/>
          <p>Nachdem ich die&#x017F;es alles meinem Gemu&#x0364;th, auf<lb/>
einen Blick vorge&#x017F;tellet hatte, &#x017F;o freuete ich mich<lb/>
u&#x0364;ber den gefaßten Ent&#x017F;chluß, nicht mit Herrn<lb/><hi rendition="#fr">Lovelacen</hi> wegzugehen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0018] „Wenn auch das ſchlimmſte erfolget, ſo will „ich dem Prediger ſo in das Gewiſſen reden, daß „er ſich nicht unterſtehen ſoll, die Trauung vor- „zunehmen: und Herr Solmes ſoll ſich auch „nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen, „die alle Kraͤfte anwendet, ſich von ihm los zu „reiſſen. Sind alle andere Mittel vergebens an- „gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub „erlangen: ſo kann ich vorgeben, daß ich Gewiſ- „ſens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort „ſchon an einen andern gegeben habe. Denn „Sie koͤnnen aus den Briefen, die Sie in Ver- „wahrung haben, ſehen, daß ich Herrn Lovela- „cen die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen „andern heyrathen will, ſo lange er noch am Le- „ben und unverheyrathet iſt, und mich nicht vor- „ſetzlich beleydiget. Jch ſuchte durch dieſes Ver- „ſprechen ſeine Rachgier in Schrancken zu halten, „welche durch die Auffuͤhrung meines Bruders „und meiner Onckels allzuſehr gereitzet ward. „Da ich meine Gewiſſens-Zweifel keinem an- „dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, ſo „iſt es ohnmoͤglich, daß meine Mutter und ihre „Schweſter unbewegt und unerbittlich bleiben ſol- „len, wenn auch die uͤbrigen ſteinern bleiben. Nachdem ich dieſes alles meinem Gemuͤth, auf einen Blick vorgeſtellet hatte, ſo freuete ich mich uͤber den gefaßten Entſchluß, nicht mit Herrn Lovelacen wegzugehen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/18
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/18>, abgerufen am 22.12.2024.